Flurbereinigungsgericht Weimar, Urteil vom 15.12.2009 - 7 F 428/09 (Lieferung 2011)

Aktenzeichen 7 F 428/09 Entscheidung Urteil Datum 15.12.2009
Gericht Flurbereinigungsgericht Weimar Veröffentlichungen Lieferung 2011

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Wenn sich in der näheren Umgebung der zu bewertenden Fläche einer ehemaligen LPG-Anlage auch einzelne gewerbliche Nutzungen finden (auch wenn sie inzwischen z.T. aufgegeben worden sein mögen), würde sich nicht nur eine landwirtschaftliche, sondern auch eine den vorhandenen Nutzungen vergleichbare gewerbliche Nutzung innerhalb des nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen "Rahmens" halten und wäre damit nach dieser Bestimmung bauplanungsrechtlich ihrer Art nach zulässig. Selbst ein den "Rahmen" der Umgebungsbebauung überschreitendes Vorhaben wäre auf den zu bewertenden Flächen zulässig, sofern es keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen hervorrufen oder erhöhen würde, was etwa bei einem Nutzungskonflikt mit der benachbarten landwirtschaftlichen Nutzung der Fall wäre.
2. Es ist in der Wertermittlung üblich, beim Fehlen von Bodenrichtwerten für die zu bewertende Fläche auf benachbarte Bodenrichtwerte zurückzugreifen.
3. Der pauschalierte Abzug nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG ist immer dann vorzunehmen, wenn die Erschließung nicht durch den Grundeigentümer finanziert worden ist. Dies gilt auch dann, wenn das jeweilige Grundstück "nur" beitragsfrei nach BauGB ist und der Grundeigentümer dementsprechend noch Beiträge nach dem jeweiligen KAG zahlen muss. Der Abzug ist selbst dann vorzunehmen, wenn nur eines der in § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SachenRBerG genannten Kriterien vorliegt, wenn z.B. der Grundstückseigentümer die Erschließung vorgenommen, aber nicht den Vermessungsaufwand getragen hat.
4. Stellen Dienstleistungen für Dritte (z.B. Reifenwechsel und Ersatz von Hydraulikschläuchen für Dritte durch Schlosser der Agrargenossenschaft), die bei isolierter Betrachtung als gewerbliche Tätigkeiten eingeordnet werden könnten, sich lediglich als "Anhängsel" zur landwirtschaftlichen Nutzung dar und stehen mit dieser auch in einem betrieblichen Zusammenhang, so ist der Kaufpreis nicht gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG nach dem ungeteilten Bodenwert zu bemessen.

Aus den Gründen

II.

Die Klagen gegen die somit in einem "Teil-Widerspruchsbescheid" erfolgte geänderte Wertermittlung haben in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Mai 2009 ist rechtmäßig und verletzt beide Klägerinnen daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die Einlageflurstücke der Klägerin zu 1) fehlerfrei bewertet.


1. (...)


2. (...)


3. Für die Ermittlung des "Ausgangswerts" müssen zunächst die wertbeeinflussenden Faktoren des zu bewertenden Grundstücks ermittelt werden, da nur dann nach geeigneten Bodenrichtwerten oder Vergleichsgrundstücken gesucht werden kann. Hierbei können wiederum die einschlägigen Vorschriften der Wertermittlungsverordnung herangezogen werden. Diese Regelungen zeigen, dass der Wert eines Baugrundstücks maßgeblich von Art und Maß der auf ihm möglichen baulichen Nutzung beeinflusst wird (vgl. § 3 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 WertV). Der Senat hat hierzu bereits in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2007 in der Sache 7 F 1319/05 darauf hingewiesen, dass die nähere Umgebung der hier zu bewertenden Grundstücke durch ein Gemengelage zwischen landwirtschaftlicher Nutzung einerseits, gewerblicher und sonstiger Nutzung andererseits geprägt wird und die Einlageflurstücke damit in einem Bereich liegen, der sich keinem der in der Baunutzungsverordnung aufgeführten Baugebiete zuordnen lässt. Dies hat zur Folge, dass die für den Grundstückswert maßgebliche bauliche Ausnutzbarkeit der Einlageflurstücke, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB liegen, sich nach § 34 Abs. 1 BauGB richtet. Danach ist auf den Einlageflurstücken jedes Vorhaben zulässig, das sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und dessen Erschließung gesichert ist.
Zu der Frage, welche Arten von Nutzung (also z.B. Wohnnutzung, verschiedene gewerbliche Nutzungen etc.) bei einer Beurteilung der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 BauGB jeweils zulässig sind, hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 20. November 2002 – 1 KO 817/01 – (BRS 65 Nr. 86 = Thür VBl. 2003, 277) ausgeführt:


"Ob sich ein Vorhaben seiner Art nach i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart seiner näheren Umgebung einfügt, hängt zunächst davon ab, ob es sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens hält. Bei dieser Frage ist an die Typisierung der Nutzungsarten in der BauNVO anzuknüpfen. Der Begriff "Art der baulichen Nutzung" in § 34 Abs. 1 BauGB ist grundsätzlich mit den Nutzungsarten gleichzusetzen, wie sie durch die Begriffe der BauNVO für die Nutzungsarten in den einzelnen Baugebieten definiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 C 13.93 – BRS 56 Nr. 61 = NVwZ 1995, 698). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung nach der vorhandenen Bebauung nicht einem dieser Baugebiete, sondern weist sie Merkmale mehrerer Baugebiete auf, sind nicht etwa alle Arten von Nutzungen zulässig, die in den nach der Eigenart der näheren Umgebung jeweils in Betracht kommenden Baugebieten nach der BauNVO zulässig wären. Vielmehr wird der für die Beurteilung des Sich-Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebliche Rahmen innerhalb des Spektrums der nach den angesprochenen Gebietstypen zulässigen Nutzungsarten von den in der näheren Umgebung auch tatsächlich vorhandenen Nutzungsarten begrenzt. Sind in der maßgebenden Umgebung den Begriffsbestimmungen der BauNVO entsprechende Nutzungsarten vorhanden, hält ein Vorhaben, das die Merkmale einer solchen Nutzungsart aufweist, den vorhandenen Rahmen ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 – 4 C 41.84 – BRS 47 Nr. 63 = NVwZ 1087, 884). (...)
Ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreitet, weil es – was die hier in Frage stehende Nutzungsart angeht – kein Vorbild hat, kann gleichwohl planungsrechtlich zulässig sein, wenn es nicht geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche und ausgleichsbedürftige Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen, wenn es mithin die vorgegebene Situation nicht in Bewegung bringt und damit keine Unruhe stiftet, die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich zieht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 – BverwGE 55, 369, 371 = BRS 33 Nr. 36). ..."

Da sich in der näheren Umgebung der Einlageflurstücke wie die bereits im Verfahren 7 F 1319/05 durchgeführte Augenscheinseinnahme ergeben hat auch einzelne gewerbliche Nutzungen finden (auch wenn sie inzwischen z. T. aufgegeben worden sein mögen), würde sich nicht nur eine landwirtschaftliche, sondern auch eine den vorhandenen Nutzungen vergleichbare gewerbliche Nutzung innerhalb des nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen "Rahmens" halten und wäre damit nach dieser Bestimmung bauplanungsrechtlich ihrer Art nach zulässig, sofern es keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen hervorrufen oder erhöhen würde, was etwa bei einem Nutzungskonflikt mit der benachbarten landwirtschaftlichen Nutzung der Fall wäre.


4. Die durch den angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2009 geänderte Wertermittlung trägt dieser in den Urteilen des erkennenden Senats vom 7. Mai 2007 in der Sache 7 F 1319/05 (Umdruck, S. 14 ff.) und vom 24. Juli 2008 in der Sache 7 F 865/07 <= RzF - 64 - zu § 64 LwAnpG> (Umdruck, S. 12 ff.) vorgenommenen Einstufung der näheren Umgebung des Grundstücks nunmehr hinreichend Rechnung:
Das Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte für das Gebiet des Landkreises Schmalkalden-Meiningen (Aktenzeichen 57123908), das der Beklagte zum Gegenstand der Wertermittlung gemacht hat, geht zwar zunächst von – nicht einschlägigen – Bodenrichtwerten für Sondergebiet Landwirtschaft (SOL) in einigen Katasterbereichen aus (Gutachten, S. 11). Sodann weist es aber zutreffend darauf hin, dass das "Bewertungsobjekt" (d.h. die Einlageflurstücke der Klägerin zu 1) aufgrund der sich seit den 90er Jahren ergebenden Änderungen in der Entwicklung der Umgebung von der ursprünglich historischen Nutzung abweiche und sich die (auch vom Senat festgestellte) Gemengelage entwickelt habe, so dass die Zulässigkeit von Vorhaben sich nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteile und auch eine sich in die Umgebung einfügende Mischnutzung zulässig sei (vgl. Gutachten, S. 12). Der Gutachterausschuss stellt deshalb für die Ermittlung des Werts von Grund und Boden (ohne die aufstehenden Gebäude, auch soweit sie sich im Eigentum der Klägerin zu 1) befinden) auf den Bodenrichtwert der angrenzenden Bodenrichtwertzone (MD) ab, der zum Stichtag 31. Dezember 2006 (die Bodenrichtwerte zum nachfolgenden Stichtag 31. Dezember 2008 waren am Bewertungsstichtag 29. Januar 2009 noch nicht festgestellt worden) 15,- Euro betrug. Zur Begründung verweist der Gutachterausschuss darauf, dass die lagetypischen Eigenschaften der zu bewertenden Flurstücke dieser Wertzone zuordenbar seien (vgl. Gutachten, S. 12 f.). Dem ist zu folgen. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 7. Mai 2007 in der Sache 7 F 1319/05 darauf hingewiesen, dass die nähere Umgebung sich weder als Mischgebiet noch als Dorfgebiet einordnen lässt (vgl. UA S. 15), doch erscheint die Begründung für die Heranziehung des "angrenzenden" Bodenrichtwerts plausibel. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die für die Bewertung maßgeblichen Nutzungsmöglichkeiten der Einlageflurstücke der Klägerin zu 1) in der vorhandenen Gemengelage sich erheblich (d.h. hier wertbeeinflussend) von den Nutzungsmöglichkeiten der Grundstücke im angrenzenden Dorfgebiet unterscheiden. Der Vorsitzende des Gutachterausschusses, Herr Vermessungsdirektor Jänsch, hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Gutachterausschuss sei nach einer (am Wertermittlungsstichtag 29. Januar 2009 durchgeführten) Ortsbesichtigung zu der Erkenntnis gelangt, dass es hier um eine "erweiterte Ortslage" gehe und man sich bei den Einlageflurstücken der Klägerin zu 1) im Randbereich des Gebiets nach § 34 BauGB befinde. Es sei in der Wertermittlung auch durchaus üblich, beim Fehlen von Bodenrichtwerten auf benachbarte Bodenrichtwerte zurückzugreifen. Dies ist nachvollziehbar und überzeugend. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 24. Juli 2008 in der Sache 7 F 865/07 (UA S. 18) die Auffassung geäußert hat, es spreche nichts dafür, dass der Wert der Einlageflurstücke der Klägerin zu 1) sich durch Heranziehung der Bodenrichtwerte anderer Bodenrichtwertzonen zuverlässig ermitteln lasse, hält er daran nicht mehr fest.
Dem Gutachten ist auch darin zu folgen, dass von dem herangezogenen Bodenrichtwert von 15,- "/m² aufgrund der Randlage der Einlageflurstücke ein Abschlag (Anpassungsfaktor 0,90) für das vorhandene Altlastenrisiko anzusetzen ist (vgl. Gutachten, S. 13 f.). Der Gutachterausschuss hat nach Angaben seines Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung wegen der Randlage einen Abzug von mehr als 10 %, nämlich 15 % für sachgerecht gehalten. Dieser sachverständigen Beurteilung schließt sich der Senat an. Der etwas höhere Abzug von 15 % ist nicht zuletzt auch wegen der hierbei nach Angaben des Vorsitzenden des Gutachterausschusses berücksichtigten Immissionsbelastung durch den landwirtschaftlichen Betrieb gerechtfertigt. Der Abzug für das bestehende Altlastenrisiko in Höhe von 10 % liegt – wie der Vorsitzende des Gutachterausschusses in der Verhandlung vor dem Senat erläutert hat – an der untersten Grenze dessen, was bei derartigen Risiken üblicherweise abgezogen wird. Der genannte Wertabschlag ist unabhängig davon vorzunehmen, ob der jeweilige Grundeigentümer (hier die Klägerin zu 1) eine mögliche Schadstoffbelastung, die zu der entsprechenden Risikobewertung führt, zu verantworten hat oder nicht.


5. Der Beklagte hat – ausgehend von dem durch den Gutachterausschuss ermittelten Wert für ein unbebautes Grundstück – für die mit fremden Gebäudeeigentum belasteten Grundstücke bzw. Teile der Grundstücke der Klägerin zu 1) zu Recht einen Erschließungskostenabzug vorgenommen und dessen Höhe zutreffend berechnet.Nach der auf die Wertermittlung entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SachenRBerG ist der Wert des baureifen Grundstücks zu vermindern um einen nach Absatz 3 zu bemessenden Abzug für die Erhöhung des Werts des baureifen Grundstücks u. a. durch Aufwendungen zur Erschließung, Vermessung und für andere Kosten zur Baureifmachung des Grundstücks, es sei denn, dass der Grundstückseigentümer diese Kosten getragen hat oder das Grundstück bereits während der Dauer seines Besitzes erschlossen und vermessen war. Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG beträgt der Abzug in Gemeinden bis zu 10.000 Einwohnern (pauschaliert) 10 DM/qm; dies entspricht heute einem Betrag von 5,11 Euro. Der pauschalierte Erschließungskostenabzug ist hier zu Recht vorgenommen worden, denn die Erschließung der Grundstücke, auf denen die frühere LPG oder auch andere Betriebe die heute überwiegend im Eigentum der Klägerin zu 2) – als Rechtsnachfolgerin der LPG – befindlichen Gebäude errichtet haben, ist ersichtlich nicht durch den damaligen Grundstückseigentümer – den Großvater der Klägerin zu 1) – finanziert worden. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2009 (dort S. 3), der im Einzelnen die Erschließungsmaßnahmen anlässlich der Errichtung des ehemaligen Sozialgebäudes sowie die weiteren Erschließungsmaßnahmen darlegt (u.a. das Verlegen von Strom- und Wasserleitungen im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen der damaligen LPG). Die im Senatsurteil vom 24. Juli 2008 in der Sache 7 F 865/07 (UA S. 19) noch geäußerten Zweifel an der Berechtigung eines Erschließungskostenabzugs sind durch den angefochtenen Bescheid, dessen tatsächlichen Feststellungen die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten ist, ausgeräumt worden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 1) inzwischen als Grundstückseigentümerin zur Zahlung von Straßenausbaubeiträgen herangezogen worden ist. Der pauschalierte Abzug nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG ist immer dann (und vorbehaltlich des Eingreifens der noch zu erörternden "Kappungsgrenze" grundsätzlich auch in voller Höhe) vorzunehmen, wenn die Erschließung nicht durch den Grundeigentümer finanziert worden ist. Dies gilt auch dann, wenn das jeweilige Grundstück "nur" beitragsfrei nach BauGB ist und der Grundeigentümer dementsprechend noch Beiträge nach dem jeweiligen KAG zahlen muss. Der Gesetzgeber sieht in § 19 Abs. 2 und 3 SachenRBerG keine Differenzierung des pauschalierten Erschließungskostenabzugs danach vor, ob der Grundeigentümer Teile der entsprechenden Aufwendungen getragen hat oder in Zukunft noch tragen muss. Der Abzug ist selbst dann vorzunehmen, wenn nur eines der in § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SachenRBerG genannten Kriterien vorliegt (so BVerwG, Urteil vom 26.03.2003 – 9 C 5.02 -, BVerwGE 118, 91 = DÖV 2003, 860 – juris Rdn. 23 – <= RzF - 37 - zu § 64 LwAnpG> für den dort unterstellten Fall, dass der Grundstückseigentümer die Erschließung vorgenommen hat, aber nicht den Vermessungsaufwand getragen hat.


6. Ist dementsprechend unter Berücksichtigung der so ermittelten "Kappungsgrenze" hier nach Abzug der Pauschale für die Erschließung von einem vollen Bodenwert von 9,20 " auszugehen, erweist sich auch die Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes auf die mit fremden Gebäudeeigentum belasteten Grundstücke bzw. Grundstücksteile der Klägerin zu 1) und damit die Ermittlung ihres Einlagewerts mit 4,60 "/m² als gerechtfertigt. Nach der entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 68 Abs. 1 SachenRBerG, in der der sog. Halbteilungsgrundsatz zum Ausdruck kommt, beträgt der Kaufpreis (d. h. hier der zu ermittelnde Wert der Einlage der Klägerin zu 1) die Hälfte des Bodenwerts. Nach der ebenfalls entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 70 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG ist der Kaufpreis dann nach dem ungeteilten Bodenwert zu bemessen, wenn die Nutzung des Grundstücks geändert wird. Dies ist hier aber nicht der Fall:
Nach der in erster Linie in Betracht kommenden Bestimmung des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG liegt eine "schädliche" Nutzungsänderung dann vor, wenn ein Gebäude oder eine bauliche Anlage gewerblichen Zwecken dient und das Gebäude auf den dem gesetzlichen Nutzungsrecht der LPG unterliegenden Flächen errichtet und am 30.06.1990 land- und forstwirtschaftlich genutzt wurde. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die auf den Grundstücken der Klägerin zu 1) vorhandenen Gebäude, soweit sie im Gebäudeeigentum der Klägerin zu 2) stehen, zum maßgeblichen Wertermittlungsstichtag nicht gewerblich genutzt worden sind. Hierzu kann zum einen auf die tatsächlichen Feststellungen verwiesen werden, die der Senat bei der am 7. Mai 2007 im Verfahren 7 F 1319/05 durchgeführten Augenscheinseinnahme getroffen hat, zum anderen auf die Ausführungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2009 (S. 4), denen mangels greifbarer Anhaltspunkte für Gegenteiliges zu folgen ist. Der Senat teilt auch die Auffassung des Beklagten, dass die festgestellte Nutzung eines der Gebäude als Landmaschinenwerkstatt keine "schädliche" gewerbliche Nutzung darstellt, sondern als Teil der landwirtschaftlichen Nutzung anzusehen ist. Zu den in diesem Zusammenhang maßgeblichen Abgrenzungskriterien hat der Senat in seinem (im angefochtenen Bescheid in Bezug genommenen und ihm als Anlage 5 beigefügten) Urteil vom 18. Oktober 2006 – 7 F 465/04 – ausgeführt:

"Bei der Klärung der Frage, ob die ... Nutzung sich noch als Teil der am 30.06.1990 bereits ausgeübten landwirtschaftlichen Nutzung oder als Nutzung zu gewerblichen Zwecken im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG darstellt, bietet sich ein Rückgriff auf die Rechtsprechung zum im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB privilegiert zulässigen landwirtschaftlichen Betrieb in Fällen "gemischter" Tätigkeit an. Danach können dann, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb vorhanden ist, einzelne Betätigungen, die – bei isolierter Betrachtung – landwirtschaftsfremd sind, in gewissem Umfang von dessen Privilegierung "mitgezogen" werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.11.1984 – 4 C 27.81 -, DVBl. 1985, 395 = UPR 1985, 295 = NVwZ 1986, 203 = BRS 42 Nr. 81; aus der neueren Rechtsprechung vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 07.07.2005 – 26 ZB 04.2503 – juris).Voraussetzung ist, dass es sich bei der landwirtschaftsfremden Tätigkeit um eine gegenüber dem landwirtschaftlichen Betrieb "bodenrechtliche Nebensache" handelt, d.h. der landwirtschaftsfremde Betriebsteil darf seinem Umfang und seiner Bedeutung nach lediglich ein Anhängsel zur Landwirtschaft sein und muss in einem betrieblichen Zusammenhang mit der unmittelbaren Bodenertragsnutzung stehen (vgl. BayVGH, a. a. O.). Dient etwa eine betriebliche Erweiterung dem Ziel, den Absatz der mit der Bodenertragsnutzung erzeugten Güter pflanzlicher oder tierischer Art zu fördern oder diese Güter durch eine weitere Verarbeitung zu verbessern und damit ihre Marktfähigkeit zu steigern, wird dies häufig ein Indiz dafür sein, dass der landwirtschaftlichen Betriebsstruktur auch diese an sich landwirtschaftlichen Betriebsteile zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, a. a. O.). Entsprechendes muss auch gelten, wenn ein neuer landwirtschaftsfremder Betriebsteil in bestehenden Gebäuden des landwirtschaftlichen Betriebs untergebracht wird. Stellt sich eine landwirtschaftsfremde Nutzung danach noch als Teil des landwirtschaftlichen Betriebs dar, die von dessen Privilegierung "mitgezogen" wird, kann sie auch nicht als gewerbliche Nutzung im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG angesehen werden, die eine Preisbemessung nach dem ungeteilten Bodenwert rechtfertigt."

Nach diesen Kriterien stellt sich die teilweise "landwirtschaftsfremde" Nutzung des Werkstattgebäudes noch als Teil des landwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin zu 2) dar. In der Werkstatt arbeiten nach den Feststellungen des Beklagten drei bei der Klägerin zu 2) beschäftigte Personen als Schlosser, die den Fuhrpark sowie die stationären Anlagen der Hauptproduktionsstätte in Kaltensundheim und dreier Außenstellen betreuen. Daneben erbringen sie auch Dienstleistungen (z.B. Reifenwechsel, Ersatz von Hydraulikschläuchen) für Dritte, insbesondere andere Agrargenossenschaften oder ehemalige LPG-Mitglieder. Der auf diese Dienstleistungen für Dritte entfallende Umsatz macht nach den Feststellungen des Beklagten weniger als 3 % des Wertes der durch die Werkstatt erbrachten Leistungen insgesamt weniger als 0,3 % des gesamten Umsatzes der Klägerin zu 2) aus. Die Dienstleistungen für Dritte, die bei isolierter Betrachtung als gewerbliche Tätigkeiten eingeordnet werden könnten, stellen sich somit lediglich als "Anhängsel" zur landwirtschaftlichen Nutzung dar und stehen mit dieser auch in einem betrieblichen Zusammenhang. Sie führen zu einer besseren Auslastung der für den Betrieb der Klägerin zu 2) notwendigen spezialisierten Werkstatt und damit zu einer besseren Rentabilität des Betriebs insgesamt.

Darauf, ob zu irgendeinem früheren Zeitpunkt hier teilweise eine gewerbliche Nutzung stattgefunden hat, kommt es nicht an. Erst recht kommt es nicht darauf an, wie Grundstücke bzw. Teile der Grundstücke der Klägerin zu 1), auf denen sich die Gebäude befinden, durch das zuständige Finanzamt steuerlich behandelt worden sind.