Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.07.2002 - BVerwG 9 C 1.02 = NJ 2002, 665= RdL 2003, 297 (Lieferung 2006)

Aktenzeichen BVerwG 9 C 1.02 Entscheidung Urteil Datum 29.07.2002
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen NJ 2002, 665 = RdL 2003, 297  Lieferung 2006

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine Antragsbefugnis für ein Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG kann weder aus § 296 ZGB-DDR („Baulichkeiteneigentum“) noch aus einer entsprechenden Anwendung von § 5 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG (Nebengebäude eines Eigenheims) hergeleitet werden.
2. In das Verfahrensgebiet für ein Bodenordnungsverfahren können auch solche Grundstücke einbezogen werden, die zwar für sich die Voraussetzungen des § 64 LwAnpG nicht erfüllen, ohne die aber eine sinnvolle Lösung des zugrunde liegenden sachenrechtlichen Konflikts nicht zu erreichen wäre. Hierzu zählen auch Grundstücke mit Eigenheim-Nebengebäuden, die mit Billigung staatlicher Stellen errichtet worden sind.

Aus den Gründen

Die Reichweite des gesetzlichen Neuordnungsauftrages ergibt sich nicht allein aus § 64 Abs. 1 LwAnpG. Vielmehr ist den Vorschriften der § 53 Abs. 1, § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ein weitreichender Neuordnungsauftrag zu entnehmen, der es gestattet, auch solche Grundstücke in das Verfahrensgebiet einzubeziehen, die zwar für sich die Voraussetzungen des § 64 LwAnpG nicht erfüllen, ohne die aber eine sinnvolle Lösung des zugrunde liegenden sachenrechtlichen Konflikts nicht zu erreichen wäre (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997 - BVerwG 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 <= RzF - 1 - zu § 56 Abs. 1 LwAnpG>; Urteil vom 2. September 1998 - BVerwG 11 C 4.97 - BVerwGE 107, 177 <= RzF - 14 - zu § 64 LwAnpG>). Die danach vorzunehmende Festlegung des Verfahrensgebietes liegt gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG im Ermessen der Flurneuordnungsbehörde (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997, a.a.O., S. 138).

Die Ausübung dieses Ermessens hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren. Er ist darauf gerichtet, sachenrechtliche Konflikte, die auf die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR zurückzuführen sind (BVerwG, Urteil vom 2. September 1998, a.a.O., S. 182), durch Schaffung BGB-konformer Rechtsverhältnisse zu lösen, um sich durch die Aufspaltung von Gebäude- und Grundeigentum ergebende Investitionshindernisse für ländlichen Grundbesitz, zu dem auch die darauf errichteten Eigenheime gehören (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997, a.a.O., S. 134), unter Beachtung der Interessen der Beteiligten (vgl. § 53 Abs. 1 LwAnpG) zu beseitigen. Der Einleitungsbeschluss ist dabei erst dann rechtswidrig, wenn er erkennbar nicht auf eine Abwägung aller für einen größtmöglichen Erfolg der Bodenordnung und für den einzelnen Beteiligten bedeutsamen Gesichtspunkte zurückgeht oder wenn er gänzlich ungeeignet ist, eine sachgerechte Bodenordnung zu fördern (BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 1996 - BVerwG 11 B 69.96 ; Beschluss vom 8. November 1989 - BVerwG 5 B 124.89 - Buchholz 424.01 § 7 FlurbG Nr. 2 S. 1).

Auf dieser Grundlage hat es der Senat als zulässig angesehen, auch solche Grundstücke in das Verfahrensgebiet eines Bodenordnungsverfahrens einzubeziehen, die der Erschließung von Gebäuden bzw. Grundstücken dienen, hinsichtlich derer die Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 LwAnpG vorliegen (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997, a.a.O., S. 138 f.; Urteil vom 2. September 1998, a.a.O., S. 187). Damit sind aber die Fälle berücksichtigungsfähiger Grundstücke nicht abschließend bezeichnet. Maßgebend für die genannte Rechtsprechung ist vielmehr der allgemeinere Gesichtspunkt eines mit Blick auf den Zweck des Gesetzes beachtenswerten, räumlich funktionalen Zusammenhangs zwischen den gemäß § 64 LwAnpG unmittelbar betroffenen und weiteren Flächen.

Diese Kriterien sind auch in dem von § 5 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG geregelten Fall der Nebengebäude eines Eigenheimes erfüllt, die mit Billigung staatlicher Stellen errichtet worden sind. Zwar ergibt sich hieraus - wie dargelegt - kein Antragsrecht im Sinne von § 64 LwAnpG. Die Einbeziehung der entsprechenden Grundstücke in ein bereits das dazugehörige Eigenheim betreffende Bodenordnungsverfahren ist aber grundsätzlich gerechtfertigt. Das Nebengebäude stellt mit dem Eigenheim eine wirtschaftliche Einheit dar und bestimmt den Wert des Wohngrundstücks mit. Es wäre nicht verständlich, wenn ein mit öffentlichem Aufwand und Kosten durchgeführtes Bodenordnungsverfahren nicht zu einer umfassenden BGB-konformen Lösung der zwischen den Beteiligten bestehenden sachenrechtlichen Konflikte und zu einer raschen Wiederherstellung verkehrsfähiger Grundstücke gelangen könnte, sondern Teilregelungen einem gesonderten Verfahren nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz überlassen müsste. Erst recht müssen diese Überlegungen für den Fall gelten, dass an dem Nebengebäude Baulichkeiteneigentum nach § 296 ZGB erworben wurde.