Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 28.04.2004 - 9 K 17/03 = RdL 2004, 269= VIZ 2004, 502 (Lieferung 2005)

Aktenzeichen 9 K 17/03 Entscheidung Urteil Datum 28.04.2004
Gericht Flurbereinigungsgericht Greifswald Veröffentlichungen RdL 2004, 269 = VIZ 2004, 502  Lieferung 2005

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der Insolvenzverwalter einer Firma, die mit dem Gebäudeeigentümer und dem Grundstückseigentümer Kaufverträge geschlossen hat, ist nicht gehindert, gem. § 103 InsO die Erfüllung des Grundstückskaufvertrages zu verweigern und einen Antrag auf Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens gem. § 64 LwAnpG zu stellen.
2. Ansprüche aus dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz und dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz genießen im Insolvenzverfahren keinen Vorrang.

Aus den Gründen

Soweit sich die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 22.10.2001 richtet, ist sie unzulässig. Die Klage ist insoweit nicht innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO erhoben worden. Zwar hat die Klägerin in ihrer Klagebegründungsschrift vom 22.07.2003, die nach Ablauf der Klagefrist eingegangen ist, auch das Flurstück 188/89, hinsichtlich dessen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Widerspruchsfrist abgelehnt worden war, einbezogen. Jedoch ist der innerhalb der Klagefrist eingegangene Schriftsatz vom 07.05.2003 sowohl hinsichtlich seines Wortlautes als auch hinsichtlich der beigefügten Anlagen eindeutig: Er bezieht sich ausschließlich auf das Flurstück 188/82 und den dieses Flurstück betreffenden Zuziehungsbeschluss vom 15.04.2002. Der angekündigte Antrag benennt ausdrücklich nur das Flurstück 188/82, in dem er besagt, dass sich die Klage "gegen den Zuziehungsbeschluss betreffend das Grundstück 188/82" richtet. Demgemäß ist auch nur dieser Bescheid und nicht auch der Beschluss vom 22.10.2001 als "angefochtene Verfügung" i.S.v. § 82 Abs. 1 S. 2 VwGO beigefügt worden.

Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die Anordnung der Durchführung des Bodenordnungsverfahrens für das Flurstück 188/82 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 64 LwAnpG liegen, von den Beteiligten unbestritten, vor. Insbesondere der bestandskräftige Bescheid des Präsidenten der Oberfinanzdirektion legt auch für den Senat bindend fest, dass von dem Grundeigentum getrenntes Gebäudeeigentum entstanden ist.

Soweit die Klägerin in Frage stellt, dass die Durchführung des Bodenordnungsverfahrens mit § 3 LwAnpG vereinbar ist, trifft dies nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dient das Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG der Entflechtung der Rechtsbeziehungen auf Grundstücken im ländlichen Raum. Für die strukturelle Entwicklung der ländlichen Räume in der ehemaligen DDR ist es nämlich ein schwerwiegendes Investitionshindernis, wenn die Verkehrsfähigkeit von Flächen im großen Umfang auf die Aufspaltung zwischen Gebäude und Grundeigentum behindert wird. Hinzu kommt, dass in diesen Fällen jede Fremdfinanzierung auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, weil Geldinstitute das Gebäudeeigentum nicht ohne Weiteres als ausreichendes Mittel zur Kreditsicherung akzeptieren werden. Die von der Klägerin für zutreffend erachtete Auslegung des § 3 LwAnpG beruht letztlich auf der Prämisse, die Zielstellung des Gesetzes beschränke die Bodenordnung auf landwirtschaftliche Flächen. Dies trifft aus den zuvor genannten Gründen nicht zu. Vielmehr dient dieses Gesetz wie auch das Flurbereinigungsgesetz dem Ziel, im Interesse einer Strukturförderung ländlichen Grundbesitz neu zu ordnen. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der konkrete Grundbesitz landwirtschaftlich genutzt wird (BVerwG, Urt. v. 09.07.1997 - 11 C 2/97 - BVerwGE 105, 128 = VIZ 199, 94).

Der Durchführung des Bodenordnungsverfahrens steht schließlich nicht entgegen, dass es bei der Trennung von Grund- und Gebäudeeigentum geblieben ist, weil der Beigeladene als Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin die Erfüllung des Kaufvertrages mit der Klägerin abgelehnt hat. Allerdings hätte die Durchführung dieses sowie des Kaufvertrages vom 23.07.1999 dazu geführt, dass in der Hand der Gemeinschuldnerin Grundeigentum und Gebäudeeigentum zusammengeführt worden wäre.

Die Entscheidung des Beigeladenen, den Kaufvertrag nicht zu erfüllen, beruht auf § 103 Insolvenzordnung InsO -. Diese Vorschrift, die gemäß § 104 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung EGInsO auch für Rechtsverhältnisse und Rechte gilt, die vor dem 01.01.1999 begründet wurden, ermächtigt den Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners, den Vertrag zu erfüllen oder die Erfüllung vom anderen Teil zu verlangen, wenn ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt worden ist. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung aus Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Zwischen den Beteiligten ist unumstritten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. Die Ermessensentscheidung des Beigeladenen, die Erfüllung des Vertrags abzulehnen, begegnet keinen Bedenken. Der Verwalter trifft seine Wahl ausschließlich danach, was nach seiner Einschätzung für die Masse günstiger ist. Bringt die Erfüllung des Vertrags, also der Zufluss der wie hier teilweise noch ausstehenden - Gegenleistung mehr ein als die anderweitige Verwertung der zur Erfüllung benötigten Gegenstände, so wird er den Vertrag durchführen, anderenfalls aber dessen Erfüllung ablehnen. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt in dem Ziel des Insolvenzverwalters, die Masse zu vermehren, gerade die innere Rechtfertigung des Wahlrechts (Henkel, JZ 1986, 298; Huber in Gottwald: Insolvenzrechts-Handbuch 2. Aufl. § 35 Rn. 17). Die Rechtsstellung, die die Klägerin durch die Entscheidung des Beigeladenen erlangt, entspricht auch insoweit Sinn und Zweck des § 103 InsO, als die Regelung es als nicht vertretbar ansieht, dem Vertragspartner des Gemeinschuldners stets die Stellung eines Massegläubigers einzuräumen, da er dann eine bessere Position hätte als derjenige, der vorkonkursliche Leistungen in die Masse erbracht hat (vgl. Smid in derselbe: InsO, Kommentar 2. Auflage 103 Rn. 2).
Auch der Antrag, das Verfahren nach § 64 LwAnpG durchzuführen, ist nicht deswegen rechtsmissbräuchlich, weil es im vorliegenden Fall um das Problem der Sachenrechtsbereinigung geht. Das Verfahren nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz und damit auch nicht das Verfahren nach § 64 LwAnpG genießen keinen Vorrang vor den insolvenzrechtlichen Vorschriften. Die beiden Rechtsmaterien betreffen verschiedene Regelungsbereiche und stehen demzufolge nebeneinander. Zu trennen ist die Frage der Anspruchsberechtigung im Rahmen der Sachenrechtsbereinigung bzw. des Bodenordnungsverfahrens von der Durchsetzungsmöglichkeit danach bestehender Ansprüche im Einzelfall. Den in der Sachenrechtsbereinigung zugrunde liegenden Grundsätzen kommt nur für die Beurteilung der Frage Bedeutung zu, ob ein bestimmter Sachverhalt nach den Wertungen des Gesetzgebers der Sachenrechtsbereinigung bzw. Bodenordnung unterliegt. Weder dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz noch dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche bevorzugt vor den Ansprüchen anderer Anspruchssteiler im Insolvenzverfahren behandelt wissen wollte (vgl. OLG Rostock, Urt. v. 12.10.2000 - 7 U 125/99 - VIZ 2001, 276; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.04.2002 - IX ZR 161/01 - BGHZ 305 = VIZ 2002, 540).