Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 10.04.2003 - 8 D 59/01.G = RdL 2003 S. 274 (Lieferung 2005)

Aktenzeichen 8 D 59/01.G Entscheidung Urteil Datum 10.04.2003
Gericht Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) Veröffentlichungen RdL 2003 S. 274  Lieferung 2005

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. § 64 LwAnpG ist nicht auf alle denkbaren Fälle des Auseinanderfallens von Grund- und Gebäudeeigentum im ländlichen Raum anzuwenden, sondern nur auf solche Fälle, die auf die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR zurückzuführen sind.
2. Eine Konsumgenossenschaft ohne verliehenes Nutzungsrecht wurde nicht schon dadurch Inhaberin eines selbständigen Gebäudeeigentums, dass sie ein Gebäude auf Volkseigentum errichtete.

Aus den Gründen

Aus den Gründen:

Es spricht bereits einiges dafür, dass der zugrunde liegende Fall nicht von der Zielstellung des § 3 LwAnpG erfasst wird, in deren Licht § 64 LwAnpG auszulegen ist. Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz zielt auf die Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes im Interesse einer Strukturförderung des ländlichen Raumes. Die von § 64 LwAnpG ermöglichte Zusammenführung von Grund- und Sondereigentum ist deswegen weder auf landwirtschaftlich genutzte Flächen beschränkt noch ausschließlich auf eine Rückkehr zu landwirtschaftlicher Nutzung gerichtet (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997 - 11 C 2/97 -, BVerwGE 105, 128). Daraus folgt wegen des noch in die DDR-Zeit fallenden Entstehungszusammenhangs des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes allerdings nicht, dass § 64 LwAnpG auf alle denkbaren Fälle des Auseinanderfallens von Grund- und Sondereigentum im ländlichen Raum anzuwenden wäre. Dem Entstehungszusammenhang ist vielmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass das Bodenordnungsverfahren jedenfalls auf die Lösung solcher sachenrechtlicher Konflikte begrenzt wird, die auf die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR zurückzuführen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. September 1998 - 11 C 4/97 -, BVerwGE 107, 177 ff.). Die Errichtung der Konsum-Verkaufsstelle in M. lässt einen solchen Bezug nicht erkennen.

Jedenfalls fehlt es an den Voraussetzungen des § 64 LwAnpG, weil auf dem Grundstück der Beigeladenen kein selbständiges Gebäudeeigentum entstanden ist. Es besteht kein gesetzlicher Tatbestand, auf dessen Grundlage die Konsumgenossenschaft durch die Errichtung und Erweiterung der Verkaufsstelle auf dem damals volkseigenen Grundstück in M. Eigentum an dem Gebäude erworben haben könnte. Anders als für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, die bei der Errichtung von Gebäuden in Ausübung des insoweit bestehenden gesetzlichen Nutzungsrechts Gebäudeeigentum begründeten (vgl. § 18 Abs. 2 Buchst. d und § 27 des LPG-Gesetzes vom 2. Juli 1982, GBl. DDR I S. 443, § 10 Abs. 1 Buchst. d und § 13 des LPG-Gesetzes vom 3. Juni 1959, GBl. DDR I S. 577), kam für andere sozialistische Genossenschaften wie etwa die Konsumgenossenschaften (vgl. zur rechtlichen Stellung der Konsumgenossenschaften in der DDR BVerwG, Urteil vom 2. Mai 1996 - 7 C 10/95 -, BVerwGE 101, 143 ff.) die Begründung von Eigentum an auf volkseigenem Boden errichteten Gebäuden nur bei Verleihung eines entsprechenden Nutzungsrechts in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1994 - 7 B 148/94 -, ZIP 1995, 595 ff., betreffend eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 - V ZR 54/97 -, BGHZ 137, 369 ff. sowie OLG Thüringen, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 8 U 188/95 -, OLG-NL 1996, 56 f. und Urteil vom 22. August 1996 - 1 U 71/96 -, OLG-NL 1997, 83 f., jeweils betreffend Konsumgenossenschaften; s. auch allg. Rohde, Bodenrecht, 1989, S. 87 ff.). Grundlage für die Verleihung eines Nutzungsrechts und insoweit die Begründung von Gebäudeeigentum war das Nutzungsrechtsgesetz vom 14. Dezember 1970 (GBl. DDR I S. 372) bzw. das Nutzungsrechtsgesetz vom 3. April 1959 (GBl. DDR I S. 277). Die Verleihung eines solchen Nutzungsrechts an die Konsumgenossenschaft ist hier nicht ersichtlich. Weder liegt eine Nutzungsurkunde vor, noch enthalten die Grundbuchunterlagen einen entsprechenden Vermerk im Sinne des § 4 Abs. 4 des Nutzungsrechtsgesetzes vom 14. Dezember 1970 bzw. § 4 Abs. 2 des Nutzungsrechtsgesetzes vom 3. April 1959. Vielmehr hat die Konsumgenossenschaft in dem Antrag auf Zusammenführung selbst angegeben, dass ihr kein Nutzungsrecht verliehen worden sei ("Nutzer ohne Nutzungsurkunde"). Die Stellung der Konsumgenossenschaft als Rechtsträger für das volkseigene Grundstück begründete für sich genommen kein Eigentum an dem auf diesem Grundstück errichteten Gebäude (vgl. BVerwG, a.a.O.; OLG Thüringen, Urteil vom 22. August 1996, a.a.O.; von Oefele, Münchener Kommentar zum BGB, Art. 233 § 2 b EGBGB, Rdn. 4). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Konsumgenossenschaft zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes 1957/58 überhaupt schon in Nachfolge der Gemeinde Rechtsträger des volkseigenen Grundstücks war oder, wie die vom Beklagten ermittelten Angaben in den Grundbuchunterlagen nahe legen, erst 1959 geworden ist (vgl. zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines Rechtsträgerwechsels die seinerzeit maßgebliche DDR-Anordnung über das Verfahren bei Veränderungen in der Rechtsträgerschaft an volkseigenen Grundstücken vom 21. August 1956, GBl. DDR I S. 702, dort § 3).

Inwieweit wegen der Bebauung mit der Konsum-Verkaufsstelle durch die Regelungen des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes ein Recht zum Besitz an dem Grundstück nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a oder b EGBGB vermittelt wird, bedarf hier keiner Vertiefung (s. zur Anwendbarkeit des Besitzmoratoriums auf Konsumgenossenschaften BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997, a.a.O.). Das Recht zum Besitz nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB führte jedenfalls nur unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 233 § 2 b Abs. 1 und 2 EGBGB zu gesondertem Gebäudeeigentum (vgl. nur Urteile des erkennenden Senats vom 25. Januar 2001 - 8 D 6/99.G -, VIZ 2001, 388 und vom 8. November 2001 - 8 D 84/00.G -, RdL 2002, 158 ff. m. w. Nachw.). Die Konsumgenossenschaften zählen indes nicht zu den in Art. 233 § 2 b Abs. 1 und 2 EGBGB genannten privilegierten Nutzern, deren Besitzrecht durch die Begründung von Gebäudeeigentum abgesichert ist. Eine Erstreckung der Privilegierung auch auf Konsumgenossenschaften im Wege der Analogie kommt nicht in Betracht (vgl. OLG Thüringen, Urteil vom 24. Oktober 1995, a.a.O.; von Oefele, a.a.O.). Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift, die als solche einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich ist. Der Gesetzgeber hat zudem bewusst nur die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften und die gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften im Interesse der Rechtssicherheit bzw. - bezüglich der Wohnungsgenossenschaften - im Interesse ihrer Kreditfähigkeit in die Regelung des Art. 233 § 2 b Abs. 1 EGBGB einbezogen und im Übrigen die Regelungen des Besitzmoratoriums nach Art. 233 § 2 a EGBGB für ausreichend erachtet. Eine Einbeziehung auch der Konsumgenossenschaften ist im Gesetzgebungsverfahren erwogen, aber letztlich ausdrücklich abgelehnt worden (vgl. BT-Drucks. 12/2944 S. 63). Auch deshalb verbietet sich eine Erstreckung der Regelung des Art. 233 § 2 b Abs. 1 EGBGB auf diese Genossenschaften.

Weiterhin kommt auch eine Begründung von Gebäudesondereigentum nach § 459 Abs. 1 ZGB, das nach Art. 233 § 8 Satz 1 EGBGB fortbestehen könnte, von vornherein nicht in Betracht, weil § 459 ZGB nur vertraglich genutzte Grundstücke betraf, nicht aber (ohnehin) volkseigene Grundstücke.

Fehlt es mithin an der Entstehung von gesondertem Gebäudeeigentum, so kann ein Zusammenführungsverfahren nach § 64 LwAnpG nicht durchgeführt werden. Für eine erweiternde Anwendung der Vorschrift zur Einbeziehung sonstiger, (nur) vom Sachenrechtsbereinigungsgesetz erfasster Konstellationen (hier: nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, § 4 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG) ist kein Raum. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist geklärt, dass § 64 LwAnpG die Anordnungsbefugnis für das Bodenordnungsverfahren abschließend regelt. Die insoweit übereinstimmende Zielsetzung von Landwirtschaftsanpassungsgesetz und Sachenrechtsbereinigungsgesetz, dem Sachenrecht des BGB entsprechende Eigentumsverhältnisse herzustellen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 11 C 5/97 -, BVerwGE 108, 202, 215), rechtfertigt es angesichts der vielfältigen Verfahrens- und Wertungsunterschiede zwischen Bodenordnung und Sachenrechtsbereinigung nicht, das in § 64 LwAnpG klar begrenzte Antragsrecht durch Einbeziehung weiterer Konstellationen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes auszuweiten (vgl. - zu dem sog. Baulichkeiteneigentum nach § 5 Abs. 2 SachenRBerG - BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2002 - 9 C 1/02 -, RdL 2002, 297, 298; Urteil des erkennenden Senats vom 8. November 2001 - 8 D 84/00.G -, RdL 2002, 158 ff.). Das muss vor allem deshalb gelten, weil der Gesetzgeber im Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994 (BGBl I S. 2457) in Art. 1 das Sachenrechtsbereinigungsgesetz eingeführt und zugleich in Art. 9 Regelungen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes, nicht jedoch die Vorschrift des § 64 geändert hat (so BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2002, a.a.O.).