Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 05.04.2001 - 8 K 4/00
Aktenzeichen | 8 K 4/00 | Entscheidung | Urteil | Datum | 05.04.2001 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Magdeburg | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Selbständigkeit des Gebäudeeigentums gegenüber dem Grundstückeigentümer wird, wie sich aus Art. 231 § 5 Abs. 1 EGBGB ergibt, auf der Grundlage der seinerzeit in der DDR geltenden Rechtsvorschriften bestimmt. |
2. | Die Voraussetzungen für eine Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum nach § 64 LwAnpG sind nicht gegeben, wenn es sich um eine Baulichkeit (hier: Wochenendhaus) handelt, die gem. § 296 Abs. 1 S. 2 ZGB wie eine bewegliche Sache behandelt wird. Diese fällt nicht unter den Begriff des Gebäudes im Sinne des § 64 Satz 1 LwAnpG. |
Aus den Gründen
Die Klage hat, soweit sie nicht im Vergleich vom 05.04.2001 vom Kläger zurückgenommen würde, Erfolg.
Nach § 64 LwAnpG ist auf Antrag des Eigentümers der Fläche oder des Gebäudes und der Anlagen an den Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechtes Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die in selbständigem Eigentum der LPG oder Dritter stehen, nach den Vorschriften des 8. Abschnittes des LwAnpG neu zu ordnen.
Die Voraussetzungen für eine Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum sind hinsichtlich des auf dem klägerischen Flurstück 100/28, Flur 2, Gemarkung W. durch die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 4. errichteten Gebäudes nicht gegeben.
Die Selbständigkeit des Gebäudeeigentums gegenüber dem Grundstückseigentümer wird, wie sich aus Art. 231 § 5 Abs. 1 EGBGB ergibt, auf der Grundlage der seinerzeit in der DDR geltenden Rechtsvorschriften bestimmt (OVG LSA Urt. v. 10.09.1997 - C 8 S 1/97 - JMBl. LSA 1998, 342, 345).
Nach § 291 ZGB-DDR konnten landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, soweit Rechtsvorschriften dies vorsahen, Bürgern genossenschaftlich genutzten Boden zum Bau von Eigenheimen oder anderen persönlichen Bedürfnissen dienenden Gebäuden zuweisen. Die auf der zugewiesenen Bodenfläche errichteten Gebäude, Anlagen und Anpflanzungen wurden unabhängig vom Eigentum an der Bodenfläche persönliches Eigentum des Nutzungsberechtigten (§ 292 Abs. 3 ZGB-DDR).
Die hier nach Maßgabe der Verordnung über die Bereitstellung von genossenschaftlich genutzten Bodenflächen zur Errichtung von Eigenheimen auf dem Lande vom 09.09.1976 (GBl-DDR I, 426) erfolgte Zuweisung genossenschaftlich genutzten Bodens an die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 4. auf dem Flurstück 100/28 war zwar grundsätzlich statthaft; sie setzte jedoch voraus, dass die zugewiesene Bodenfläche bestimmungsgemäß genutzt wurde (vgl. § 292 Abs. 1 ZGB-DDR), d.h. der Errichtung und persönlichen Nutzung von Eigenheimen diente (vgl. BGH, Urt. v. 08.10.1993 - V ZR 156/92 - (19/94) -, AgrarR 1994, 122).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor; denn bei der auf dem klägerischen Grundstück errichteten Baulichkeit handelt es sich nicht um ein Eigenheim im Sinne des DDR-Rechts.
§ 1 der Verordnung über die Förderung des Baues von Eigenheimen vom 24.11.1971 (GBl-DDR II, 709) versteht unter Eigenheimen solche Baulichkeiten, "die von den Bürgern ständig zu Wohnzwecken genutzt werden und in deren persönliches Eigentum übergehen." § 1 Abs. 1 der späteren Durchführungsbestimmung zur VO über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen vom 18.08.1987 (GBl-DDR I, 215 f.) definiert seinerseits Eigenheime als "Wohngebäude, die als persönliches Eigentum für den Wohnbedarf einer Familie bestimmt sind."
Unter Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmungen handelt es sich bei dem von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen zu 4. errichteten Gebäude nicht um ein Eigenheim, sondern lediglich um ein Wochenendhaus. Denn dieses war weder zu Wohnzwecken bestimmt noch entsprechend geeignet und es wurde auch nur zeitweise zu Wohnzwecken genutzt, d.h. es diente nicht als Lebensmittelpunkt.
Zwar lässt sich der bei den Akten befindlichen Zeichnung über die räumliche Aufteilung des Gebäudes entnehmen, dass Wohn-, Schlaf-, Kinder- und Gästezimmer sowie Küche und Bad vorhanden sind und insoweit das Führen eines Mehr-Personen-Haushaltes ermöglichen. Jedoch waren bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990, dem hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (vgl. § 5 Abs. 3 SachenRBerG), noch nicht die - auch in der DDR geltenden - Mindestanforderungen an Heizung, Versorgung und Erschließung wie z.B. Strom-, Wasser- und Abwasserversorgung gewahrt (vgl. §§ 3, 4 der VOen über Bevölkerungsbauwerke vom 22.03.1972 und 08.11.1984). So sind Wasseranschluss und Elektroleitung nach Aussage von Frau K. erst 1991 geschaffen worden. Die früheren baulichen Maßnahmen dienten dagegen laut "Erläuterungsbericht und Baubeschreibung zur Bungalowerweiterung ..." eher der Isolierung des Hauses.
Gegen die Eignung des Gebäudes als Wohnhaus spricht ferner die fehlende Zustimmung zur Errichtung eines Eigenheims oder Veränderung des Bauwerks zu einem Eigenheim nach § 3 der Verordnung über die Verantwortung der Räte der Gemeinden, Stadtbezirke, Städte und Kreise bei der Errichtung und Veränderung von Bauwerken der Bevölkerung vom 22.03.1972 (GBl-DDR II, 293). Denn bei den vorgelegten, mit einem Stempelaufdruck der Staatlichen Bauaufsicht versehenen Bauantragsunterlagen handelt es sich ersichtlich nicht um eine Zustimmung i.S.v. § 5 Abs. 2 der vorgenannten Verordnung (vgl. Anlage zu § 5 Abs. 2 der VO). Lediglich bei Baumaßnahmen geringen Umfanges konnte die Baugenehmigung - aber auch nur diese - mit Stempelaufdruck auf den Bauunterlagen ausgesprochen werden (§ 5 Abs. 1 S. 2 der 1. DB/BauaufsVO vom 01.10.1987).
Auch die für ein Eigenheim relativ niedrigen Gesamtbaukosten von 9.000,00 Mark-DDR bzw. 2.500,00 Mark-DDR für den Anbau, sind ein deutliches Indiz für die Errichtung eines nicht zum dauernden Wohnen geeigneten Hauses. So sah die Aufwandsnormative gemäß § 5 der Verordnung über die Förderung des Baus von Eigenheimen vom 24.11.1971 für die Errichtung eines Eigenheims bei einem Haushalt von bis zu 4 Personen einen maximalen Aufwand in Höhe von 65.000,00 Mark-DDR vor.
Diese Feststellungen finden im Übrigen ihre Bestätigung durch die von dem Beklagten im März 2001 vom streitbefangenen Objekt angefertigten Fotografien. Danach ist die Baulichkeit nach ihrem äußeren Erscheinungsbild ein Wochenendhaus und kein Eigenheim.
Die Qualifizierung als Eigenheim scheitert schließlich an der fehlenden tatsächlichen Nutzung zu Wohnzwecken.
Bereits § 1 der Verordnung über die Förderung des Baues von Eigenheimen vom 24.11.1971 verknüpfte den Eigenheimbegriff mit der ständigen Wohnnutzung, d.h., das Gebäude musste als Lebensmittelpunkt dienen. Ein Lebensmittelpunkt liegt nicht vor, wenn ein Gebäude nur zu einem bestimmten Zweck - etwa zu Erholungszwecken - oder nur vorübergehend - also bevorzugt während bestimmter Monate des Jahres - bewohnt wird (vgl. LG Potsdam, Urt. v. 05.02.1997 - 8 O 169/95 - VIZ 1997, 431).
So liegt der Fall hier. Für eine nur zeitweise Nutzung sprechen bereits die eigenen Ausführungen von Herrn K. in seinem Schreiben an den Rat der Gemeinde W. vom 14.04.1977, in welchem er den Anbau mit der Betreuung seiner Mutter begründet, die er "ständig mit zum Wochenende und im Sommer mit nach W." in sein "Wochenendgrundstück" nehmen müsse. Bestärkt wird der Umstand einer nur zeitweisen Nutzung seitens der Familie K. durch die insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen I. und S. sowie durch Frau K. in der Vernehmung vor dem Amtsgericht B. am 18.08.2000. Dort bekunden Herr I. als unmittelbarer Nachbar und Herr S. als Nutzer des darauffolgenden Grundstücks, dass die Familie K. im Wesentlichen nur am Wochenende und in den Schulferien das Grundstück genutzt habe. Diese Nutzung habe Ende der 80er Jahre sogar noch abgenommen. Frau K. erhärtet diese Aussagen, indem sie angibt, ihr fester Wohnsitz sei durchgängig M. gewesen.
Soweit der Beklagte vorträgt, seine Beweiserhebung habe ergeben, dass Herr K. das Gebäude zumindest jährlich jeweils für ein Dreivierteljahr zu Wohnzwecken genutzt habe, stützt er sich offenkundig nur auf die Anhörung von Herrn K. jun. am 02.04.1997. Diese Aussage ist sowohl durch die Einlassungen der Zeugen I. und S. widerlegt, als auch durch die Tatsache, dass das tägliche Leben der Familie K. geprägt durch ihre Berufstätigkeit und durch Schulbesuch bzw. Ausbildung der Kinder in M. stattfand. Ein starkes Indiz für die Wahl des Lebensmittelpunktes ist ferner die Bestätigung des Einwohnermeldeamtes der Verwaltungsgemeinschaft B. vom 24.09.1996, dass das Ehepaar K. bis zum 02.10.1990 nicht in W. gemeldet gewesen ist.
Nachdem weder der Hauptwohnsitz in M. aufgegeben worden ist, noch ein Umzug nach W. mit der Folge dauernder Wohnnutzung des Gebäudes auf dem klägerischen Grundstück vorliegt, haben die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 4. kein Eigenheim im Sinne der DDR-Vorschriften, sondern lediglich ein Wochenendhaus errichtet. Da dieses als Baulichkeit gemäß § 296 Abs. 1 Satz 2 ZGB wie eine bewegliche Sache behandelt wird, fällt es nicht unter den Begriff des Gebäudes im Sinne des § 64 Satz 1 LwAnpG und nimmt damit nicht am Bodenordnungsverfahren gemäß § 53, § 56, § 64 LwAnpG teil (vgl. BGH, Urt. v. 08.10.1993, a.a.O.).
Der Hinweis des Beklagten auf das Entstehen von Gebäudeeigentum im Zusammenhang mit dessen Eintragung im Grundbuch von W. Bl. G 452 führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
Nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats unterfällt das errichtete Wochenendhaus gem. § 296 Abs. 1 Satz 2 ZGB den Bestimmungen über das Eigentum an beweglichen Sachen mit der Folge, dass (mangels Eintragungsfähigkeit) die Vorschriften über die Eintragung ins Grundbuch nicht anzuwenden sind (vgl. Komm. zum ZGB 1983, Rdnr. 1.3 zu § 296). Eigentum an Wochenendhäusern entstand vielmehr aufgrund Gesetzes nach § 5 EZGB i.V. § 296 Abs. 1 Satz 1 ZGB.