Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 19.03.1996 - 8 K 5/94 = RdL 1997 S. 101 ff.

Aktenzeichen 8 K 5/94 Entscheidung Urteil Datum 19.03.1996
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen RdL 1997 S. 101 ff.  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Haben Dritte nach dem Ergebnis der Prüfung der Flurneuordnungsbehörde auf der Grundlage eines ihnen von der LPG rechtswirksam übertragenen Nutzungsrechts an Grundstücken (§ 291 ZGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BereitstellungsVO) vor der Wende ein Gebäude errichtet und daran i.S. des § 64 Satz 1 LwAnpG persönliches Eigentum (Gebäudeeigentum nach § 292 Abs. 3 ZGB) erworben, sind sie zur Beantragung eines Bodenordnungsverfahrens berechtigt.

Aus den Gründen

Die als Anfechtungsklage zulässige Klage (§ 60 LwAnpG in Verbindung mit § 138 Abs. 1 FlurbG und § 42 Abs. 1 VwGO) ist nicht begründet.

Formelle Bedenken gegen die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens D. durch Beschluß des beklagten Amtes vom 14. Januar 1992 sind von den Beteiligten nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Beschluß ordnungsgemäß nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 103 c Abs. 2, § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG a.F. bekannt gemacht worden. Zwar enthält das Landwirtschaftsanpassungsgesetz hinsichtlich der Bekanntgabe des Beschlusses über die Durchführung des Bodenordnungsverfahrens keine Verweisungen auf entsprechende Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes. Die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens setzt aber zunächst den erfolglosen Versuch eines freiwilligen Landtauschverfahrens voraus (§ 56 Abs. 1 LwAnpG). Bodenordnungsverfahren der vorliegenden Art sind daher regelmäßig auf ein Verfahrensgebiet kleineren Umfanges beschränkt, in dem sich die Durchführung eines freiwilligen Landtauschverfahrens anbietet. In formeller Hinsicht sind mithin die Vorschriften entsprechend anzuwenden, die für die Anordnung eines freiwilligen Landtauschverfahrens gelten. Nach § 103 c Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG a.F. bzw. ebenso § 86 Abs. 2 Nr. 1 FlurbG n.F. kann der entscheidende Teil des Beschlusses den Beteiligten in Abschrift übersandt oder öffentlich bekannt gemacht werden. Das beklagte Amt hat die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung gewählt und den Anordnungsbeschluß nach den für gemeindliche Verfügungen geltenden Rechtsvorschriften von der Gemeinde D. öffentlich bekanntmachen lassen. Obwohl mithin die Bekanntgabe des Beschlusses über die Durchführung des Bodenordnungsverfahrens durch öffentliche Bekanntmachung rechtlich nicht zu beanstanden ist, sieht sich der Senat gleichwohl veranlaßt, das beklagte Amt darauf hinzuweisen, daß bei einem kleinen Kreis von Teilnehmern die rechtlich ebenfalls zulässige Bekanntgabe durch Übersendung einer Abschrift des Beschlusses ihrem Informationsbedürfnis zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eher Rechnung trägt.

Der Beschluß des beklagten Amtes vom 14. Januar 1992 i.d.F. des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums vom 4. Januar 1994 ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Der angefochtene Beschluß ist materiell rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Nach § 64 LwAnpG ist auf Antrag des Eigentümers der Fläche oder des Gebäudes und der Anlage das Eigentum an den Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechtes Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die in selbständigem Eigentum der LPG oder Dritten stehen, nach den Vorschriften des 8. Abschnittes des LwAnpG neu zu ordnen. Die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse erfolgt durch einen freiwilligen Landtausch oder durch einen von der zuständigen Behörde (Flurneuordnungsbehörde) angeordnetes Verfahren (§ 53 Abs. 3 LwAnpG). Die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens setzt weiter voraus, daß ein freiwilliger Landtausch nach den Vorschriften des 8. Abschnittes des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und der § 103 a - § 103 i FlurbG nicht zustande kommt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben als Eigentümer der im Gebäudegrundbuch von D. Blatt 104 und 102 auf den Flurstücken 184/120, 182/122, 185/120 Flur 2 Gemarkung D. errichteten Wohngebäude die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens mit dem Ziel der Zusammenführung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum beantragt. Entgegen der Auffassung der Kläger, die u.a. Eigentümer der im Grundbuch von D. verzeichneten Flurstücke 184/120, 185/120, 190/120, 200/120 und 201/120 sind, so daß das Gebäude- und Grundstückseigentum nach der sich aus den Grundbüchern ergebenden Rechtslage auseinanderfallen, waren die Beigeladenen zu 1) und 2) zur Beantragung eines Bodenordnungsverfahrens nach § 64 LwAnpG berechtigt.

Nach § 57 LwAnpG hat die Flurbereinigungsbehörde die Beteiligten auf der Grundlage der Eintragungen im Grundbuch zu ermitteln. Maßgebend sind mithin ebenso wie nach § 12 FlurbG, der nach § 63 Abs. 2 LwAnpG für die "Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse" sinngemäß anzuwenden ist, für die Ermittlung der Beteiligten die Eintragungen im Grundbuch. Für die Antragsberechtigung zur Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens kann nichts anderes gelten. Davon ist nur abzugehen, wenn bereits rechtskräftig festgestellt oder durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen worden ist, daß der LPG oder dem Dritten ein durch Rechtsvorschriften geregeltes Nutzungsrecht nicht zusteht. Ist, wie hier, die Übertragung des Nutzungsrechtes auf die Beigeladenen und damit auch das Eigentum am Gebäude streitig, hat die Flurneuordnungsbehörde im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten der Frage nachzugehen, ob die LPG oder der Dritte ein Nutzungsrecht als Grundlage für den Erwerb des Eigentums am Gebäude besitzt und zur Beantragung des Bodenordnungsverfahrens nach § 64 LwAnpG berechtigt ist. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 64 LwAnpG. "... Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechts Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die im Eigentum der LPG oder Dritter stehen ...". Sollte der Flurneuordnungsbehörde in einem späteren Verfahrensstadium eine das Nutzungsrecht oder das Eigentum anders feststellende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt werden, so hätte sie diesem Umstand durch eine entsprechende Berichtigung des Teilnehmer- bzw. Beteiligtenverzeichnisses und Bodenordnungsplanes auch noch nach Erlaß der den Eigentumsübergang regelnden Ausführungsanordnung nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 64 FlurbG Rechnung zu tragen.

Entgegen der Auffassung der Kläger haben die Beigeladenen zu 1) und 2) an den von ihnen errichteten Wohngebäuden materiell-rechtlich wirksames Gebäudeeigentum nach den damaligen Rechtsvorschriften der DDR erworben, so daß sie zur Beantragung eines Bodenordnungsverfahrens nach § 64 LwAnpG berechtigt waren.

Nach § 291 des Zivilgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975 (GBl. I Nr. 27 S. 465) - ZGB -, das nach § 1 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975 (GBl. I Nr. 27 S. 517) - EGZGB - am 1. Januar 1976 in Kraft getreten ist, konnten unter anderem die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, soweit Rechtsvorschriften dieses vorsahen, den Bürgern genossenschaftlich genutzten Boden zum Bau von Eigenheimen zuweisen. Die Bereitstellung von Bodenflächen und Übertragung der Nutzungsrechte an den Bodenflächen zum Bau von Eigenheimen regelte im einzelnen die Verordnung über die Bereitstellung von genossenschaftlich genutzten Bodenflächen zur Errichtung von Eigenheimen auf dem Lande vom 9. September 1976 (GBl. I Nr. 35 S. 426) - BereitstellungsVO -. Das ist hier im Falle der Beigeladenen zu 1) und 2) durch Urkunden vom 3. April 1984 geschehen. Eine Zustimmung des Grundstückseigentümers zum Bau des Eigenheims ist in der Bereitstellungsverordnung nicht vorgesehen und ihr Hinweis auf die Eigenheimbauverordnung ohne Angabe der Fundstelle und entsprechenden Vorschrift ist unsubstantiiert und für den Senat nicht nachvollziehbar. Gemäß § 292 Abs. 2 ZGB ist das Nutzungsrecht an den zugewiesenen Bodenflächen, wie sich auch aus den Urkunden ergibt, unbefristet und erwerben die Nutzungsberechtigten an dem auf der zugewiesenen Bodenfläche errichteten Gebäude, den Anlagen und Anpflanzungen, unabhängig vom Eigentum an der Bodenfläche, nach § 292 Abs. 3 ZGB persönliches Eigentum (Gebäudeeigentum). Dafür ist entgegen der Auffassung der Kläger unerheblich, daß in den Nutzungsurkunden den Beigeladenen zu 1) und 2) nicht ein bestimmtes Flurstück zugewiesen wurde bzw. die Beigeladenen zu 1) ihr Gebäude auf den Flurstücken 184/120 und 182/120 errichtet haben. Für die Zuweisung des Nutzungsrechts nach § 291 ZGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BereitstellungsVO reichte, wie sich aus der Anlage 1 zur Bereitstellungsverordnung ergibt, die "ortsübliche Bezeichnung der Lage" aus. Das ist im Falle der Beigeladenen 1) und 2) mit der Bezeichnung "D. Damaschkeweg" geschehen.

Entgegen der Auffassung der Kläger hatte die LPG (P) D. nach den damaligen Rechtsvorschriften an den streitigen Flächen auch ein wirksames Nutzungsrecht, das sie durch die vorgenannten Urkunden auf die Beigeladenen nach § 291 ZGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BereitstellungsVO übertragen hat.

Der in dem notariellen Testament vom 31. Mai 1970 vom Erblasser E. B. bestimmte Testamentsvollstrecker E. hat das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen und die landwirtschaftlichen Nutzflächen der Kläger von insgesamt 27,2892 ha, darunter das streitige 0,6920 ha große Flurstück 120 Flur 2 Gemarkung D. im Rahmen seiner Befugnisse als Testamentsvollstrecker wirksam an die Produktionsleitung des Rates des Kreises T. zur Nutzung durch die LPG D. mit Vertrag vom 20. Juni 1976 übergeben. Nach der zum damaligen Zeitpunkt in der DDR noch geltenden Regelung in § 2205 BGB hatte der Testamentsvollstrecker den Nachlaß zu verwalten. Er hatte insbesondere den Nachlaß in Besitz zu nehmen und über Nachlaßgegenstände zu verfügen. Anhaltspunkte dafür, daß er zur Übergabe bzw. Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen an den Rat des Kreises T. zur Nutzung durch die LPG D. nicht berechtigt sein sollte, lassen sich dem Testament nicht entnehmen, so daß er auch insoweit nicht in seinen Rechten beschränkt war (§ 2208 BGB). Abgesehen davon, daß die Kläger nicht vorgetragen haben und auch sonst nicht erkennbar ist, daß sie den von ihnen ererbten landwirtschaftlichen Grundbesitz selbst bewirtschaften wollten und konnten sowie nach den damaligen rechtlichen Bestimmungen in der DDR dazu auch rechtlich in der Lage waren und gegen ein solches Vorhaben bereits die vom Erblasser E. B. am 16. März 1957 abgegebene Verzichtserklärung und Übergabe eines Teils seiner landwirtschaftlichen Nutzflächen an verschiedene Pächter durch den Rat der Gemeinde D. durch die Nutzungsverträge vom 22. März 1957 spricht, schränkte der Testamentsvollstrecker, entgegen der Auffassung der Kläger, durch den abgeschlossenen Nutzungsvertrag ihr Eigentum nicht ein und entsprach der Vertrag den damaligen Regelungen in der DDR, wie sie im einzelnen in der 2. Durchführungsverordnung zur Verordnung über die Bewirtschaftung freier Betriebe und Flächen und die Schaffung von Betrieben der örtlichen Landwirtschaft vom 5. Februar 1954 (GBl. I Nr. 23 S. 225) und der Verordnung über die einheitliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen durch die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 20. Januar 1955 (GBl. I Nr. 10 S. 97), worauf in dem Nutzungsvertrag hingewiesen wird, enthalten waren. § 371 Abs. 1 ZGB, der seit dem 1. Januar 1976 die Befugnisse des Testamentsvollstreckers in der DDR im einzelnen regelte, läßt einen Ausschluß der Verpachtung landwirtschaftlicher Nutzflächen durch den Testamentsvollstrecker in der von ihm vorgenommenen Weise ebenfalls nicht erkennen. Im übrigen ist der Prozeßbevollmächtigte der Kläger dem Senat in der mündlichen Verhandlung eine plausible Antwort auf die Frage, was der Testamentsvollstrecker sonst unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse in der DDR im Rahmen seiner Befugnisse mit den streitigen Flächen hätte machen sollen und können, schuldig geblieben. Der mit zwei ehrenamtlichen, die damaligen Verhältnisse in der DDR kennenden Richtern besetzte Senat, hat bei der von ihm von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung ebenfalls keine andere Möglichkeit gesehen.

Mit dem Abschluß des Pachtvertrages vom 20. Juni 1974 hat die LPG D. an den streitigen Flächen ein umfassendes Nutzungsrecht erworben. Nach § 8 LPG-Gesetz 1959 bzw. § 18 LPG-Gesetz 1982 erwirbt die LPG an dem Boden, der vom Staat der Genossenschaft übergeben wird, ein volles Nutzungsrecht. Das ist hier auch durch den vorgenannten Vertrag, in dem ausdrücklich auf die Verordnung vom 20. Januar 1955 und die Bestimmungen über die Bewirtschaftung freier Betriebe und Flächen hingewiesen worden ist, geschehen.

Schließlich ist auch, entgegen der Auffassung der Kläger, das Nutzungsrecht an den streitigen Flächen von der LPG D. auf die LPG (P) D. übergegangen. Zwar ist zutreffend, worauf der Prozeßbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, daß die KAP D. keine juristische Person war und insofern keine Rechtsnachfolge zwischen ihr und der LPG D. eintreten konnte. Die in der KAP D. kooperierende LPG'en, zu denen auch die LPG D. gehörte, gründeten jedoch mit Wirkung vom 1. Januar 1977 die LPG (P) D., die am 22. Februar 1977 in das Register der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften des Kreises T. eingetragen wurde, so daß damit auch die Nutzungsrechte an den streitigen Flächen von der LPG D. auf die LPG (P) D. übergegangen und von dieser wirksam auf die Beigeladenen 1) und 2) nach § 291 ZGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BereitstellungsVO übertragen worden sind. Anhaltspunkte dafür, daß nach dem Zusammenschluß die Nutzung der streitigen Flächen durch die LPG (P) D. ausgeschlossen sein sollte, haben die Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Beigeladenen haben mithin zu Recht als Gebäudeeigentümer die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens nach § 64 LwAnpG beantragt.

Daneben sind auch die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung eines Bodenordnungsverfahrens nach § 56 Abs. 1 LwAnpG erfüllt. Die Verhandlungen des beklagten Amtes unter Beteiligung der Kläger haben ergeben, wie auch ihre unterschiedlichen Rechtspositionen im gerichtlichen Verfahren erkennen lassen, daß eine Einigung über die Durchführung eines freiwilligen Landtauschverfahrens mit dem Ziel der Wiederherstellung der Einheit von selbständigem Eigentum an Gebäuden und dem Eigentum an Grund und Boden unter den Beteiligten nicht zu erreichen war.

Anmerkung

Siehe Parallelfall Flurbereinigungsgericht Magdeburg Urteil vom 19.03.1996 - 8 K 3/94 = RzF - 1 - zu § 63 Abs. 2 LwAnpG.