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von Anonymer Benutzer

RzF - 16 - zu § 64 LwAnpG

Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 17.06.1998 - 9 K 23/96

Aktenzeichen 9 K 23/96 Entscheidung Urteil Datum 17.06.1998
Gericht Flurbereinigungsgericht Greifswald Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine Errichtung im Sinne des § 64 LwAnpG liegt nur dann vor, wenn ein vollständiger Neubau eines bislang nicht vorhandenen Gebäudes erfolgt ist.
2. Eine Werterhaltungsmaßnahme zugunsten eines bereits vorhandenen Gebäudes kann denknotwendig nur in der Weise erfolgen, daß dieses vorhandene Gebäude Gegenstand einer baulichen Maßnahme ist; hingegen können Gebäude nicht dadurch einer Werterhaltungsmaßnahme zugeführt werden, daß ein völlig neues und wesentlich anders dimensioniertes Gebäude an anderer Stelle auf dem Flurstück errichtet wird.
3. § 64 LwAnpG will alle Fälle erfassen, in denen ein den damals geltenden Vorschriften entsprechendes Nutzungsrecht begründet wurde. Damit soll ausgegrenzt werden ein bloß tatsächliches, nach sozialistischem Rechtsverständnis gleichwohl bestehendes Nutzungsrecht.

Aus den Gründen

§ 64 LwAnpG ermächtigt die zuständige Behörde zur Neuordnung des Eigentums an den Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechts Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die im selbständigen Eigentum der LPG oder Dritten stehen. Das Verfahren der Neuordnung richtet sich nach den Vorschriften des 8. Abschnittes des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes, der ergänzend auf die Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes verweist.

Die 1988 auf dem Flurstück 9 der Flur 1 der Gemarkung Dorf D. entstandene Bergehalle ist im Sinne des § 64 Satz 1 LwAnpG errichtet worden. Schon nach dem Wortsinn dieses Tatbestandsmerkmales liegt eine Errichtung dann vor, wenn ein vollständiger Neubau eines bislang nicht vorhandenen Gebäudes erfolgt. Daß die 1988 entstandene Bergehalle ein vollständiger Neubau eines an dieser Stelle noch nicht vorhandenen Gebäudes ist, das sich im übrigen jedenfalls in seinen Ausmaßen ganz wesentlich von allen anderen bislang auf dem Flurstück vorhandenen Gebäuden unterscheidet, ist nach den in den Verwaltungsvorgängen vorfindlichen Unterlagen und dem insoweit unstreitigen Vortrag der Beteiligten nicht zweifelhaft. Soweit die Klägerin den Bau der Bergehalle als eine bloße Werterhaltungsmaßnahme ansieht, ist dieser Überlegung nicht zu folgen. Eine Werterhaltungsmaßnahme zu Gunsten eines bereits vorhandenen Gebäudes kann denknotwendig nur in der Weise erfolgen, daß dieses vorhandene Gebäude Gegenstand einer baulichen Maßnahme ist. Hingegen können Gebäude nicht dadurch einer Werterhaltungsmaßnahme zugeführt werden, daß ein völlig neues und wesentlich anders dimensioniertes Gebäude an anderer Stelle auf dem Flurstück errichtet wird. Dieses Ergebnis bereits der grammatikalischen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Errichtung des § 64 Satz 1 LwAnpG ergibt sich auch aus dem aufgrund der Parallelität des geregelten Interessenkonflikts heranziehbaren § 12 SachenRBerG, der die Errichtung von Gebäuden trennt von baulichen Maßnahmen an bestehenden Gebäuden (vgl. BVerwG, Beschluß vom 23. April 1997 - 3 B 146/96).

Bei dem Flurstück, auf dem die Bergehalle errichtet wurde, handelt es sich um eine solches, auf dem auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechts die nutzungsberechtigte LPG tätig geworden ist. Das Nutzungsrecht der LPG an diesem Flurstück ergibt sich hinsichtlich des in Volkseigentum stehenden Anteils von 3/5 aus § 1 der "Verordnung über die einheitliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen durch die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften" vom 20. Januar 1995 (GBl I S. 97). Die Vorschrift regelte, daß private landwirtschaftliche Grundstücke und Betriebe, die sich in der Nutzung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften befinden, diesen zur kostenlosen Nutzung übergeben werden. Der 3/5 Anteil an dem Flurstück befand sich ausweislich des vom Senat eingeholten Grundbuchauszuges von 1954 im Eigentum des Volkes und in Rechtsträgerschaft der LPG mit Sitz in D.. Diese zunächst möglicherweise nur faktische Nutzung wurde dann durch § 1 der angeführten Verordnung auf eine Rechtsgrundlage gestellt. Auch das Nutzungsrecht an dem 1/5 Miteigentumsanteil der Klägerin ist ein solches, das durch Rechtsvorschriften geregelt ist. Dafür ist nur erforderlich, daß das Nutzungsrecht letztlich eine gesetzliche Grundlage findet. § 64 LwAnpG will mit der Formulierung "auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechts" all die Fälle erfassen, in denen ein den damals geltenden Vorschriften entsprechendes Nutzungsrecht begründet wurde. Damit soll abgegrenzt werden ein bloßes, tatsächliches nach sozialistischem Rechtsverständnis gleichwohl bestehendes Nutzungsrecht. Das Nutzungsrecht hinsichtlich des 1/5-Miteigentumsanteils der Klägerin ergibt sich aus dem auf gesetzlichen Grundlagen beruhenden Nutzungsvertrag vom 03. Mai 1956 zwischen der Klägerin und dem Rat des Kreises G.. Daß hinsichtlich des verbleibenden 1/5-Miteigentumsanteiles möglicherweise eine bloße faktische Nutzung des Grundstücks erfolgte, ist unschädlich, als jedenfalls an 4/5-Miteigentumsanteil am Flurstück ein Nutzungsrecht der LPG bestand. § 64 Satz 1 LwAnpG ist nichts dafür zu entnehmen, daß er nur die Fälle meint, in denen das Grundstück hinsichtlich des daran bestehenden Miteigentums von allen Miteigentümern oder den entsprechenden Berechtigten zur Nutzung durch eine LPG oder einen Dritten gegeben wurde. Nach dem vom Senat ermittelten Sachverhalt ist unzweifelhaft, daß die Bergehalle auf dem Flurstück in Ausübung des der LPG zustehenden Nutzungsrechtes errichtet wurde.

Rechtsfolge der Errichtung der Bergehalle auf dem von der LPG genutzten Grundstück ist das Entstehen von selbständigem Eigentum an dieser Bergehalle. Dies ergibt sich aus § 27 Satz 1 LPG-G 1982 (GBI I S. 443). Diese Vorschrift begründete von Gesetzes wegen ohne weitere Voraussetzung selbständiges Gebäudeeigentum der LPG an von ihr errichteten Gebäuden, wenn sie diese auf von ihr genutzten Boden errichtet. Auf das Eigentum am Boden kommt es nicht an. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 Satz 1 LPG-G sind hier offensichtlich gegeben. Auch wenn § 27 Satz 1 LPG-G i. V. m. § 18 Abs. 1 LPG-G von 1982 gelesen wird, ergibt sich nichts anderes. Nach § 18 Abs. 1 LPG-G besitzt eine LPG das umfassende und dauernde Nutzungsrecht an dem Boden, der ihr vom Staat zu unentgeltlichen Nutzung übergeben wurde. Jedenfalls hinsichtlich des 4/5-Miteigentumsanteils an dem Flurstück ist der LPG vom Staat der Boden zur unentgeltlichen Nutzung übergeben worden. Dafür, daß das LPG-G selbständiges Gebäudeeigentum der LPG dann nicht hat entstehen lassen wollen, wenn das Nutzungsrecht sich bei Miteigentumsfällen nicht aus allen Miteigentumsberechtigungen ergibt, läßt sich den §§ 27, 18 LPG-G nichts entnehmen.