Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 07.05.1998 - C 8 S 6.97 = RdL 1999 S. 100

Aktenzeichen C 8 S 6.97 Entscheidung Urteil Datum 07.05.1998
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen RdL 1999 S. 100  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine geringfügige Änderung des Flurbereinigungsgebietes nach § 63 Abs. 2 LwAnpG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist gegeben, wenn ein Nachbargrundstück lediglich zur wegemäßigen Erschließung des bisherigen Flurbereinigungsgebietes einbezogen wird.
2. Ein Gebiet, das eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft früher landwirtschaftlich genutzt und danach ihren Mitgliedern zum Bau von Eigenheimen überlassen hat, ist nicht städtisch, sondern landwirtschaftlich geprägt mit der Folge, daß für dieses Gebiet ein Bodenordnungsverfahren durchgeführt werden kann.

Aus den Gründen

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 FlurbG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 LwAnpG können geringfügige Änderungen des Flurbereinigungsgebietes durch die (untere) Flurbereinigungsbehörde angeordnet werden. Eine geringfügige Änderung kann nur angenommen werden, wenn sie nach ihrem Umfang keine wesentlichen Auswirkungen auf die Planung und Bodenneuordnung hat, insbesondere das förmliche Verfahren nach den § 4 bis § 6 FlurbG nicht als notwendig erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.10.1988, RzF - 15 - zu § 8 Abs. 1 FlurbG). Hierfür kommt es - wie die Kläger meinen - nicht nur auf das flächenmäßige Verhältnis des von ursprünglich 0,4075 ha auf nunmehr 0,5392 ha erweiterten Verfahrensgebietes an (vgl. u.a. VGH Mannheim, Urt. v. 10.05.1990 - 7 S 1028.89 - RzF - 16 - zu § 8 Abs. 1 FlurbG). Vielmehr kommt es zur Annahme der Geringfügigkeit auch auf andere Gesichtspunkte an. Hierbei kann maßgeblich sein, welcher Zweck mit der Änderung verfolgt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.04.1971 - IV C 36.68 - RzF - 8 - zu § 8 Abs. 1 FlurbG). Diese auf den Zweck der Änderung abstellende Betrachtungsweise kann insbesondere dann Bedeutung erlangen, wenn eine geringfügige Fläche eines noch nicht zum Bodenordnungsgebiet gehörenden Grundstücks herangezogen werden soll, um die Erschließung eines bereits im Bodenordnungsverfahren befindlichen Grundstücks zu sichern. Danach stellt sich die Einbeziehung des klägerischen Grundstücks ohne Rücksicht auf das Flächenverhältnis zwischen einbezogenem Grundstück und Bodenordnungsgebiet nach dem Zweck der Änderung als geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 FlurbG dar, denn sie dient lediglich der wegemäßigen Erschließung des Grundstücks der Beigeladenen zu 1. Vom flächenmäßigen Umfang mußte zwar das gesamte Grundstück der Kläger mit einbezogen werden, da nur die Beiziehung von Grundstücken im ganzen, nicht auch von Grundstücksteilen, möglich ist (vgl. Seehusen/Schwede, FlurbG, RdNr. 2 zu § 7). Die tatsächliche Inanspruchnahme des Grundstückes wird sich aber auf einen Bruchteil seiner Fläche beschränken.

b)
Entgegen der Auffassung der Kläger ist die nachträgliche Einbeziehung ihres Grundstückes in das Bodenordnungsverfahren rechtlich nicht zu beanstanden, denn die Sicherstellung des Zugangs an das öffentliche Wegenetz zugunsten der Beigeladenen zu 1. ist ein von dem Verfahren nach § 64 LwAnpG gedeckter Verfahrenszweck.

Nach § 64 LwAnpG ist auf Antrag des Eigentümers der Fläche oder des Gebäudes und der Anlagen das Eigentum an den Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechtes Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die in selbständigem Eigentum der LPG oder Dritter stehen, nach den Vorschriften des 8. Abschnitts des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes neu zu ordnen.

aa)
§ 64 LwAnpG erfaßt seinem Wortlaut nach nur die Fälle der Zusammenführung von getrenntem Boden- und Gebäudeeigentum. Diese rechtliche Konstellation ist im vorliegendem Fall nicht gegeben, weil bei den Klägern Grundstücks- und Gebäudeeigentum nicht auseinanderfallen. Die Einbeziehung des Grundstücks der Kläger in das Bodenordnungsverfahren rechtfertigt sich jedoch aus einer sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes, wie sie § 63 Abs. 2 LwAnpG vorsieht.

Nach § 63 Abs. 2 LwAnpG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ist das Verfahrensgebiet so zu begrenzen, daß der Zweck des Bodenordnungsverfahrens möglichst vollkommen erreicht wird, nämlich die bisher selbständigen Eigentumspositionen der Grundstückseigentümer und der Gebäudeeigentümer so zu vereinigen, daß BGB-konforme Rechtsverhältnisse entstehen. Der Gesetzesauftrag beschränkt sich dabei nicht auf das Zusammenführen bisher getrennten Boden- und Gebäudeeigentums, sondern beinhaltet im erweiterten Sinne eine Neuordnung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Verfahrensgebiet, die auf zivilrechtlicher Grundlage nicht zu erzielen wäre (Thöne/Knauber, Boden- und Gebäudeeigentum in den neuen Bundesländern, 2. Aufl. 1996, RdNrn. 119, 199). Aus dieser umfassenden Neugestaltungsbefugnis mit der Möglichkeit einer über die zusammenführenden Grundstücke hinausgehenden Verfahrensbegrenzung folgt, daß die Flurbereinigungsbehörde im Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG auch darum bemüht sein muß, eine wegemäßige Erschließung der ordnungsbedürftigen Flächen zu ermöglichen. Sie hat die Eigentumsverhältnisse unter Beachtung der Interessen der Beteiligten neu zu ordnen (vgl. auch § 53 Abs. 1 LwAnpG); dazu gehört auch die Ordnung der Erschließungsverhältnisse (so SächsOVG, Urt. v. 25.09.1996 - 7 S 329.96 - unter Bezugnahme auf Thöne/Knauber, a.a.O., RdNr. 200 sowie Thöne, Die agrarstrukturelle Entwicklung in den neuen Bundesländern, S. 180).

Die Notwendigkeit einer wegemäßigen Erschließung von Grundstücken ist bei regulären Flurbereinigungen nach dem Flurbereinigungsgesetz auch im Rahmen des Neugestaltungsauftrages des § 37 Abs. 1 FlurbG sowie im Rahmen der Landabfindung nach § 44 Abs. 3 S. 3 FlurbG anerkannt (vgl. ebenfalls zur Wegeerschließung BVerwG, Urt. v. 09.10.1973 - VC 37.72 - und Beschluß v. 20.03.1975 - V B 74.72 - mit weiteren Nachweisen).

Wird das Interesse der Gebäudeeigentümer an einer straßenmäßigen Erschließung ihrer Eigenheime von dem Gestaltungsauftrag des § 64 Satz 1 LwAnpG erfaßt (BVerwG, Urt. v. 09.07.1997 - 11 C 2.97 -), so kann nichts anderes für den Eigentümer eines (unbebauten) Grundstückes gelten. Im Rahmen der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse muß im Ergebnis sichergestellt sein, daß jedes Grundstück zumindest wegemäßig erschlossen ist. Es kann nicht Zweck der Neuordnung sein, wirtschaftlich oder baulich nicht nutzbare Grundstücke zu schaffen.

bb)
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. BVerwG, B. v. 03.07.1990 - 5 B 25.90 -, Buchholz 424.01 § 37 FlurbG Nr. 21) müssen sich die zulässigen und erforderlichen Maßnahmen (arg. § 37 Abs. 1 FlurbG) jeweils aus dem konkret angeordneten Verfahren ergeben oder darauf beziehen, also ausschließlich dessen Verwirklichung dienen.
Für den vorliegenden Fall kann dies angenommen werden:
Daß das Grundstück der Beigeladenen zu 1. künftig einer gesicherten Zuwegung bedarf, ist gerade Folge des nach § 64 LwAnpG eingeleiteten Verfahrens. Wird dieses nämlich mit dem Ergebnis abgeschlossen, daß die Gebäudeeigentümer das Eigentum an Grund und Boden erlangen, so wäre das Grundstück der Beigeladenen zu 1. von jedem Zugang an das öffentliche Straßennetz abgeschnitten. Diese von der Bodenordnung her unerwünschte Folge ist nach Maßgabe der gesetzlichen Zielvorstellungen innerhalb des Verfahrens nach § 64 LwAnpG zu regeln.

Wie sich aus der dem Änderungsbeschluß Nr. 1 beigefügten Gebietskarte ergibt, ist eine Zuwegung über die Flurstücke 127/1, 2, 4 und 5 nicht zu erreichen, da die Bebauung grenznah erfolgt ist. Demgegenüber verfügt das Grundstück der Kläger über ein schmales Teilstück zur Hauptstraße, das für eine Bebauung ungeeignet und für eine landwirtschaftliche Nutzung nur bedingt geeignet ist, wie sich auch aus den vorgelegten Fotos ergibt. Dieses Teilstück wäre jedoch für eine wegemäßige Erschließung des Grundstücks der Beigeladenen zu 1. die die Beteiligten am wenigsten beeinträchtigende Maßnahme. Es ist deshalb weder unverhältnismäßig noch ermessensfehlerhaft, daß der Beklagte das Grundstück der Kläger in das Verfahren nach § 64 LwAnpG einbezogen hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß die Beigeladene zu 1. einen Zugang zu ihrem Grundstück möglicherweise auch privatrechtlich (vgl. §§ 91 ff. BGB) erreichen könnte.

cc)
Nach der Zielrichtung des § 3 LwAnpG ist die Bodenneuordnung auch zur Strukturförderung ländlichen Grundbesitzes möglich. Ein städtisch geprägter Bereich darf demgegenüber nicht Gegenstand einer Bodenneuordnung sein (vgl. BVerwG U. v. 09.07.1997 - 11 C 2.97 -). Bei der Abgrenzung zwischen landwirtschaftlich und städtisch geprägten Bereich ist nicht darauf abzustellen, ob der Grundbesitz (noch) landwirtschaftlich genutzt wird, maßgeblich ist vielmehr, ob er - wie hier - durch eine LPG landwirtschaftlich genutzt und ihren Mitgliedern zum Bau von Eigenheimen zur Verfügung gestellt wurde. Dadurch behält das Gebiet sein ländliches Gepräge. Unter diesen Umständen bedurfte es nicht der von den Klägern beantragten Augenscheineinnahme durch den Senat.

c)
Mit der Einbeziehung in das Bodenordnungsverfahren ist allerdings noch nicht die Entscheidung getroffen, in welcher tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung der Beigeladenen zu 1. eine Zuwegung über das Grundstück zu eröffnen ist. Dies bleibt im einzelnen dem späteren Bodenordnungsverfahren vorbehalten. Soweit die Kläger gegenüber dem Beklagten mangelnde Auseinandersetzung mit alternativen Lösungsmöglichkeiten rügen und hierin einen Ermessensfehler sehen, führt dies nicht zum Erfolg. Denn die Notwendigkeit, durch die Einbeziehung des Flurstücks 128 die Zuwegung zum Flurstück 127/6 zu sichern, wird im Widerspruchsbescheid hinreichend erläutert. Nach alledem erweist sich der angefochtene Änderungsbescheid Nr. 1 vom 19. Juli 1996 als rechtmäßig.