Flurbereinigungsgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 26.09.2002 - 8 D 25/99.G = RdL 2003 S. 47= VIZ 2003 S. 144= AUR 2003 S. 94 (Lieferung 2004)

Aktenzeichen 8 D 25/99.G Entscheidung Urteil Datum 26.09.2002
Gericht Flurbereinigungsgericht Frankfurt (Oder) Veröffentlichungen RdL 2003 S. 47 = VIZ 2003 S. 144 = AUR 2003 S. 94  Lieferung 2004

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Auch in Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz entsteht nach den über § 63 Abs. 2 anzuwendenden Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes (hier: § 16 ff. FlurbG) eine Teilnehmergemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Aus den Gründen

Die Regelung des § 19 Abs. 1 FlurbG über die Befugnis der Teilnehmergemeinschaft zur Erhebung von Beiträgen und Vorschüssen von den Teilnehmern gilt gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG sinngemäß auch im Bodenordnungsverfahren. Eine Teilnehmergemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts gelangt auch in Neuordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, jedenfalls soweit es sich um Flächenverfahren wie das hier in Rede stehende handelt, zur Entstehung. Die Teilnehmergemeinschaft entsteht zufolge § 16 FlurbG in einem Flurbereinigungsverfahren mit dem Flurbereinigungsbeschluss als Körperschaft des öffentlichen Rechts, gebildet aus den Beteiligten nach § 10 Nr. 1 FlurbG, also aus den Eigentümern der im Verfahrensgebiet gelegenen Grundstücke und den ihnen gleichstehenden Erbbauberechtigten. Wesentliche Aufgabe der Teilnehmergemeinschaft ist gemäß § 18 Abs. 1 FlurbG die Wahrnehmung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer, insbesondere die Herstellung der gemeinschaftlichen Anlagen. Sie hat dabei die zur Ausführung der Flurbereinigung notwendigen Aufwendungen zu tragen (§ 105 FlurbG) und kann unter den Voraussetzungen des § 19 FlurbG die Teilnehmer zu Beiträgen und Vorschüssen zu diesen Aufwendungen heranziehen. Diese Regelungen sind über die allgemeine Verweisung des § 63 Abs. 2 LwAnpG auf die Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes für die Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz entsprechend anwendbar (noch offen gelassen vom erkennenden Senat im Urteil vom 11. Dezember 1997 - 8 D 45/96.G -, RdL 1998, 186 f. [[[LwAnpG:§ 53/1|RzF - 1 - zu § 53 LwAnpG]]]; befürwortend wohl Steding, LKV 1992, 350, 354; ders., DNV 1993, 30 f.; dagegen Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 7. Auflage 1997, § 16 FlurbG, Rdn. 10).

Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes an anderer Stelle, so betreffend den Tauschplan nach § 55 Abs. 3 LwAnpG und das Rechtsbehelfsverfahren nach § 60 LwAnpG, Einzelverweisungen auf bestimmte Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes getroffen hat. Denn diese andere Zusammenhänge betreffende Einzelverweisungen besagen letztlich nichts darüber, in welchem Umfang durch die pauschale Bezugnahme in § 63 Abs. 2 LwAnpG weitere Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes sinngemäße Anwendung finden. Eine solche sinngemäße Anwendung ist über § 63 Abs. 2 LwAnpG immer dann eröffnet, wenn für Bodenordnungsverfahren nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes bezüglich der Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse Regelungslücken bestehen, die einen Rückgriff auf die Bestimmungen des Flurbereinigungsgesetzes erfordern (vgl. Nies in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Kommentar zum LwAnpG, § 63 Rdn. 6 f.). Eine solche Regelungslücke ergibt sich auch in den Fällen, in denen ein Bodenordnungsverfahren in der Fläche durchgeführt wird, weil sich in einem solchen Verfahren ebenso wie in einem Flurbereinigungsverfahren im Zuge der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse die Notwendigkeit ergibt, die gemeinschaftlichen Interessen der Teilnehmer des Verfahrens wahrzunehmen, insbesondere gemeinschaftliche Anlagen herzustellen und zu unterhalten und für die insoweit entstehenden Ausführungskosten Beiträge der Teilnehmer zu erheben. Anders als der Kläger offenbar meint, ist insoweit der Anwendungsbereich des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes nicht etwa nur auf (Einzel)Verfahren zur Zusammenführung von getrenntem Boden- und Gebäudeeigentum beschränkt, in denen sich die Notwendigkeit einer Teilnehmergemeinschaft regelmäßig nicht ergibt. Vielmehr können nach § 53 LwAnpG die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken neu geordnet werden auf Grund des Ausscheidens von Mitgliedern aus der LPG oder der eingetragenen Genossenschaft, der Bildung einzelbäuerlicher Wirtschaften oder zur Wiederherstellung der Einheit von selbständigem Eigentum an Gebäuden, Anlagen sowie Anpflanzungen und Eigentum an Grund und Boden. Die Zusammenführung von getrenntem Gebäude- und Grundeigentum, wie sie in § 64 LwAnpG näher geregelt ist, stellt sich danach lediglich als ein Zweck der Neuordnung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz dar, dessen Zielsetzung indes darüber hinausgeht. Zielsetzung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes ist es gemäß § 3 LwAnpG, der Entwicklung einer vielfältig strukturierten Landwirtschaft und der Schaffung von Voraussetzungen für die Wiederherstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetriebe zu dienen, um die in ihnen tätigen Menschen an der Einkommens- und Wohlstandsentwicklung zu beteiligen. Hiernach ist das Bodenordnungsverfahren nicht etwa auf eine Sachenrechtsbereinigung beschränkt, vielmehr soll die Bodenordnung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz gerade den Zielen von § 3 LwAnpG dienen, die eine umfassende Ordnung der Rechtsbeziehungen im ländlichen Raum mit der Möglichkeit einer über die eigentliche Zusammenführung hinausgehenden Verfahrensgebietsbegrenzung zulassen (so schon Urteil des erkennenden Senats vom 11. November 1999 - 8 D 22/98.G -, RdL 2000, 218; vgl. ferner OVG Bautzen, Urteil vom 25. September 1996 - 7 S 65/94 - [[[LwAnpG:§ 63 Abs. 2/3|RzF - 3 - zu § 63 Abs. 2 LwAnpG]]]; Thöne/Knauber, Boden- und Gebäudeeigentum in den neuen Bundesländern, 2. Aufl. 1996, Rn. 200, 413).

Können somit auch nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz Bodenordnungsverfahren in der Fläche mit einer Mehrzahl von Teilnehmern durchgeführt werden, so spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber trotz der Verweisung in § 63 Abs. 2 LwAnpG gerade die Vorschriften über die Teilnehmergemeinschaft (einschließlich der hieran anknüpfenden bzw. das Bestehen einer Teilnehmergemeinschaft voraussetzenden Regelungen) in solchen Fällen nicht sinngemäß zur Anwendung bringen wollte. Ohne eine Teilnehmergemeinschaft und die Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben wären, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, größere Neuordnungsverfahren letztlich nicht durchführbar. Der in diesem Zusammenhang stehende Hinweis des Klägers auf § 63 Abs. 3 LwAnpG und die dort eröffnete Möglichkeit, ein Bodenordnungsverfahren ganz oder in Teilen des Verfahrensgebietes als ein Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz fortzuführen (wodurch dann die Teilnehmergemeinschaft entstehe), führt insoweit nicht weiter. Denn die Fortsetzung eines Bodenordnungsverfahrens als Flurbereinigungsverfahren nach § 63 Abs. 3 LwAnpG erfordert in jedem Fall das Vorliegen der Voraussetzungen nach dem Flurbereinigungsgesetz (vgl. Nies in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Kommentar zum LwAnpG, § 63 Rdn. 9). Eine Überleitung des Verfahrens in Gänze kommt deshalb nicht in Betracht, soweit das eingeleitete Verfahren - wie hier - zumindest auch auf die Zusammenführung von getrenntem Gebäude- und Grundeigentum abzielt, denn eine solche Eigentumsregelung liegt in einem Flurbereinigungsverfahren außerhalb der durch § 37 FlurbG umgrenzten Gestaltungsbefugnis der Flurbereinigungsbehörden. Eine Überleitung in ein Flurbereinigungsverfahren könnte deshalb nur unter Aussparung der Flurstücke mit einem Neuordnungsbedarf im Sinne des § 64 LwAnpG erfolgen. Dies würde letztlich darauf hinauslaufen, für die Zusammenführungsfälle punktuell das Bodenordnungsverfahren fortzuführen und nur die Flurstücke im Übrigen in ein Flurbereinigungsverfahren überzuleiten oder von vornherein nur in ein solches Verfahren einzustellen. Eine solche Vorgehensweise wäre - was letztlich wohl auf der Hand liegt - weder praktikabel noch ist sie rechtlich erforderlich, zumal auch bei den Grundstücken mit gesondertem Gebäudeeigentum nach § 64 LwAnpG über die Sachenrechtsbereinigung hinaus ein Neuordnungsbedarf bestehen kann, so dass es regelmäßig notwendig ist, alle Flurstücke zusammen in einem Verfahren zu führen. Mit Blick gerade auf die Teilnehmergemeinschaft ergäbe sich, würde man ihre Entstehung in einem Bodenordnungsverfahren verneinen und insoweit für ihre Entstehung die Überleitung in ein Flurbereinigungsverfahren fordern, außerdem die ebenfalls nicht tragbare Konsequenz, dass die Grundeigentümer der im Bodenordnungsverfahren verbleibenden Flurstücke nicht Mitglieder der Teilnehmergemeinschaft würden, also auch nicht an den Ausführungskosten über Beiträge und Vorschüsse zu beteiligen wären, obwohl die Neugestaltung des Verfahrensgebietes einschließlich der Errichtung oder des Ausbaus gemeinschaftlicher Anlagen im Zweifel auch ihnen Vorteile verschafft.

Der Entstehung der Teilnehmergemeinschaft auch in Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz über eine sinngemäße Anwendung der § 16 ff. FlurbG steht ferner nicht entgegen, dass ihr in reinen Zusammenführungsverfahren nach § 64 LwAnpG in der Regel keine Bedeutung zukommt. Die Teilnehmergemeinschaft wird gemäß § 16 Satz 1, § 10 Nr. 1 FlurbG von den Teilnehmern, nicht auch den Nebenbeteiligten gebildet. Teilnehmer eines Bodenordnungsverfahrens sind gemäß § 56 Abs. 2 LwAnpG nur die Grundstückseigentümer. Insoweit bedarf es aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung, ob eine Teilnehmergemeinschaft auch in Einzelverfahren nach § 64 LwAnpG zur Entstehung gelangt. Angesichts der erforderlichen eindeutigen gesetzlichen Regelung für die Entstehung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts spricht freilich einiges dafür, dass eine Teilnehmergemeinschaft regelmäßig auch in Bodenordnungsverfahren aufgrund der nach § 63 Abs. 2 LwAnpG vorgesehenen sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes entsteht (und mit Verfahrensabschluss wieder erlischt), aber insbesondere in den reinen Zusammenführungsverfahren nach § 64 LwAnpG ohne Funktion bleibt. Jedenfalls in Flächenverfahren wie dem vorliegenden, das nicht nur der Zusammenführung von getrenntem Grund- und Gebäudeeigentum dient, sondern einer darüber hinausgehenden Neugestaltung des Verfahrensgebiets, entsteht gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG, § 16 FlurbG mit dem Einleitungsbeschluss eine Teilnehmergemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit den ihr nach dem Flurbereinigungsgesetz zustehenden Befugnissen.