Flurbereinigungsgericht Bautzen, Urteil vom 25.09.1996 - 7 S 65/94
Aktenzeichen | 7 S 65/94 | Entscheidung | Urteil | Datum | 25.09.1996 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Bautzen | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Ordnung der Erschließungsverhältnisse neuordnungsbedürftiger Grundstücke dürfen auch solche Grundstücke in ein Bodenordnungsverfahren nach den§ 53, § 64 LwAnpG einbezogen werden, auf denen Grund- und Gebäudeeigentum nicht auseinanderfallen. |
2. | Das LwAnpG enthält für die Abgrenzung des Verfahrensgebietes keine Regelungen. Diese Lücke ist durch Heranziehung der subsidiären Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) nach § 63 Abs. 2 LwAnpG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 FlurbG zu schließen. |
Aus den Gründen
Die Begrenzung des Verfahrensgebietes ist nicht zu beanstanden.
Entgegen der Ansicht der Klägerin muß sich das Verfahrensgebiet bei einer Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum nach § 64 LwAnpG nicht notwendigerweise nur auf die Flächen beschränken, auf denen Boden- und Gebäudeeigentum auseinanderfallen und deshalb Regelungsbedarf zum Zwecke der Zusammenführung besteht. Vielmehr kann es gerechtfertigt sein, darüber hinaus weitere Flächen einzubeziehen, sofern dafür nur sachgerechte und aus dem Interesse an erfolgreicher Bodenordnung folgende Gründe maßgebend sind.
Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz - LwAnpG - selbst enthält für die Abgrenzung des Verfahrensgebietes keine Regelungen. Diese Lücke ist durch Heranziehung der subsidiären Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes zu schließen, denn § 63 Abs. 2 LwAnpG schreibt für die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse "im übrigen" die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes ausdrücklich vor. Nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ist deshalb das Verfahrensgebiet so zu begrenzen, daß der Zweck des Bodenordnungsverfahrens, wie er sich aus § 64 LwAnpG ergibt, nämlich die bisher selbständigen Eigentumspositionen der Grundstückseigentümer und der Gebäudeeigentümer so zu vereinigen, daß BGB-konforme Rechtsverhältnisse entstehen, möglichst vollkommen erreicht wird. Davon und von der grundsätzlichen gesetzlichen Forderung ausgehend, daß jeder Teilnehmer für die von ihm abzutretenden Grundstücke durch Land von gleichem Wert abzufinden ist (vgl. § 58 Abs. 1 LwAnpG), hat das OVG Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 19.3.1996, 8 K 5/94 < = RdL 1997 S. 101 > zu Recht gefolgert, daß die Heranziehung weiterer, für die wertgleiche Abfindung erforderlicher Grundstücke erfolgen kann (ebenso OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 4.7.1996, 9 K 5/94 < = RdL 1997 S. 298, AgrarR 1997 S. 59 >). Daß bei diesen weiteren Flächen ein Auseinanderfallen von Boden- und Gebäudeeigentum gerade nicht vorliegen wird, erklärt sich aus dem Beiziehungsgrund, lediglich eine Landabfindung des im Zusammenführungsverfahren weichenden Eigentümers zu ermöglichen. Es ist ohne weiteres einsichtig, daß bei Beschränkung des Verfahrens auf die Inhaber der bisher selbständigen Eigentumspositionen von Grundstücks- oder Gebäudeeigentum eine Landabfindung beider Rechtsinhaber nicht möglich wäre, denn das erfaßte Grundeigentum kann nur einmal verteilt werden. Wenn aber in diesem Fall zur möglichst wertgleichen Landabfindung weitere Flächen einbezogen werden, findet damit notwendigerweise und in voller Übereinstimmung mit dem Gesetzeszweck eine Erweiterung des Verfahrens über die von der Zusammenführung unmittelbar betroffenen Eigentümer hinaus auf Dritte statt. Ebenso wie bei einer regulären Flurbereinigung, deren Anordnung auch gegen den Willen einzelner Beteiligter zulässig ist, sofern sie nur im objektiven wirtschaftlichen Interesse der Mehrheit der nach Fläche Betroffenen liegt, bedarf es auch insoweit nicht der Zustimmung des Berechtigten der in das Verfahren einbezogenen Flächen (ebenso Thöne, Die agrarstrukturelle Entwicklung in den neuen Bundesländern, S. 244; Thöne/Knauber, Boden- und Gebäudeeigentum in den neuen Bundesländern, 2. Aufl. RdNr. 186). Die Möglichkeit dieser Heranziehung ergibt sich als zulässige Eigentumsbildung aus der Belegenheit im Einwirkungsbereich bodenordnungsbedürftiger Flächen. Ein angemessener Ausgleich ist durch das Gebot wertgleicher (Land-) Abfindung (§ 58 LwAnpG) gewährleistet.
Der Umstand, daß die Zusammenführung von auseinanderfallendem Boden- und Gebäudeeigentum - jedenfalls seit dem 1.9.1994 - einerseits nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (§§ 87 ff.) mit einer streng auf diese beiden Positionen beschränkten privatrechtlichen Regelungsbefugnis des Innenverhältnisses, andererseits aber nach § 56 Abs. 1 LwAnpG in einem eigenständigen, behördlich geleiteten Bodenordnungsverfahren öffentlich-rechtlich erfolgen kann, zeigt auf, daß bei Vorgehen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Bodenordnungsverfahrens eine umfassende Neugestaltungsbefugnis mit der Möglichkeit einer über die zusammenzuführenden Grundstücke hinausgehenden Verfahrensbegrenzung besteht (ebenso Thöne/Knauber, a.a.O., RdNr. 119, 199). Daraus folgt, daß die Flurbereinigungsbehörde im Rahmen der Aufgabenstellung, aus dem Auseinanderfallen von Grund- und Gebäudeeigentum folgende Investitionshindernisse zu beseitigen und BGB-konforme Rechtsverhältnisse zu schaffen, auch darum bemüht sein muß, eine wegemäßige Erschließung der ordnungsbedürftigen Flächen zu ermöglichen. Sie hat die Eigentumsverhältnisse unter Beachtung der Interessen der Beteiligten neu zu ordnen (vgl. § 53 Abs. 1 LwAnpG), und das kann neben der bloßen Ordnung der Rechtsbeziehung zwischen Grund- und Gebäudeeigentümer u.a. auch die Ordnung der Erschließungsverhältnisse gebieten (ebenso Thöne, a.a.O., S. 180; Thöne/Knauber, a.a.O., RdNr. 200).
Nach der zum regulären Flurbereinigungsverfahren und zu § 7 Abs. 1 FlurbG ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt die Festlegung der Grenzen des Flurbereinigungsgebietes im Ermessen der Behörde (vgl. BVerwGE 45, 112/113), wobei das Ermessen nicht völlig frei ist (vgl. Beschl. v. 3.6.1961- 1 B 19.61 -, RdL 1961, 190/191 = DVBl 1961, 551/552), sondern das Flurbereinigungsgebiet nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG so zu begrenzen ist, daß der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht wird. Die Einhaltung dieser gesetzlichen Ermessensschranken ist vom Flurbereinigungsgericht im Rahmen des gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG auch im flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren geltenden § 114 VwGO zu überprüfen. Rechtwidrig wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets, die erkennbar nicht auf eine Abwägung aller für einen größtmöglichen Erfolg der Flurbereinigung im gesamten Planungsraum und für den einzelnen Beteiligten bedeutsamen Gesichtspunkte zurückgeht oder sich als ganz ungeeignet erweist, den Flurbereinigungserfolg zu fördern (BVerwG, Beschl. v. 8.11.1989 - 5 B 124.89 -).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts liegen hinsichtlich der hier maßgeblichen Abgrenzung des Verfahrensgebietes für die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse keine Ermessensfehler vor: Die Einbeziehung des betroffenen Flurstücks der Klägerin liegt nahe und ist daher sachgerecht, da seine Heranziehung im späteren Bodenordnungsplan in Betracht kommt. Die ordnungsbedürftigen Flurstücke sind wegemäßig nicht öffentlich-rechtlich erschlossen, sondern wurden bereits bisher tatsächlich - offenbar i.S. eines privatrechtlichen Notwegrechts - über das Grundstück der Klägerin erschlossen. Auch sind im Bereich der tatsächlichen "Erschließungsstraße" der Hinterliegergrundstücke, Flurstück Nr. ... und Flurstück Nr. ... schon zu DDR-Zeiten die Medien verlegt worden. Ob und in welcher Form die Inanspruchnahme des Grundstücks erfolgen wird, wird im späteren Bodenordnungsplan zu bestimmen sein. Hierzu kann im derzeitigen Verfahrensstand nichts ausgeführt werden: Ggf. wird in einem gegen diesen, in seinen Festsetzungen nicht absehbaren Plan anzustrengenden Verfahren auch zu prüfen sein, ob hierfür eine wertgleiche Abfindung festgesetzt sein wird.
Sprechen hiernach konkrete sachliche Gründe für die Einbeziehung des streitbefangenen Flurstücks der Klägerin, so können die weiteren von ihr dagegen erhobenen Einwendungen keinen Erfolg haben: Soweit sie geltend macht, auch die Eigentümer der Flurstücke ... sowie ... hätten in das Verfahren einbezogen werden müssen, liegt in dieser unterbliebenen Einbeziehung kein Ermessensfehler. Es ist nicht ersichtlich - und im übrigen von der Klägerin auch nicht vorgetragen - inwieweit die Einbeziehung der beiden Flurstücke in das Bodenordnungsverfahren - ggf. besser - geeignet wäre, den Zweck des Verfahrens zu fördern, einmal abgesehen von der Tatsache, daß die Flurstücke "im örtlichen Umfeld" liegen. Der an der Ostseite der Flurstücke Nr. ... und ... in nordsüdliche Richtung verlaufende unbefestigte Feldweg, der über eine auf dem Flurstück ... verlaufende betonierte Wegefläche an die ... Straße angeschlossen ist, eignet sich nicht für die Erschließung beider ordnungsbedürftiger Flurstücke.