Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 12.09.1996 - C 8 S 4/96
Aktenzeichen | C 8 S 4/96 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 12.09.1996 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Magdeburg | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine vorzeitige Ausführungsanordnung im Bodenordnungsverfahren kommt es - bei offenem Ausgang des Aussetzungsverfahrens - auf die Abwägung der widerstreitenden Interessen des Antragstellers mit den öffentlichen Interessen (bzw. Interessen der übrigen Teilnehmer) an der sofortigen Vollziehung an. |
2. | Die Entscheidung der Frage, ob § 63 Abs. 1 FlurbG bei einer vorzeitigen Ausführungsanordnung (über § 63 Abs. 2 LwAnpG) sinngemäß anzuwenden ist, bleibt im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen. |
Aus den Gründen
Die Anträge sind nicht begründet.
Der gemäß § 60 LwAnpG i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG und § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die vorzeitige Ausführungsanordnung des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 17. Juli 1995 nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. In einem solchen Fall ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Diesen Anforderungen trägt der Hinweis des Antragsgegners: "Die sofortige Vollziehung konnte angeordnet werden, weil die Wiederherstellung der Einheit von getrenntem Boden- und Gebäudeeigentum im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt" nur im Zusammenhang mit den sonstigen Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid in einem gerade noch ausreichenden Umfang Rechnung.
Der Antrag ist auch in der Sache nicht begründet.
Die Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren erkennbar ist, daß sein Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet; an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes besteht nämlich regelmäßig ein überwiegendes öffentliches Interesse (BVerfG, Beschl. v. 11.2.1982 - 2 BvR 77/82 - NVwZ 1982 S. 241). Erweist sich der Rechtsbehelf hingegen als offensichtlich begründet, so überwiegt in aller Regel das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Ist jedoch der Ausgang des Verfahrens bei der im Aussetzungsverfahren grundsätzlich nur gebotenen summarischen Prüfung offen, kommt es auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.4.1974 - IV C 21.74 - DVBl. 1974 S. 566; Kopp, VwGO, 9. Aufl., § 80 RdNr. 69, 81 ff.). Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen, unter denen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen ist, nicht erfüllt.
Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz regelt den Erlaß einer vorzeitigen Ausführungsanordnung unmittelbar nicht. Nach § 63 Abs. 2 LwAnpG sind jedoch für die Festsetzung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse die Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes sinngemäß anzuwenden. Ob das auch für den Erlaß einer vorzeitigen Ausführunganordnung nach § 63 Abs. 1 FlurbG zutrifft, erscheint zumindest als fraglich.
Der Gesetzgeber hat in § 61 Abs. 1 LwAnpG die Ausführung des Bodenordnungsplanes in (eigentums)rechtlicher Hinsicht sowie die Wirkungen der Ausführungsanordnung in § 61 Abs. 2 LwAnpG und das weitere Verfahren nach Erlaß der Ausführungsanordnung in § 61 Abs. 3 LwAnpG unmittelbar geregelt, so daß einerseits einiges dafür spricht, daß nach dem Willen des Gesetzgebers in einem Verfahren der vorliegenden Art von dem Erlaß einer vorzeitigen Ausführungsanordnung vor der Unanfechtbarkeit des Bodenordnungsplanes kein Gebrauch gemacht werden sollte und es sich somit um eine bewußte Regelungslücke gegenüber dem Flurbereinigungsgesetz handelt. Andererseits ist nicht verkennbar, daß der Gesetzgeber das Verfahren zur Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse im 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes nur mit wenigen Vorschriften geregelt und deshalb der Verweisung auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes eine umfassende Bedeutung beigemessen hat und schließlich, daß für den Erlaß einer vorzeitigen Ausführungsanordnung nach § 63 FlurbG in einem Bodenordnungsverfahren, wie auch der vorliegende Fall zeigt, ein sachliches Bedürfnis besteht. Eine abschließende Entscheidung der Frage, ob in einem Verfahren der vorliegenden Art § 63 Abs. 1 FlurbG entsprechend angewendet werden kann, wozu der Senat neigt, geht jedoch über die in diesem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotene summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinaus und muß deshalb einem eventuellen Verfahren zur Hauptsache vorbehalten bleiben, so daß es auf eine Abwägung der Interessen der Antragstellerin, von dem Sofortvollzug der vorzeitigen Ausführungsanordnung verschont zu bleiben, mit den öffentlichen Interessen bzw. Interessen der übrigen Teilnehmer an dem Bodenordnungsverfahren an der sofortigen Vollziehung ankommt, bei der der Senat von einer entsprechenden Anwendung des § 63 Abs. 1 FlurbG ausgeht. Diese Abwägung geht zu Ungunsten der Antragstellerin aus.
Neben der Antragstellerin und der Beigeladenen sind an dem Bodenordnungsverfahren weitere vier Grundstückseigentümer als Teilnehmer beteiligt, die gegen ihre Abfindung durch den Bodenordnungsplan kein Rechtsmittel eingelegt haben und die, jedenfalls teilweise, die ihnen im Neubesitz zugewiesenen Grundstücke bebauen und beleihen wollen. Voraussetzung dafür ist, daß sie im Grundbuch als Eigentümer der neuen Grundstücke eingetragen sind. Als Rechtsgrundlagen kommen dafür neben der den Eigentumsübergang regelnden vorzeitigen Ausführungsanordnung und deren Sofortvollzug § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 79, § 82 FlurbG in Betracht. Danach kann bei einer entsprechenden Anwendung auf Ersuchen des Antragsgegners nach Eintritt des neuen Rechtszustandes das Grundbuch auch vorzeitig berichtigt werden, wenn Rechte durch Widersprüche gegen den Bodenordnungsplan nicht berührt werden. Das ist hier der Fall. Es ist nicht erkennbar, daß die Abfindung der übrigen Teilnehmer einschließlich der Beigeladenen mit Ausnahme des ihr zugewiesenen 1.752 qm großen Flurstücks 14/6 Flur 3 aus dem Altbesitz der Antragstellerin durch den von ihr gegen ihre Abfindung durch den Bodenordnungsplan eingelegten Widerspruch betroffen wird.
Gegenüber den Interessen der übrigen Teilnehmer an einer Bebauung und Beleihung der ihnen durch den Bodenordnungsplan zugewiesenen Grundstücke, dem dafür erforderlichen Eigentumsübergang sowie der Grundbuchberichtigung sind berücksichtigungsfähige Interessen der Antragstellerin, die sich nur aus einer Nutzung des streitigen Flurstücks 14/6 Flur 3 als Eigentümerin ergeben können, nicht dargetan worden und auch bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung nicht ersichtlich. Im übrigen trägt den mit dem Widerspruch gegen den Bodenordnungsplan und die vorzeitige Ausführungsanordnung verfolgten Interessen der Antragstellerin an einem Behalten des der Beigeladenen zugewiesenen Flurstücks 14/6 Flur 3 § 63 Abs. 2 FlurbG Rechnung. Danach wirkt eine unanfechtbare Änderung des vorzeitig ausgeführten Flurbereinigungs- bzw. Bodenordnungsplanes in rechtlicher Hinsicht auf den in der Ausführungsanordnung festgesetzten Tag zurück. Sollte mithin, wofür jedoch im gegenwärtigen Verfahrensstand keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bodenordnungsplan Erfolg haben, so würde diese Änderung des Bodenordnungsplans auch in eigentumsrechtlicher Hinsicht gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 63 Abs. 2 FlurbG auf den 1. August 1996 zurückwirken.
Schließlich hat der Antragsgegner zugesichert, daß er für den "streitbefangenen Teil des Bodenordnungsplanes keine amtswegige vorzeitige Grundbuchberichtigung" vornehmen wird. Diese Zusicherung ist dahin zu verstehen, daß das streitbefangene selbständige Flurstück 14/6 Flur 3 von einer vorzeitigen Grundbuchberichtigung ausgenommen wird. Die Antragstellerin hat mithin auch keine Rechtsnachteile durch die vorzeitige Ausführungsanordnung bzw. deren Vollzug zu erwarten.