Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 70. Senat, Urteil vom 03.05.2017 - OVG 70 A 19.15 (Lieferung 2018)
Aktenzeichen | OVG 70 A 19.15 | Entscheidung | Urteil | Datum | 03.05.2017 |
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Gericht | Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 70. Senat | Veröffentlichungen | Lieferung | 2018 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Auch in Bodenordnungsverfahren nach dem LwAnpG ist eine vorläufige Besitzeinweisung gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG i. V. m. § 65 FlurbG zulässig. |
Aus den Gründen
Ihre Rechtsgrundlage findet die vorläufige Besitzeinweisung in § 63 Abs. 2 LwAnpG i. V. m. § 65 FlurbG. Nach § 65 Abs. 1 FlurbG können Beteiligte eines Flurbereinigungsverfahrens in den Besitz der neuen Grundstücke vorläufig eingewiesen werden, wenn deren Grenzen in die Örtlichkeit übertragen worden sind und endgültige Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten feststeht. Die neue Feldeinteilung ist den Beteiligten bekanntzugeben und auf Antrag an Ort und Stelle zu erörtern.
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 FlurbG sind zur Überzeugung des Gerichts vorliegend erfüllt.
Das gilt zunächst für die Frage, ob die Grenzen der neuen Grundstücke in die Örtlichkeit übertragen worden sind. Die dabei zumindest erforderliche Setzung der neuen Grenzpunkte durch Pflöcke (vgl. Wingerter/Mayr, Standardkommentar Flurbereinigungsgesetz 9. Auflage, § 65 Rz. 4 m.w.N.) ist hinsichtlich der ursprünglichen vorläufigen Besitzeinweisung im Bescheid vom 7. Mai 2015 unstreitig und hierin auch ausdrücklich festgestellt. Auch hinsichtlich der Änderungen durch den Bescheid vom 6. Juli 2016 gilt nichts Anderes. Das ergibt sich aus den vom Beklagten überlassenen Unterlagen, wonach die Kennzeichnung der Grenzpunkte zwischenzeitlich mittels Kunststoffpflöcken erfolgt sei und wird auch durch die eidesstattliche Versicherung des Pächters der Kläger vom 15. März 2017 nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt, wenn es dort heißt, "bei der Kenntlichmachung der neuen Flurstücksbegrenzungen durch die gelben Dreiecke" habe er keine gesonderte Einweisung für das Flurstück 36 der Flur 11 (alt) erhalten.
Dass die neue Feldeinteilung auch den Klägern bekanntgegeben worden ist, ergibt sich aus der unstreitigen öffentlichen Bekanntmachung bzw. Übersendung des Bescheide über die vorläufige Besitzeinweisung vom 7. Mai 2015 bzw. des Änderungsbescheids vom 6. Juli 2016 mit den beiliegenden Karten der neuen Feldeinteilung.
Soweit die Kläger geltend machen, die Veröffentlichung derart gewichtiger Informationen - wie etwa die vorläufige Besitzeinweisung gemäß § 65 FlurbG - allein über die örtlich zuständigen Amtsblätter sei unzulässig, ist dem nicht zu folgen. § 65 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 FlurbG regelt ausdrücklich, dass die vorläufige Besitzeinweisung öffentlich bekannt zu machen ist. Dies gilt auch für Beteiligte, die nicht in den Flurbereinigungsgemeinden und angrenzenden Gemeinden wohnen, wobei maßgeblich die Bekanntmachung in der Gemeinde ist, in der das betreffende Grundstück liegt (Wingerter/Mayr, a.a.O., § 110 Rz. 7 m.w.N.). Die Bekanntmachung erfolgt hierbei nach den für die öffentliche Bekanntmachung von Verfügungen der Gemeinden bestehenden Rechtsvorschriften (§ 110 FlurbG). Im Land Brandenburg geschieht dies durch Veröffentlichung im örtlichen Amtsblatt und erfolgte vorliegend durch Veröffentlichung in den Amtsblättern des Amtes ... und der Stadt ... . Rechtsstaatliche Bedenken gegen das Institut der öffentlichen Bekanntmachung bestehen nicht, insbesondere wird der Rechtsschutz der Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens hierdurch nicht unangemessen verkürzt (vgl. Wingerter/Mayr, a.a.O., § 110 Rz. 1 m.w.N. zur diesbezüglichen Rechtsprechung). Im Übrigen ist den Klägern, worauf der Beklagte mit Schriftsatz vom 31. März 2017 unter Beifügung entsprechender Kopien - zudem auch unwidersprochen - hingewiesen hat, die 1. Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 6. Juli 2016 einschließlich der Anlagen durch Schreiben vom 11. Juli 2016 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden.
Soweit die Kläger geltend machen, hinsichtlich des Flurstücks 36 der Flur 11 (alt) sei nicht die erforderliche Erläuterung erfolgt, ergibt sich ein Verstoß gegen die Erläuterungspflicht in § 65 Abs. 1 Satz 2 FlurbG schon deshalb nicht, weil hiernach nur die neue Feldeinteilung zu erläutern ist. Im Übrigen erfolgt dies hiernach auch nur "auf Antrag". Dass die Kläger einen solchen Antrag gestellt haben, haben sie selbst nicht vorgetragen. Unabhängig davon sind sie seitens der hiermit beauftragten Vermessungsingenieure ... mit Schreiben vom 6. September 2016 aber auch "zur Anzeige und Erläuterung der neuen Grenzen Ihrer Flurstücke" zu einem Ortstermin am 30. September 2016 um 10.00 Uhr eingeladen worden. Soweit die Kläger darlegen, sie hätten hierauf am Vortage dieses Ortstermins auch reagiert, indem sie Herrn ... telefonisch über das hiesige gerichtliche Verfahren informiert hätten und seien deshalb davon ausgegangen, mit Blick hierauf werde "die Vermessung und Pfahlsetzung des Flurstücks 36 der Flur 11 ohne Bevollmächtigten bis zur Gerichtsverhandlung nicht stattfinden", ergibt sich daraus jedenfalls kein Verstoß gegen das Erläuterungsgebot in § 65 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Bezug auf die "neue Feldeinteilung". Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Annahme der Kläger, durch das vorliegende Klageverfahren sei der Beklagte gehindert, die vorläufige Besitzeinweisung um- bzw. fortzusetzen, verfehlt ist. Denn die vorliegend nur erhobene Klage hat wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung der vorläufigen Besitzeinweisung im Bescheid vom 7. Mai 2015 sowie der 1. Änderung im Bescheid vom 6. Juli 2016 keine aufschiebende Wirkung.
Den materiell-rechtlichen Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist auch insoweit genügt, als die endgültigen Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke vorliegen und das Verhältnis der Abfindung zu dem Eingebrachten feststeht. Insoweit ist auf die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung vom 16. Oktober 2008 sowie die 1. Änderung der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung vom 21. März 2011 sowie die 2. Änderung vom 15. September 2015 zu verweisen, die als eigenständige Verwaltungsakte sämtlich ordnungsgemäß in den örtlichen Amtsblättern öffentlich bekannt gemacht wurden (zur Zulässigkeit vgl. § 32 Satz 3 FlurbG) und mangels Einlegung von Widersprüchen hiergegen bestandskräftig geworden sind.
Soweit die Kläger die fehlende Wertgleichheit der Abfindung beanstanden, gilt im rechtlichen Ausgangspunkt Folgendes: Die vorläufige Besitzeinweisung nimmt den Beteiligten nicht das Recht, später den Flurbereinigungsplan gemäß §§ 59 und § 44 FlurbG voll überprüfen zu lassen, und kann im Hinblick auf die fehlende Bezugnahme auf § 44 FlurbG grundsätzlich auch nicht mit der Begründung angefochten werden, die dortigen Regelungen über die Wertgleichheit seien verletzt. Gerügt werden kann insoweit vielmehr nur, dass die vorübergehende Nutzung bis zur Planausführung unzumutbar ist. Abfindungsmängel können deshalb zur Rechtswidrigkeit einer vorläufigen Besitzeinweisung ausnahmsweise dann führen, wenn zwischen Einlage und Abfindung entgegen § 44 Abs. 1 FlurbG offensichtlich ein grobes Missverhältnis besteht oder die vorläufige Besitzeinweisung offensichtlich zu einem unzumutbaren Eingriff in die bisherige Struktur des betroffenen Betriebs führt (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: vgl. zuletzt Beschluss vom 12. November 2010 - 9 B 41/10 -, juris Rz. 4 m.w.N.; Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rz. 20 f.).
Ein offensichtlich unzumutbarer Eingriff in die bisherige Struktur eines Betriebs der Kläger durch die streitgegenständliche vorläufige Besitzeinweisung kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil diese mit den hier betroffenen Grundstücken keinen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb führen.