Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 05.12.2002 - 8 K 3/02 (Lieferung 2005)
Aktenzeichen | 8 K 3/02 | Entscheidung | Urteil | Datum | 05.12.2002 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Magdeburg | Veröffentlichungen | Lieferung | 2005 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | § 61a LwAnpG beinhaltet eine eigene Regelung der vorläufigen Besitzregelung, neben der eine vorläufige Besitzregelung nach § 65 FlurbG i.V.m. § 63 Abs. 2 LwAnpG nicht in Betracht kommt. |
2. | Bei der vorläufigen Besitzregelung nach § 61a LwAnpG genügt es, wenn Einlage und Besitzstücke in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die Grenze zur Rechtswidrigkeit wird erst überschritten, wenn die Zuteilung der neuen Flächen in einem groben Missverhältnis zur Einlage steht. |
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet. Die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zu Unrecht hat der Beklagte die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung auf § 65 FlurbG i.V.m. § 63 Abs. 2 LwAnpG gestützt. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG können in einem Flurbereinigungsverfahren die Beteiligten in den Besitz der neuen Grundstücke vorläufig eingewiesen werden, wenn deren Grenzen in die Örtlichkeit übertragen worden sind und endgültige Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten feststeht. Zwar sind nach § 63 Abs. 2 LwAnpG für die Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in einem Bodenordnungsverfahren grundsätzlich die Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes sinngemäß anzuwenden. Dies gilt jedoch, wie die Formulierung "im Übrigen" in § 63 Abs. 2 LwAnpG belegt, nicht, wenn das Landwirtschaftsanpassungsgesetz in den vorangegangenen Bestimmungen eine eigene Regelung getroffen hat. Dies ist für den vorliegenden Fall durch den mit Gesetz vom 3. Juli 1991 (BGBl. I S. 1410) eingefügten § 61a LwAnpG über die vorläufige Besitzregelung geschehen. Nach § 61a Abs. 1 LwAnpG kann, um die Bewirtschaftung des Grund und Bodens in der Land- und Forstwirtschaft zu gewährleisten, den Beteiligten der Besitz neuer Grundstücke (Besitzstücke) vorläufig zugewiesen werden, wenn Nachweise für das Verhältnis der Besitzstücke zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten vorliegen.
Aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergibt sich, dass der Gesetzgeber die bisher getroffenen Regelungen als unzureichend angesehen und eine spezielle Neuregelung für die in den neuen Bundesländern vorgefundenen Bedürfnisse geschaffen hat (BT-Drs. 12/161 S. 11 zu Nr. 14).
Mit der vorläufigen Regelung möglichst durch Zuweisung arrondierter Besitzstücke sollte der späteren Regelung der Eigentumsverhältnisse nicht vorgegriffen werden (BT-Drs. 12/404 S. 19 zu Nr. 23). Auch in der Literatur wird der Charakter der vorläufigen Besitzregelung als ein Provisorium für eine Übergangszeit bis zum Bodenordnungsplan hervorgehoben, das den Teilnehmerrechten zwar so weit wie möglich entsprechen muss, ihre volle Wahrung aber in den Bodenordnungsplan verlagert (Schweizer-Thöne, Das Recht der landwirtschaftlichen Betriebe in den neuen Bundesländern, 1993, S. 225; Schweizer, Das Recht der landwirtschaftlichen Betriebe nach dem LwAnpG , 2. Aufl. 1994, S. 575).
Die vom Gesetzgeber festgestellte Lücke im Landwirtschaftsanpassungsgesetz bestünde nicht, wenn die Vorschrift über die vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG über § 63 Abs. 2 LwAnpG auch im Bodenordnungsverfahren Anwendung finden könnte. Die sinngemäße Anwendung des Flurbereinigungsgesetzes, namentlich der Vorschriften zur vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG, wurde bei der Diskussion um die Einfügung des § 61a LwAnpG verworfen, weil die darin geforderten verfahrenstechnischen und -rechtlichen Voraussetzungen für die provisorischen Besitzzuweisungen fehlten (vgl. Thöne, Die agrarstrukturelle Entwicklung in den neuen Bundesländern, 1993 unter 5.3.2.7. S. 157).
Man kann auch nicht, wie der Beklagte meint, von einem Nebeneinander beider Rechtsinstitute ausgehen, weil der Gesetzgeber den besonderen Verhältnissen und Umständen der Bodenneuordnung in den neuen Bundesländern durch eine Spezialregelung Rechnung tragen wollte, die einerseits wegen der Dringlichkeit die Anforderungen an eine vorläufige Besitzregelung gegenüber der vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG mildert, andererseits aber deren Vorläufigkeit gegenüber der Aufstellung und Ausführung des Bodenordnungsplans betont.
Dieser besonderen Intention des Gesetzgebers würde es nicht entsprechen, wenn bereits ohne Aufstellung eines Bodenordnungsplans eine vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG erfolgen dürfte. Die im Flurbereinigungsverfahren in der Regel bereits vor der Flurbereinigung gesicherte Nutzbarkeit der land- und forstwirtschaftlichen Flächen (vgl. Dippold, Vorläufige Besitzregelung in der Flurneuordnung RdL 1992, 171, 172) fehlt bei der Bodenordnung in den neuen Bundesländern und macht daher eine abschließende Spezialregelung erforderlich, wie sie in § 61a LwAnpG erfolgt ist. Wenn, worauf Dippold a.a.O. hinweist, bei Einführung der vorläufigen Besitzregelung in das Landwirtschaftsanpassungsgesetz die im Flurbereinigungsgesetz normierte vorläufige Besitzeinweisung "Pate gestanden hat", so spricht dies ebenfalls dafür, dass die Regelung in § 61a LwAnpG die Anwendbarkeit der Regelung in § 65 FlurbG ersetzen sollte.
Die angefochtene Anordnung ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil sie ebenso wie der Widerspruchsbescheid auf § 65 FlurbG gestützt ist. Sie bleibt vielmehr rechtmäßig, wenn sich die Anordnung nach einer anderen als der von der Behörde angegebenen Rechtsgrundlage als rechtmäßig erweist, ohne dass an der Anordnung etwas Wesentliches geändert werden müsste (BVerwGE 80, 96, 98; Beschluss vom 12.12.1991 - BVerwG 1 B 164.91 - InfAuslR 1992, 38; Beschluss vom 5.2.1993 - 7 B 107/92 -, NVwZ 1993, 976 f.).
Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen einer vorläufigen Besitzregelung nach § 61a LwAnpG vor.
Es genügt bei der vorläufigen Besitzregelung nach § 61a LwAnpG, wenn Einlage und Besitzstücke im Interesse der Gleichbehandlung aller Beteiligten auch im Übergangszustand der vorläufigen Besitzregelung in "einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen", wobei "insbesondere die Betriebsstruktur der Beteiligten, der eingebrachte Flächenbestand und - soweit erforderlich - dessen Wert herangezogen werden können" (BT-Drs. 12/161 a.a.O). Eine Grenze wird erst erreicht, wenn die Zuteilung der neuen Fläche in einem groben Missverhältnis zur Einlage steht (Dippold a.a.O. unter Hinweise auf die Rechtsprechung des BVerwG RdL 1967, 219 zu § 65 FlurbG).
Ungeachtet der Frage, ob Einwendungen der Klägerin gegen die Wertermittlung und Abfindung im Anfechtungsprozess gegen die vorläufige Besitzregelung überhaupt vorgebracht werden können (für die vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG verneinend: BVerwG, Beschluss vom 31.10.1966 - IV B 2.66 - RdL 1967, 219), ist jedenfalls ein derartiges grobes Missverhältnis bei der Neuverteilung und Zuweisung der Grundflächen im vorliegenden Fall bereits nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin zu verneinen: Die Klägerin beanstandet im Wesentlichen, dass bei der Wertermittlung ihrer Grundflächen eine Nutzungsart zugrunde gelegt worden sei, die mit der wahren heutigen Nutzung nicht übereinstimme, und konkretisiert dies an einzelnen Flurstücken aus ihrem Grundbesitz.