Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.04.2007 - 8 C 13.06 = RdL 2008, 50 (Lieferung 2008)
Aktenzeichen | 8 C 13.06 | Entscheidung | Urteil | Datum | 25.04.2007 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 2008, 50 | Lieferung | 2008 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der Restitutionsanspruch kann sich auf ein im Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz zugeteiltes Abfindungsgrundstück erstrecken, das nach § 61 Abs. 2 LwAnpG an die Stelle des geschädigten Grundstücks getreten ist. |
Aus den Gründen
Mit seiner Auffassung, dass die Rückgabe des Grundstücks Nr. 394 der Gemarkung S. schon daran scheitere, dass die Kläger für den Verlust des ursprünglich begehrten Grundstücks 17/7 der Gemarkung Groß B. nur zu entschädigen seien, weil die Rückgabe dieses Grundstücks wegen seiner Einbeziehung in ein Bodenordnungsverfahren unmöglich geworden sei, verletzt das Verwaltungsgericht § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG.
Danach ist die Rückübertragung des Eigentumsrechts oder sonstiger Rechte an Vermögenswerten ausgeschlossen, wenn dies von der Natur der Sache her nicht mehr möglich ist. Mit dem Begriff der Unmöglichkeit von der Natur der Sache her soll in § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG nichts anderes ausgedrückt werden, als dass ungeachtet faktisch und rechtlich möglicher Rückgabe eine Restitution wegen der damit einhergehenden Folgen, nämlich der Gefährdung der zwischenzeitlich geänderten Nutzung des Vermögenswerts, vernünftigerweise nicht in Betracht kommen kann. Mit diesem Ausschlusstatbestand will der Gesetzgeber erreichen, dass eine Rückgabe generell nicht stattfindet, wenn dies im Hinblick auf die dadurch eintretenden Folgen, insbesondere wegen der dadurch hervorgerufenen schwerwiegenden Konfliktsituationen unvernünftig wäre. Denn damit würde ein sozial verträglicher Ausgleich der unterschiedlichen Interessen, dem das Restitutionsrecht in seiner Gesamtheit verpflichtet ist vgl. Nr. 3 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 , von vornherein verfehlt. Wegen der Gefahr einer schwerwiegenden Konfliktsituation kann die Rückübertragung eines Grundstücks in diesem Sinne unvernünftig sein (Urteil vom 11. Januar 2001 – BverwG 7 C 11.00 – Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 5).
Nach den Erläuterungen der Bundesregierung zum Vermögensgesetz in der Fassung des Einigungsvertrages (BTDrucks 11/7831 S. 5) hatte der Gesetzgeber dabei vornehmlich die Fälle tatsächlicher Unmöglichkeit vor Augen, nämlich den Untergang des Vermögenswertes oder seine untrennbare Verbindung mit anderen Sachen, seine Vermischung oder seine Verarbeitung. Zu diesem Ausschlussgrund zählen aber auch Fälle rechtlicher Unmöglichkeit, das heißt, der tatsächlich denkbaren Rückübertragung stehen unüberwindliche rechtliche Hindernisse entgegen (vgl. Holst, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/ Neuhaus, VermG, Rn. 36 f. zu § 4; Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Rn. 18 zu § 4 VermG; Säcker-Busche, in: Säcker, Vermögensrecht Rn. 11 zu § 4). An einen solchen Fall rechtlicher Unmöglichkeit knüpft beispielsweise § 3 Abs. 1a Satz 4 VermG an, wonach ein Recht, das es wegen der Änderung der Rechtsordnung seit dem 3. Oktober 1990 nicht mehr gibt, als möglichst ähnliches Recht wiederbegründet werden muss (Urteil vom 29. Juli 1999 – BverwG 7 C 31.98 – Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 2). Es sind aber auch rechtliche Hindernisse denkbar, die nicht die Existenz des Vermögenswerts in Frage stellen, sondern nur seine Rückgabe, weil sie zur Beeinträchtigung Dritter führt, für die es keine gesetzliche Ermächtigung gibt (Beschluss vom 22. September 1997 – BverwG 7 B 157.97 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 47) oder einen Zustand zur Folge hat, der der Rechtsordnung widerspricht (Beschluss vom 24. September 1996 – BverwG 7 B 279.96 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 35).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Anspruch der Kläger auf Rückgabe des Grundstücks Nr. 394 der Gemarkung S., das die Beigeladene im Bodenordnungsverfahren als Abfindungsgrundstück für das Grundstück 17/7 der Gemarkung Groß B. erhalten hat, von der Natur der Sache her möglich. Bis zur Einbeziehung des Grundstücks 17/7 in das Bodenordnungsverfahren wäre eine Rückgabe möglich gewesen und das Grundstück zu restituieren gewesen, wenn es nicht von dem Bodenordnungsverfahren miterfasst worden wäre. Eine Rückgabe dieses Grundstücks ist zwar infolge der rechtsgestaltenden Wirkung des das Bodenordnungsverfahren abschließenden Bodenordnungsplans aus rechtlichen Gründen unmöglich geworden. Dieser Grund schlägt jedoch nicht auf die begehrte Rückgabe des Grundstücks Nr. 394 der Gemarkung S. durch.
Die Absicht des Gesetzgebers Restitution vor Entschädigung und sozialverträglicher Ausgleich unterschiedlicher Interessen wird bei der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung in zweifacher Hinsicht ins Gegenteil verkehrt. Zum einen wird der Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung unterlaufen, wenn der Grundstückstausch aufgrund des Bodenordnungsverfahrens nur unter dem Blickwinkel des eingebrachten Grundstücks gewertet wird. Zum anderen ist das Interesse der Beigeladenen am Abfindungsgrundstück aus dem Bodenordnungsverfahren gleichbleibend mit ihrem ursprünglichen Interesse. Ihr geht es nach wie vor um den Erhalt des wirtschaftlichen Werts. Dem gegenüber gerät der Gedanke der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts ins Hintertreffen, würde der Restitutionsberechtigte auf Entschädigung verwiesen, was unweigerlich die Folge eines Rückgabeausschlusses für das Abfindungsgrundstück wäre.
Bei einer Restitution eines Grundstücks, das in ein Bodenordnungsverfahren einbezogen wurde, ist entscheidend auf das Abfindungsgrundstück abzustellen, das der Restitutionsberechtigte ja auch bei zeitnaher Entscheidung über seinen Antrag erhalten hätte. Dies folgt auch aus der Wertung des Bodenordnungsverfahrens gemäß §§ 53 ff. Landwirtschaftsanpassungsgesetz LwAnpG . Es dient der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse, die nicht gleichzusetzen ist mit dem Untergang des Eigentums am vom Bodenordnungsverfahren erfassten Grundstück und der Neubegründung von Eigentum am so genannten Abfindungsgrundstück.
Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz ist dem Flurbereinigungsgesetz FlurbG nachgebildet, § 58 LwAnpG entspricht weitgehend § 44 FlurbG und § 61 LwAnpG ist § 68 FlurbG nachempfunden. Gemäß § 58 Abs. 1 LwAnpG muss jeder Teilnehmer für die von ihm abzutretenden Grundstücke durch Land vom gleichen Wert abgefunden werden. Die Flurneuordnungsbehörde fasst die Ergebnisse des Verfahrens in einem Plan zusammen, § 59 Abs. 1 LwAnpG. § 61 Abs. 2 LwAnpG sieht vor, dass zu dem in der Ausführungsanordnung zu bestimmenden Zeitpunkt der im Plan vorgesehene neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen tritt. Gemäß § 68 Abs. 1 FlurbG tritt die Landabfindung hinsichtlich der Rechte an den alten Grundstücken und der diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse, die nicht aufgehoben werden, an die Stelle der alten Grundstücke.
In Rechtsprechung und Literatur zur Umlegung von Bodenflächen ist im Übrigen anerkannt, dass die Landabfindung rechtlich ein Surrogat der alten Grundstücke ist (vgl. BGH vom 13. Februar 1969 – 3 ZR 123/68 – BGHZ 51, 341 <344 f.>; Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 7. Aufl. 1997, § 68 Rn. 2 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Durch die Umlegung geht nicht das Eigentum an dem ursprünglichen Grundstück unter; vielmehr setzt es sich an dem Abfindungsgrundstück fort (BGH vom 13. Februar 1969 a.a.O.). Mit dem Ersatz des alten Grundstücks durch die Abfindung wechselt mithin nicht das Eigentum, sondern nur das Eigentumsobjekt. Das Abfindungsgrundstück tritt in dieselben Rechtsverhältnisse ein, die an den alten Grundstücken bestanden (§ 61 Abs. 2 LwAnpG; vgl. auch § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 68 Abs. 1 FlurbG). Für das Vermögensrecht bedeutet dies, dass das Abfindungsgrundstück auch in die rechtliche "Belastung" des ursprünglichen Grundstücks mit dem Restitutionsanspruch eintritt. Die Vorschriften des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und des Flurbereinigungsgesetzes regeln den Eintritt in die Rechtsverhältnisse des ursprünglichen Grundstücks. Bei der Prüfung der Unmöglichkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG müssen die in § 61 Abs. 2 LwAnpG und § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 68 FlurbG bestimmten Rechtswirkungen der Bodenordnung Berücksichtigung finden, da allein eine solche Auslegung wie dargelegt dem Grundsatz der Wiedergutmachung Rechnung trägt.
Ein ähnlicher Rechtsgedanke wie im Landwirtschaftsanpassungs- und im Flurbereinigungsgesetz findet sich in der Bodenordnung nach dem Baugesetzbuch (§§ 45 ff. BauGB). Gemäß § 63 Abs. 1 BauGB treten die zugeteilten Grundstücke hinsichtlich der Rechte an den alten Grundstücken und der diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse, die nicht aufgehoben werden, an die Stelle der alten Grundstücke. Nichts anderes folgt aus § 13 Abs. 4 Bodensonderungsgesetz. Danach setzen sich die Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz grundsätzlich an den neugebildeten Grundstücken fort. Der Gesetzgeber wollte gerade den Sonderfall regeln, dass Grundstücke einen anderen Zuschnitt erhalten und daher unklar ist, ob das Grundstück mit dem anmeldebelasteten noch identisch ist. Grundsätzlich setzen sich bestehende vermögensrechtliche Ansprüche an den Grundstücken im Sonderungsplan fort. Sie unterliegen der Rückübertragung, wenn die dem Vermögensgesetz nachgezeichneten Ausschlussgründe nicht greifen.
Der Rückübertragung steht auch der Konnexitätsgrundsatz nicht entgegen. Er setzt die Gleichartigkeit von Schädigungs- und Restitutionsgegenstand voraus (Urteil vom 29. März 2006 – BverwG 8 C 10.04 – a.a.O. S. 7). Durch die Wertung des Gesetzgebers, dass das Abfindungsgrundstück "an die Stelle" des "alten" Grundstücks tritt und damit dingliches Surrogat ist, wird gerade der Gedanke der Gleichartigkeit im Objekt gewahrt.