Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 05.12.2002 - 8 K 2/01 = RdL 2004 S. 48 und 126 (Lieferung 2004)

Aktenzeichen 8 K 2/01 Entscheidung Urteil Datum 05.12.2002
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen RdL 2004 S. 48 und 126  Lieferung 2004

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Haben sich die Beteiligten eines Bodenordnungsverfahrens aufgrund ihrer Dispositionsbefugnis in einem behördenunterstützten Tauschverfahren nach § 54 ff. LwAnpG auf einen freiwilligen Landtausch geeinigt und dies in zu Protokoll gegebenen verbindlichen Erklärungen festgelegt, bedarf es keiner weiteren Ermittlung zur Festlegung der Wertgleichheit der Tauschgrundstücke. In dieser Form abgegebene Erklärungen sind nicht geeignet, eine Anfechtung der Vereinbarung über den freiwilligen Landtausch wegen Irrtums nach § 119 BGB zu stützen.

Aus den Gründen

Maßgeblich für die gesetzlich gewollte Herstellung BGB-konformer Rechtsverhältnisse ist die Dispositionsbefugnis der Beteiligten. Ihnen steht zur Ordnung ihrer Rechtsbeziehungen die Befugnis zur Regelung nach Maßgabe der § 54, § 55 LwAnpG mittels behördenunterstützten Tauschverfahrens bzw. ein sachenrechtliches Ordnungsverfahren nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zur Verfügung. Beim behördenbegleiteten Verfahren im Rahmen der Regelung der neuen Eigentumsverhältnisse sieht der Gesetzgeber als erste Stufe das Anstreben eines freiwilligen Landtausches nach § 54 Abs. 1 LwAnpG vor.
Diesem Ziel diente die am 9. April 1996 unter der Leitung der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH in ihrer Eigenschaft als geeignete Stelle i.S.v. § 53 Abs. 4 LwAnpG im Beisein der Klägerin und der Beigeladenen durchgeführte Verhandlung.
Bei der aus diesem Anlass zu Protokoll gegebenen Erklärung handelt es sich um eine Vereinbarung der Eigentümer der Tauschgrundstücke (Tauschpartner) über den freiwilligen Landtausch i.S.d. § 54 Abs. 2 LwAnpG, mit der - entgegen der Auffassung der Klägerin - eine rechtsverbindliche Regelung bezüglich des Flurstückes 726/492 und der aufstehenden Gebäude getroffen wurde.
Dies ergibt sich aus dem folgenden Erklärungsinhalt:

" ...3.2. Die Erschienene zu 1. (Grundstückseigentümerin) erklärt:

3.3. Die Erschienenen zu 2. (Gebäudeeigentümer) erklären:

3.4. Die Erschienene zu 1. erklärt:

Damit sind die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen hinsichtlich des Flurstücks 726/492 und der aufstehenden Gebäude im Wege des Grundstückstausches geordnet.

Die Verhandlungsniederschrift genügt auch den Anforderungen des § 130 FlurbG i.V.m. § 63 Abs. 2 LwAnpG. Sie ist den an der Verhandlung Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt (Abs. 1) und von ihnen sowie dem Verhandlungsleiter unterschrieben worden (Abs. 3). Als öffentliche Urkunde i.S.d. §§ 417, 418 ZPO besitzt sie die volle Beweiskraft über den Inhalt der abgegebenen Erklärungen und deren Vollständigkeit.

Soweit die Klägerin die Unwirksamkeit der Vereinbarung wegen etwaiger Willensmängel (§§ 116 ff. BGB) geltend macht, bleibt sie ohne Erfolg.

Bei einer am Maßstab der §§ 133, 157 BGB orientierten, verständigen Würdigung der am 9. April 1996 abgegebenen Erklärung ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Einwände der Klägerin zu stützen. Mit ihrem Vorbringen, sie sei am 9. April 1996 nicht über die rechtlichen Konsequenzen ihrer Erklärung belehrt worden, sie sei vielmehr davon ausgegangen, dass die Verhandlung lediglich der Abgabe von Absichtserklärungen diene und alles Weitere später nach einer sorgfältigen Überprüfung notariell durchgeführt werden müsse, hat sie weder darzulegen vermocht, dass das Erklärte nicht ihrem Willen entsprach, noch, dass sie über die Bedeutung bzw. Tragweite ihrer Erklärung im Irrtum gewesen ist (§ 119 Abs. 1 BGB).

Den schriftlich niedergelegten Erklärungen ist eindeutig zu entnehmen, dass die Klägerin und die Beigeladene die dort näher bezeichneten, jeweils in ihrem Eigentum stehenden Flurstücke zum Zwecke der Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum tauschen, dass es sich hierbei um eine einvernehmliche Vereinbarung über die Abfindung in Land handelt und die Klägerin sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, mit dem Flurstück der Beigeladenen (17/1, Flur 12, Gemarkung G...) abgefunden zu werden. Angesichts des Hinweises des Verhandlungsleiters, dass die Durchführung der in dieser Verhandlung erzielten Vereinbarung in dem von den Beteiligten gewünschten öffentlich-rechtlichen Verfahren erfolge, war klargestellt, dass ein notarielles Verfahren (§ 87 ff. SachenRBerG) gerade nicht durchgeführt werden würde.

Aufgrund der vorangegangenen Verhandlungen mit Vertretern der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH musste der Klägerin bewusst sein, dass sie bei der Unterzeichnung der Verhandlungsniederschrift am 9. April 1996 eine rechtlich bindende Erklärung in Bezug auf den zur Disposition stehenden Grundstückstausch einging. Ausweislich der zur Gerichtsakte gereichten Vermerke vom 15. Februar und 1. März 1996 sind der Klägerin bereits zuvor Grundstückstauschvarianten angeboten worden, die sie nach Erläuterung und Inaugenscheinnahme in der örtlichen Lage nicht akzeptiert hat. Nachdem ihr nunmehr neben zwei neuen Tauschgrundstücken auch das den Gegenstand der Vereinbarung bildende Tauschgrundstück Flurstück 17/1, Flur 12, Gemarkung G... mit einer Größe von 2,25 ha angeboten wurde, hätte sie dies - wie im Falle des vorherigen Angebots - ablehnen oder - wie geschehen - akzeptieren können. Jedenfalls musste ihr bei der später erfolgten Unterzeichnung der Verhandlungsniederschrift am 9. April 1996 klar sein, dass sie einem Grundstückstausch nunmehr rechtsverbindlich zustimmt.

Keine andere rechtliche Bewertung gebietet die am 9. November 1998 im Rahmen des Anhörungstermins über die Bekanntgabe des Bodenordnungsplans G... II abgegebene Erklärung des bevollmächtigten Ehemanns der Klägerin; denn in der Aussage, "die Wertgleichheit der Tauschfläche soll überprüft werden", liegt schon dem Wortlaut nach keine Anfechtung der Vereinbarung vom 9. April 1996.

Das auf eine Anfechtung der Vereinbarung vom 9. April 1996 gerichtete Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift vom 21. Juni 2001 scheitert an der nach § 121 Abs. 1 BGB gebotenen Unverzüglichkeit der Erklärung.

Auf die im Übrigen vorgebrachten Rügen der Klägerin hinsichtlich der Wertermittlung kommt es angesichts der rechtswirksam geschlossenen Tauschvereinbarung nicht an; das weitere Verfahren dient letztlich nur dem Vollzug der Willenserklärungen der Vertragsparteien.