RzF - 2 - zu § 53 LwAnpG

Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 17.07.2003 - 8 K 12/02 = RdL 2004 S. 47 (Lieferung 2004)

Aktenzeichen 8 K 12/02 Entscheidung Urteil Datum 17.07.2003
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen RdL 2004 S. 47  Lieferung 2004

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der Flurneuordnungsbehörde ist es im Bodenordnungsplan nach den Zielen des § 53 Abs. 1 LwAnpG nicht gestattet, zur Schlichtung von Grenzstreitigkeiten zwischen Nachbarn gestaltend und ordnend einzugreifen.

Aus den Gründen

Der Bodenordnungsplan erweist sich aus inhaltlichen Gründen als rechtswidrig, soweit darin die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück der Kläger neu geordnet werden. Zwar hat die Bodenordnungsbehörde bei der Planung i.S.d. § 59 Abs. 1 LwAnpG einen Gestaltungsspielraum. Dieser Gestaltungsspielraum findet jedoch durch die Planungsleitsätze des § 53 Abs. 1 LwAnpG gesetzliche Grenzen. Danach ist die Behörde befugt, die Eigentumsverhältnisse neu zu ordnen, wenn eine Neuordnung auf Grund des Ausscheidens von Mitgliedern einer LPG, auf Grund der Bildung einzelbäuerlicher Wirtschaften oder zur Wiederherstellung der Einheit von selbständigem Gebäudeeigentum und Eigentum am Grund und Boden erforderlich erscheint. Zwar ist es angesichts des Zwecks des Bodenordnungsverfahrens, die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse umfassend neu zu ordnen, zulässig, auch solche Flächen einzubeziehen, die selbst unmittelbar nicht durch die in § 53 Abs. 1 LwAnpG genannten Ereignisse betroffen sind, sofern die Einbeziehung dieser Flächen erforderlich ist, um etwa die Erschließung der neu geordneten Flächen sicherstellen zu können (OVG LSA, Urt. v. 07.05.1998 - C 8 S 6/97 -, RdL 1999, 100). Hier verhält es sich indes anders. Die Zuteilungen hinsichtlich der Kläger und der Beigeladenen erfolgten, um einen nachbarlichen Streit über den tatsächlichen Verlauf der Grundstücksgrenze zu regeln. Diese Bemühungen des Beklagten, den Streit zu durch eine hoheitliche Entscheidung zu befrieden, sind zwar anerkennenswert, finden jedoch im Gesetz eine Stütze nicht. Das Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz dient dazu, die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen einer LPG und ihren Mitgliedern hinsichtlich der eingebrachten Grundstücke zu regeln und dazu, die zu DDR-Zeiten auseinandergefallenen Eigentumsrechte an Gebäuden auf der einen und Grund und Boden auf der anderen Seite entsprechend den nunmehr geltenden privatrechtlichen Bestimmungen neu zu ordnen. Sofern dieser Gesetzeszweck die Einbeziehung weiterer Grundstücke erforderlich macht, kann die Bodenordnungsbehörde auch diesbezüglich Regelungen treffen. Nicht gestattet ist es ihr jedoch, unabhängig von den in § 53 Abs. 1 LwAnpG umschriebenen Zielen etwa zur Schlichtung von Grenzstreitigkeiten zwischen Nachbarn gestaltend und ordnend einzugreifen. Vielmehr hat die Bodenordnungsbehörde das Verfahren hinsichtlich der betroffenen Grundstücke, soweit sich die betroffenen Teilnehmer nicht einigen, einzustellen oder aber auszusetzen, bis der Grenzverlauf durch ein zivilgerichtliches Urteil auf der Grundlage der §§ 919 f. BGB oder - in den Fällen des § 1 BoSoG - einen bestandskräftigen Bodensonderungsbescheid i.S.d. § 9 BoSoG festgestellt ist (ebenso für das Flurbereinigungsverfahren OVG Münster - Flurbereinigungsgericht - U. v. 27.11.1972 - IX G 49/70 - RzF - 3 - zu § 30 FlurbG, Haselhoff RdL 1992, 197, 199).

Ungeachtet der vorstehenden Erwägungen ist der Bodenordnungsplan des Beklagten hinsichtlich der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an dem streitbefangenen Grundstück auch deshalb rechtswidrig, weil angesichts des zwischen den Klägern und den Beigeladenen umstrittenen Grundverlaufs nicht feststellbar ist, ob die Kläger i.S.d. § 58 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG durch Land vom gleichen Wert abgefunden worden sind. Gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG, § 27 Satz 1 FlurbG ist der Wert der alten Grundstücke zu ermitteln, um die Teilnehmer mit Land von gleichem Wert abfinden zu können. Voraussetzung für eine sachgerechte Wertermittlung ist, dass die Flurneuordnungsbehörde Größe und Lage des eingebrachten Grundstücks kennt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil der Grenzverlauf strittig ist.

Zwar ist bei der Wertermittlung hinsichtlich der Größe der Grundstücke in der Regel die Eintragung im Liegenschaftskataster maßgebend. Eine Anwendung dieser Bestimmung kommt jedoch, wie der Beklagte zu Recht erkannt hat, nicht in Betracht, weil es an eindeutigen widerspruchsfreien Katasterangaben fehlt. Die vom Beklagten vorgelegten Kartenunterlagen sind widersprüchlich. Nach der zeichnerischen Darstellung in einer Karte aus dem Jahre 1865 weist die Grenze zwischen den heutigen Grundstücken der Kläger und der Beigeladenen einen geraden Verlauf auf. Entsprechendes gilt nach der Darstellung in einer 1937 gefertigten Flurkarte sowie für die Darstellung in einem Fortführungsriss aus dem Jahre 1974, der anlässlich der Teilung der im Nordwesten an das Grundstück der Kläger angrenzenden Flurstücke 126/52 und 127/52. Allerdings soll die Grundstücksgrenze zwischen dem Grundstück der Kläger und dem südöstlich angrenzenden Grundstück der Beigeladenen nach dem Lageplan entlang der Rückwand des Stallgebäudes der Kläger verlaufen. Der vom Beklagten gezogene Schluss, die Ostwand des Stallgebäudes bilde die Grenze, weil der Rechtsvorgänger der Kläger in der Grenzverhandlung aus dem Jahre 1974 gegen diese zeichnerische Darstellung Einwendungen nicht erhoben hat, ist jedoch nicht zwingend. Denn Gegenstand der Grenzverhandlung war nicht die Grenze zwischen dem Gründstück der Kläger und dem im Südosten angrenzenden Grundstück der Beigeladenen, sondern der Grenzverlauf zwischen dem Grundstück der Kläger und dem im Nordwesten angrenzenden Flurstück 126/52.

Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Flurneuordnungsbehörde nicht in entsprechender Anwendung des § 56 Satz 3 FlurbG die Befugnis zu, die Grenzen festzulegen. Danach können die nach § 56 Satz 2 FlurbG erforderlichen Grenzanerkennungen durch die Eigentümer der an das Flurbereinigungsgebiet angrenzenden Grundstücke durch Bestimmungen des Flurbereinigungsplans ersetzt werden. Die unmittelbare Anwendbarkeit der Regelung kommt nicht in Betracht, weil die streitige Grenze nicht die Außengrenze des Flurbereinigungsgebietes ist. Für eine entsprechende Anwendung dieser Regelung besteht ein Bedürfnis jedenfalls in den Fällen nicht, in denen die Einbeziehung der Grundstücke - wie hier - nicht erforderlich ist, um das Flurbereinigungsgebiet unter Beachtung der Landschaftsstruktur, den gegeneinander abzuwägenden Interessen der Beteiligten, den Interessen der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung und den Erfordernissen des Wohls der Allgemeinheit entsprechend neu zu gestalten (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Die Beilegung eines nachbarlichen Grenzstreits ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Bodenneuordnungs- oder Flurbereinigungsverfahrens. Ohne Erfolg macht der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend, die Behörde dürfe die Grenze feststellen, weil sie nach § 37 Abs. 1 Satz 4 FlurbG sogar dazu befugt sei, Grundstücksgrenzen zu verschieben, um einen Überbau zu beseitigen. Denn anders als bei der Beseitigung einer Überbauung von unstreitigen Grenzen, wo die Beteiligten für die eingebrachten Flächen in Land oder Geld abgefunden werden, ist im vorliegenden Fall wegen des streitigen Grenzverlaufs nicht feststellbar, in welchem Umfang die Kläger Grundeigentum eingebracht haben.

Das folgt auch aus der Regelung in den §§ 5 Abs. 7 Satz 1, 12 Satz 1 BoSoG. Gemäß § 5 Abs. 7 Satz 1 BoSoG ist ein Bodensonderungsverfahren unzulässig, solange ein Verfahren nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes anhängig ist. Die Sonderungsbehörde kann Bodensonderungsverfahren aussetzen, soweit im Plangebiet ein Bodenordnungs- oder Flurbereinigungsverfahren eingeleitet wird. Zweck dieser gesetzlichen Regelung, die nach dem Wortlaut der Bestimmungen einen Vorrang des Bodenordnungs- bzw. Flurbereinigungsverfahrens vor einem Bodensonderungsverfahren vorsehen, ist es, die Einleitung eines Bodensonderungsverfahrens zu verhindern, solange der Zweck des Verfahrens, die Eigentumsverhältnisse entsprechend den tatsächlichen Gegebenheiten neu zu ordnen, im Flurbereinigungs- oder Bodenordnungsverfahren erreicht werden kann (BT-Drucks. 12/5553, S. 143). Kann eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nicht erreicht werden, so steht das Flurbereinigungsverfahren unter dem Vorbehalt des Abschlusses des Bodensonderungsverfahrens. Denn eine Flurneuordnung setzt - wie der Gesetzgeber zutreffend erkannt hat - stets die Feststellung des Bestandes voraus (BT-Drucks. 12/5553, S. 149).