Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 25.10.1982 - 9 C 10/82 = RdL 1984 S. 154

Aktenzeichen 9 C 10/82 Entscheidung Urteil Datum 25.10.1982
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen RdL 1984 S. 154  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Wenn ein ursprünglich für zwei Gemarkungen gemeinsam angeordnetes Zusammenlegungsverfahren nachträglich - nachdem es neun Jahre geruht hat - in zwei nach Gemarkungen getrennte selbständige Verfahren geteilt wird, steht vor Anordnung des Teilungsbeschlusses den durch das Verfahren betroffenen Grundstückseigentümern ein erneuter Anhörungsanspruch zu.

Aus den Gründen

Die an der Zusammenlegung voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer haben gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 FlurbG neben der landwirtschaftlichen Berufsvertretung, der Gemeinde und dem Gemeindeverband einen Anhörungsanspruch. Die danach vorzunehmende Anhörung setzt für die Durchführung eines Zusammenlegungsverfahrens unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß vom 7. Oktober 1980 zur Anhörung der von der Festsetzung der Lärmschutzbereiche nach § 4 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm betroffenen Gemeinden (vgl. BVerfGE 56/298 (321)) voraus, daß die Anzuhörenden von Umfang und Ausmaß des zu erlassenden Rechtsaktes so rechtzeitig Kenntnis erhalten, daß sie ihre Vorhaben als Landwirte und Grundstückseigentümer sowie ihre etwaigen Einwendungen so rechtzeitig vortragen können, daß sie spätestens vor der abschließenden Entscheidung über die Anordnung des Zusammenlegungsverfahrens der anordnenden Dienststelle vorliegen. Die Notwendigkeit dieser Anhörung ergibt sich direkt aus dem Flurbereinigungsgesetz, das in § 92 Abs. 1 bestimmt, daß in der Zusammenlegung ländlicher Grundbesitz unter Mitwirkung der Gesamtheit der Beteiligten Grundstückseigentümer wirtschaftlich zusammengelegt, zweckmäßig gestaltet oder neu geordnet wird. Dieses Ziel kann aber die anordnende Behörde nur dann erreichen, wenn sie die sachbezogenen Stellungnahmen und Einwendungen der von dem in Aussicht genommenen Verfahren Betroffenen zu dem geplanten Vorhaben durch deren Anhörung zu einem Zeitpunkt erfährt, in dem diese noch gestaltend in die anzuordnende Maßnahme - hier den Zusammenlegungsbeschluß - einfließen können. Diesem Anhörungsanspruch ist angesichts der damit vom Gesetzgeber verfolgten Ziele nicht nur bei der Einleitung des Verfahrens, sondern auch bei jeder erheblichen Änderung des Verfahrensgebietes Rechnung zu tragen (vgl. hierzu auch Urteil des Landgerichts Frankenthal, Kammer für Baulandsachen vom 15. Oktober 1982 - 2 o (Baul) 25/82 - zur Frage der Erörterung des Umlegungsplanes mit den Eigentümern gemäß § 66 BBauG), unabhängig davon, ob die Berechtigten von dem Anhörungsrecht Gebrauch machen oder nicht. Eine solche, eine erneute Anhörung nach § 93 Abs. 2 Satz 2 FlurbG erfordernde erhebliche Änderung des Verfahrensgebietes ist insbesondere dann anzunehmen, wenn - wie hier - das ursprünglich einheitlich für zwei Gemarkungen eingeleitete Verfahren später nach Gemarkungen geteilt und der Teilungsbeschluß, der ausdrücklich auf die für die Anordnung der Zusammenlegung geltende Vorschrift des § 93 Abs. 2 Satz 1 FlurbG gestützt ist, damit begründet wird, daß die von dem ursprünglichen Einleitungsbeschluß erfaßten Gemarkungen D. und St. verschiedene Strukturen besäßen und die zweckmäßige Neugestaltung der Gemarkungen teilweise nach unterschiedlichen Planungsgrundsätzen erfolgen müsse. Denn wenn der Beklagte die Voraussetzungen für die Fortführung eines ursprünglich für zwei Gemarkungen gemeinsam angeordneten Zusammenlegungsverfahrens - aus welchen sachlichen Gründen auch immer - nicht mehr für gegeben und eine Teilung des gemeinsamen Verfahrensgebietes in zwei nach Gemarkungen getrennte selbständige Verfahren für geboten hält, so steht den durch das Verfahren betroffenen Grundstückseigentümern, deren Interesse das Verfahren zu dienen hat (§ 19 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) wie auch der landwirtschaftlichen Berufsvertretung, der Gemeinde und dem Gemeindeverband ein erneuter Anhörungsanspruch zu, da nur so Gelegenheit gegeben ist, ihre, der neuen Sachlage angepaßten Stellungnahmen und Einwendungen in den neuen Zusammenlegungsbeschluß einfließen zu lassen. Der Teilungsbeschluß ist schon deshalb für rechtsfehlerhaft anzusehen, weil bei seinem Erlaß im Jahre 1981 bereits 10 Jahre seit der Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens D.-St. vergangen waren und somit auf die zufolge den Gründen des Widerspruchsbescheides des Beklagten vor 10 Jahren vorausgegangene "ausreichende Unterrichtung und Aufklärung der Beteiligten" nicht mehr zurückgegriffen werden konnte. Vielmehr hätte dem durch Zeitablauf neuentstandenen Anhörungsanspruch im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 2 FlurbG entsprochen werden müssen. Ein neuer Rechtsanspruch auf Anhörung steht den Betroffenen deshalb zu, weil im vorliegenden Falle die die Durchführung eines Zusammenlegungsverfahrens rechtfertigenden Umstände sich seit der Einleitung im Jahre 1971 offenbar so grundlegend geändert haben, daß der Beklagte sich veranlaßt gesehen hat, das Verfahrensgebiet durch den angefochtenen Beschluß zu teilen und getrennt nach Gemarkungen durchzuführen.

Die vorausgehende Anhörung der Betroffenen im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 2 FlurbG war aber auch deshalb für den Erlaß des angefochtenen Teilungsbeschlusses unumgänglich, weil mit diesem Beschluß das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren D. rechtlich und tatsächlich überhaupt erst im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 1 FlurbG eingeleitet worden ist. Es muß hier nämlich gesehen werden, daß das im Jahre 1971 eingeleitete Zusammenlegungsverfahren D.-St. im Jahre 1972 unmittelbar nach Abwicklung der damals gegen den Anordnungsbeschluß eingelegten Rechtsmittel für die Dauer von rund 9 Jahren für ruhend erklärt war und überhaupt nicht betrieben worden ist.

In diesem Zusammenhang bedarf es zwar keiner Entscheidung der Frage, ob eine Anhörung im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 2 FlurbG auch dann erneut vorzunehmen ist, wenn ein vor 10 Jahren nach Anhörung der Betroffenen ordnungsgemäß eingeleitetes Zusammenlegungsverfahren, das bisher nicht betrieben worden ist, nun in dem ursprünglich vorgesehenen Verfahrensgebiet durchgeführt werden soll. Der Senat neigt jedoch dazu, schon alleine diesen Zeitablauf von 10 Jahren als eine wesentliche, eine erneute Anhörung im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 2 FlurbG erfordernde Änderung der zusammenlegungserheblichen Umstände zu betrachten.