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von Anonymer Benutzer

RzF - 2 - zu § 69 FlurbG

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.11.1969 - IV C 104.66 = BVerwGE 34, 205= Buchholz BVerwG 424.01 § 69 FlurbG Nr. 1= RdL 1970 S. 77= MDR 1970 S. 555= IK 1971 S. 24

Aktenzeichen IV C 104.66 Entscheidung Urteil Datum 16.11.1969
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 34, 205 = Buchholz BVerwG 424.01 § 69 FlurbG Nr. 1 = RdL 1970 S. 77 = MDR 1970 S. 555 = IK 1971 S. 24  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Frage der Rechtsnatur des vom Nießbraucher zu leistenden Kostenanteils.
2. Zur Frage der Angemessenheit des vom Nießbraucher zu leistenden Kostenanteils.

Aus den Gründen

Mit der zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte (= Teilnehmergemeinschaft) dagegen, daß ihr Beschluß in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 26.5.1964 aufgehoben worden sei und die Klägerin von der Beitragspflicht freigestellt werde. Schon der Wortlaut des Gesetzes zeige, daß eine Pflicht der Beklagten bestehe, den Nießbraucher in Anspruch zu nehmen. Die Beitragspflicht sei eine auf den im Flurbereinigungsgebiet liegenden Grundstücken ruhende öffentliche Last, die als Ertragslast aus den Erträgen und nicht aus der Substanz zu leisten sei. Bei der Frage der Angemessenheit des vom Nießbraucher zu leistenden Kostenanteils seien objektive Maßstäbe anzuwenden. Daher könne es nicht auf ein etwaiges Überwiegen der Einkünfte, auf den größeren oder geringeren Vorteil aus der Flurbereinigung, auf die Wirtschaftsweise des Nießbrauchers und auch nicht auf die persönlichen Verhältnisse der Beigeladenen ankommen. Vielmehr sei die sogenannte tragbare Belastung, die auf dem Reinertrag beruhe, maßgebend. Der angemessene Teil sei dann unter Berücksichtigung der Lebenserwartung festzustellen.

Zu Unrecht hält die Klägerin dem entgegen, daß es der Beklagten im Grund gleichgültig sein könne, ob sie den unanfechtbar festgestellten Geldbeitrag (§ 19 FlurbG) teils vom Eigentümer und teils vom Nießbraucher oder im vollen Umfange von dem Eigentümer erhält. Dem stehen Sinn und Zweck des § 69 FlurbG entgegen, einer Vorschrift, die die Behörde bei Vorliegen eines Antrags nach § 71 FlurbG verpflichtet, den Nießbraucher angemessen an den Kosten der Flurbereinigung, die auf den betreffenden Eigentümer wegen seiner Teilnahme an dem Flurbereinigungsverfahren entfallen, zu beteiligen. Eine andere Auffassung würde dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift auch deswegen widersprechen, weil die Flurbereinigungsbehörde dann in jedem Falle diese Vorschrift einfach unbeachtet lassen und sich somit einer ihr gesetzlich auferlegten Verpflichtung entziehen könnte. Diese Vorschrift ist indessen zwingend und läßt der Behörde keine Möglichkeit, sich von einer Entscheidung insoweit zu dispensieren und damit ihre Rechtsposition als Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen der Aufgabe der Vollstreckungsmöglichkeit gegen den Nießbraucher zu schmälern zu ihrem eigenen Nachteil und damit zugleich zum Nachteil der übrigen Teilnehmer. Soweit der Nießbraucher danach einen Beitrag zu leisten hat, wird der Eigentümer von seiner Verpflichtung gegenüber der Teilnehmergemeinschaft befreit (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 14. August 1959 in RdL 1959, 332 (333)) - jedenfalls zunächst, sofern er nicht etwa in der Zukunft als Rechtsnachfolger für die Schuld des Nießbrauchers eintreten muß. Mit Rücksicht darauf, daß, wie im vorliegenden Fall, der Nießbraucher an den Eigentümer kein Entgelt für sein Nießbrauchsrecht zu zahlen hat, würde die Möglichkeit, notfalls im Vollstreckungswege die Flurbereinigungskosten beizutreiben, insbesondere erschwert, wenn die Beklagte nur einen Vollstreckungstitel gegen die - hier sogar im Ausland wohnende - Eigentümerin hätte.

Auszugehen ist von dem Wortlaut und dem Sinn der einschlägigen Vorschrift, nach der der Nießbraucher einen angemessenen Teil der dem Eigentümer zur Last fallenden Beiträge (§ 69 FlurbG) zu leisten hat. Irgendein Anhaltspunkt dafür, nach welchen Gesichtspunkten die Angemessenheit in diesem Falle sich richten soll, ist im Gesetz nicht enthalten. Da die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher nach der Erfahrung des täglichen Lebens von ganz unterschiedlicher Art sein können, kann es nicht Aufgabe der Behörde sein, hier in eine genaue Berechnung etwa des Ertrags- oder Verkehrswertes einerseits des Eigentums und andererseits des Nießbrauchs, einzutreten und danach bis ins einzelne festzustellen, was ein "angemessener Teil" der Beiträge des Eigentümers ist. Dies verbiete sich schon deswegen, weil es mit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren wäre, eine komplizierte Berechnung vorzunehmen, insbesondere dann nicht, wenn, wie im vorliegenden Fall, von einem Gesamtkomplex von über 7 ha nur ein Teil von 1,622 ha überhaupt an dem Flurbereinigungsverfahren beteiligt ist. Vielmehr handelt es sich nach Überzeugung des erkennenden Senats hier um eine mit § 161 Abs. 2 VwGO vergleichbare Billigkeitsentscheidung, bei der in erster Linie die in Frage stehenden Werte, insbesondere die Höhe der Nutzungen, aber je nach Sachlage auch das Innenverhältnis, die Sicherheit des in Betracht kommenden Schuldners und die Zumutbarkeit der ihn treffenden Belastungen berücksichtigt werden können und müssen. Nur eine Entscheidung, die in grobem Mißverhältnis dazu steht, wird von den Gerichten beanstandet werden können.

Ausgehend von der Erkenntnis, daß der Nießbrauch an einem Grundstück seinem Wesen nach für den Eigentümer eine dingliche Belastung des Grundeigentums für die Dauer des Nießbrauchs darstellt, die umgekehrt für den Nießbraucher das beschränkt dingliche Recht begründet, die Nutzungen aus dem Grundstück zu ziehen (§ 1030 BGB), ist dieses Verhältnis zu berücksichtigen, das vor allem von dem Alter des Nießbrauchers und von der Dauer seines Rechts abhängig ist. Das Nießbrauchsrecht der im Zeitpunkt des Erlasses des Beschwerdebescheids fast 65 Jahre alten Klägerin mag zwar, da es unbeschränkt auf Lebenszeit bestellt worden ist, noch sehr lange Zeit Bestand haben, es ist indessen nach der Lebenserfahrung und nach den Grundsätzen des Bewertungsgesetzes (§ 16) nur mit etwa einem Drittel des Wertes eines landwirtschaftlichen Betriebes anzusetzen (§ 36 Abs. 2 Satz 3 Bewertungsgesetz 1965). Ob man bei einem Nießbrauch von anderen Gesichtspunkten auszugehen hat, wenn dieser sich etwa auf ein Mietwohngrundstück bezieht, braucht hier nicht entschieden zu werden, da unstreitig im vorliegenden Falle nur landwirtschaftlich genutzte Grundstücke in Rede stehen. Jedenfalls mag die Überlegung, in welchem Verhältnis Eigentum und Nießbrauch nach dem Bewertungsgesetz stehen, ein gewisser, grober Anhalt für die Entscheidung über die Angemessenheit des Teiles sein, den der Nießbraucher zu tragen hat. Nur wenn die Nutzung des Nießbrauchers in offensichtlichem Mißverhältnis zu dem Wert des Eigentums steht, wird man davon abgehen können und müssen. Nach den tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil betragen die Nutzungen der Klägerin ca. 250 DM monatlich bei offenbar freiem Wohnrecht. Dies gibt unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Klägerin kein weiteres Entgelt für ihr Nießbrauchsrecht zu leisten hat, keinen Anlaß, hier etwa Beanstandungen hinsichtlich des angemessenen Teils zu erheben, den der Spruchausschuß festgesetzt hat. Das vertragliche Innenverhältnis würde im vorliegenden Falle weder nach der einen noch nach der anderen Seite einen Einfluß ausüben können, weil es sich nicht ohne weiteres eindeutig aus dem Vertrage ergibt. Nach den im Übergabevertrage erwähnten Vorschriften des BGB hätte die Klägerin die gesamten Flurbereinigungskosten zu tragen (Palandt, 24. Aufl., Anm. 3 b zu § 1047 BGB). Andererseits hat die Klägerin alle Lasten und sonstigen öffentlichen Abgaben der ihrem Nießbrauch unterliegenden Grundstücke übernommen (Ziff. V des Vertrages). Es kann im Rahmen der hier zu treffenden Entscheidung nicht Aufgabe der Behörde sein, sich in solchen Fällen einer mehr oder weniger schwierigen Auslegung zu unterziehen und deswegen etwa sich noch einem Rechtsstreit darüber auszusetzen, wie die Verträge auszulegen sind. Vielmehr liegt es nahe, für das Flurbereinigungsgebiet allgemein die Belastungsfähigkeit der Grundstücke mit solchen Kosten als Maßstab zugrunde zu legen, gegen den hier von keiner Seite Beanstandungen erhoben worden sind. Daher kann der angefochtene Bescheid nicht beanstandet werden, der von einer unstreitigen und daher für alle Teilnehmer gleichermaßen gültigen tragbaren Höchstbelastung von 38 DM im Jahre je Hektar ausgeht und bei einer Abfindungsfläche von 1,58 ha zu einem Satz von 60 DM im Jahre kommt. Dabei spielt im vorliegenden Falle mit eine Rolle, daß die Klägerin bei 250 DM Nettoertrag im Monat, = 3000 DM im Jahre - bei freier Wohnung und einer Landwirtschaftsrente von 100 DM monatlich -, nicht hart und unzumutbar getroffen wird. Durch eine solche Belastung, die praktisch 5 DM im Monat ausmacht, ist der Lebensunterhalt der Klägerin nicht unzumutbar beeinträchtigt, so daß eine so geringe Belastung durchaus tragbar erscheint. Dies gilt auch für den Fall, daß, wie der Verwaltungsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil meint, die Klägerin bisher noch keinen Vorteil von der Flurbereinigung gehabt hat. Es ist allgemein bekannt, daß die Vorteile einer Flurbereinigung nicht sofort, sondern erst im Laufe der Zeit erkennbar werden.

Dafür, daß in diesem Zusammenhang die persönlichen Verhältnisse des Nießbrauchers und des Eigentümers in dem Umfange zu berücksichtigen wären, wie es der Verwaltungsgerichtshof für richtig gehalten hat, gibt die fragliche Vorschrift nichts her, zumal gerade bei Berücksichtigung des Innenverhältnisses zwischen Klägerin und Beigeladener, Mutter und Tochter, Nießbraucher und Eigentümer unter dem Gesichtspunkt des Währungsgefälles eher ein Ausgleich möglich ist als eine Durchsetzung der Ansprüche der Teilnehmergemeinschaft gegenüber der Beigeladenen. Anders könnte es lediglich dann liegen, wenn der Verwaltungsgerichtshof nach entsprechenden Beweisangeboten festgestellt hätte, daß die derzeitigen Familien- und Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse der Beigeladenen in einem absoluten Mißverhältnis zu dieser der Klägerin auferlegten geringfügigen Belastung stehen würden. Dafür bieten der Sachverhalt und der Vortrag der Beteiligten keinen Anhalt. Aus alledem folgt, daß der Verwaltungsgerichtshof bei der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin über das Maß hinausgegangen ist, das bei der Bestimmung des angemessenen Teils, den der Nießbraucher gegenüber dem Eigentümer zu tragen hat, angebracht ist.