Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.03.1959 - I C 142.56 = BVerwGE 8, 197= MDR 1959 S. 513
Aktenzeichen | I C 142.56 | Entscheidung | Urteil | Datum | 03.03.1959 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = BVerwGE 8, 197 = MDR 1959 S. 513 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Was unter den Voraussetzungen für die Flurbereinigung im Sinne des § 4 FlurbG zu verstehen ist, muß aus § 1 FlurbG entnommen werden. |
2. | Zum Interesse der Beteiligten im Sinne des § 4 FlurbG. |
3. | Zur Aufklärung der Beteiligten über ein Flurbereinigungsverfahren und zum Einfluß etwaiger Mängel auf die Wirksamkeit des Flurbereinigungsbeschlusses. |
Aus den Gründen
Nach § 4 FlurbG kann die obere Flurbereinigungsbehörde die Flurbereinigung anordnen und das Flurbereinigungsgebiet feststellen, wenn sie die Voraussetzungen für eine Flurbereinigung und das Interesse der Beteiligten für gegeben hält. Mit Recht ist das Flurbereinigungsgericht davon ausgegangen, daß in vollem Umfange vom Gericht nachzuprüfen ist, ob die Voraussetzungen für die Flurbereinigung und das Interesse der Beteiligten vorliegen. Ein Ermessensraum ist der Behörde insoweit nicht eingeräumt. In zutreffender Weise hat das Flurbereinigungsgericht ferner ausgeführt, daß das, was unter den Voraussetzungen für die Flurbereinigung im Sinne des § 4 FlurbG zu verstehen ist, aus § 1 FlurbG entnommen werden muß.
Schwieriger ist die Frage zu beurteilen, ob auch das in § 4 FlurbG geforderte Interesse der Beteiligten an der Flurbereinigung vorliegt. Dem Flurbereinigungsgericht ist darin zuzustimmen, daß es für die Feststellung dieses Interesses nicht auf die persönliche Meinung der Beteiligten, sondern auf ihr wohlverstandenes, auf sachlichen Erwägungen beruhendes Interesse ankommt.
Bei der Feststellung, ob das wohlverstandene Interesse der Beteiligten des Gesamtgebietes in dem erforderlichen Umfang gegeben ist, ist nicht, wie die Kläger annehmen, darauf abzustellen, ob die Mehrzahl der Teilnehmer in dem Flurbereinigungsgebiet dieses Interesse hat. Entscheidend ist vor allem die Größe der von ihnen vertretenen Fläche. Daß für alle einzelnen Grundstücke des Gesamtgebietes das Interesse in gleicher Weise vorhanden ist, ist nicht zu erwarten und nicht notwendig.
Den Klägern ist darin beizutreten, daß die Meinung des Flurbereinigungsgerichts, eine Verletzung der Vorschrift des § 5 Abs. 1 des FlurbG sei ohne Einfluß auf die Rechtswirksamkeit des Flurbereinigungsbeschlusses, nicht in jedem Falle zutrifft. Diese Vorschrift schreibt vor, daß vor der Anordnung der Flurbereinigung die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in geeigneter Weise über das geplante Flurbereinigungsverfahren einschließlich der voraussichtlich entstehenden Kosten aufzuklären sind. Diese Aufklärung verfolgt nicht nur, wie das Flurbereinigungsgericht meint, den Zweck, die beteiligten Kreise für die geplanten Maßnahmen zu gewinnen, sondern auch durch die Erörterung mit den Betroffenen die notwendigen Unterlagen für die Beurteilung ihres Interesses an der Flurbereinigung zu erhalten. Welche rechtlichen Folgen sich ergeben, wenn es daran fehlt, mag hier dahingestellt bleiben. Das Flurbereinigungsgericht hat sich die erforderlichen Unterlagen, soweit sie sich nicht aus der Versammlung ergaben, zusätzlich auf andere Weise bereits vorher beschafft.
Es kann daher auch unerörtert bleiben, ob es zweckmäßig war, in einer Gemeinde, in der von der Flurbereinigung nicht nur Landwirte, sondern auch solche Personen betroffen werden, die in Handel und Gewerbe nach festen Arbeitszeiten beschäftigt sind, eine Versammlung zur Aufklärung über die Flurbereinigung auf einen Werktag 11 Uhr vormittags anzusetzen. Nicht ohne Bedenken ist ferner, daß die öffentliche Ladung hierzu lediglich drei Tage vor der Versammlung ausgehängt wurde. Diese Mängel sind im vorliegenden Fall jedenfalls nicht so schwerwiegend, daß sie zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen müßten, weil das Flurbereinigungsamt bereits vorher im Benehmen mit der Stadtverwaltung L. die betroffenen Bevölkerungskreise aufgeklärt und so eingehende Ermittlungen durchgeführt hat, daß eine Beurteilung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Flurbereinigung auf Grund des Ergebnisses dieser Ermittlungen im Zusammenhang mit der Aufklärungsversammlung durchaus möglich war.