Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 04.07.1977 - 104 XIII 74 = RdL 1978 S. 296
Aktenzeichen | 104 XIII 74 | Entscheidung | Urteil | Datum | 04.07.1977 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | = RdL 1978 S. 296 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zum Umfang der Änderungsbefugnis der Flurbereinigungsbehörde (Teilnehmergemeinschaft) nach der Ausführungsanordnung und den Voraussetzungen des Eingriffs in die Abfindung eines Dritten. |
2. | Ein mit der Abfindung erhaltener Mehrwert an Baulandfläche kann ohne Änderung der Wertermittlung nicht "abgeschöpft" werden. |
3. | Die festgestellten Ergebnisse der Wertermittlung sind solange veränderbar als die Voraussetzungen für eine Planänderung nach § 60, § 64 FlurbG gegeben sind. |
Aus den Gründen
Mit Erlaß der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 28.12.1970 war die Planänderungsbefugnis der Beklagten wesentlich eingeschränkt: Weggefallen war sie für jedwede Änderung des Planes, die die Beklagte für erforderlich hielt (§ 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG); geblieben war ihr die Befugnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, begründeten Beschwerden abzuhelfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 25.10.1973 Nr. 14 XIII 73, in RdL 74, 265) wird die sehr weit gehende Planänderungsbefugnis des § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nach Ergehen der Ausführungsanordnung abgelöst durch die an enge Voraussetzungen gebundene Änderungsbefugnis des § 64 FlurbG. Letztere steht - in Bayern - nur der Flurbereinigungsdirektion zu (Art. 3 Abs. 2 AGFlurbG - alte Fassung -; nunmehr Art. 2 Abs. 2 AGFlurbG vom 25.3.1977). Diese Beschränkung der Planänderungsbefugnis der Beklagten auf die bloße Beschwerdeabhilfe bedeutet, daß sie - wie die Beschwerdebehörde nach § 141 Abs. 2 FlurbG alte Fassung - nur insoweit zur Änderung des Planes befugt ist, als dies zur Abhilfe einer Beschwerde erforderlich ist. Es gibt angesichts der gleichen Interessenlage und des gleichen Wortlauts der Gesetzesbestimmungen des § 141 Abs. 2 FlurbG alte Fassung und des § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG keinen überzeugenden Grund, der Beklagten eine gegenüber der Beschwerdebehörde erweiterte Planänderungsbefugnis zuzugestehen, so daß die zu § 141 Abs. 2 alter Fassung entwickelten Grundsätze (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 8.11.1973 - V C 17.72 in BayVBl. 75, 49) auch für § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG Geltung haben.
Entgegen der Auffassung des Vertreters des öffentlichen Interesses kommt der Beklagten als Ausgangsbehörde nicht allein deshalb eine gegenüber der Beschwerdebehörde erweiterte Änderungsbefugnis zu, weil sie "Herr des Verfahrens" ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung klargestellt, daß in Anbetracht der Gesetzesregelung des Flurbereinigungsgesetzes, insbesondere des § 64 FlurbG, für die Anwendung allgemeiner Verwaltungsgrundsätze kein Raum bleibt und nach der vorausgegangenen Bindung der Beteiligten (vgl. § 62 FlurbG) mit der Ausführungsanordnung auch eine Bindung der Behörde an ihre Planung herbeigeführt werden soll.
Die Beklagte war demnach in Anbetracht des Verfahrensstandes nur nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG befugt, die für die Abhilfe der Beschwerde der Beigeladenen erforderlichen Planänderungen zu treffen. Mit dem Rückgriff auf die Kläger zum Ausgleich der von ihr gewährten Geldleistungen hat sie die ihr gezogenen Grenzen nicht beachtet.
Unstreitig - durch die Beschränkung der Klage - ist nunmehr, daß die auf insgesamt 18.707,31 DM festgelegte Geldausgleichsentschädigung zugunsten der Beigeladenen deren Abfindungsanspruch ausgleicht. Hierbei kann als Sachverhaltsfeststellung aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahmen festgehalten werden, daß das für die Wertveränderung der Einlageflurstücke der Beigeladenen von landwirtschaftlich genutzten Grund zu Bauland maßgebende, zeitlich vor der vorzeitigen Ausführungsanordnung liegende Ereignis im Gemeinderatsbeschluß vom 20.7.1970 zu sehen ist, mit dem die seinerzeitige Gemeinde A. dieses Gebiet auf Antrag der Kläger als künftiges Bauland festgelegt hat. Nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen der seinerzeitigen Gemeinderatsmitglieder M. F., G. F. und M. K. bezog sich dieser Beschluß bereits auf die in das Baugebiet fallenden Teilflächen der Beigeladenen. Die Aussagen der Zeugen H. und K. Sch. stehen dem nicht entgegen. Da sich auch keine Anhaltspunkte ergeben haben, daß die Beigeladenen die Versäumung der Beschwerdefrist verschuldet haben, mußte ihre Beschwerde nach § 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG zugelassen werden.
Die Beklagte hat sich demnach zur Beschwerdeabhilfe des Geldausgleichs bedient, dem die Beigeladenen offensichtlich zugestimmt haben. Sie konnte damit ohne Änderung der Landzuteilung - aber auch ohne Änderung der Wertermittlung - den für die Wertgleichheit von Einlage und Abfindung der Beigeladenen erforderlichen Wertausgleich herbeiführen. Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, daß diese Planänderung im Rahmen des § 44 Abs. 2 FlurbG zugunsten der Beigeladenen zulässig vorgenommen werden kann. Die im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens erforderliche Herbeiführung eines die Wertgleichheit begründenden Planstandes kann jedoch auf vielfältige Weise geschehen, wobei ein Landausgleich in der Regel ohne Eingriff in die Abfindung eines anderen nicht durchgeführt werden kann. Deshalb kann auch in die Abfindung eines zufriedenen Teilnehmers noch nach der Ausführungsanordnung eingegriffen werden. Diese Möglichkeit entfällt jedoch, wenn auf Masseland oder - wie hier - auf einen Geldausgleich zur Abgeltung des Plananspruchs zurückgegriffen wird. Der Senat schließt sich hier der in einem sehr ähnlich gelagerten Fall vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof - Urteil vom 28.8.1969 in RdL 1971 S. 155 - vertretenen Ansicht an, daß die Zuerkennung einer solchen Leistung (Masse- oder/und Geldausgleich) die Änderungsbefugnis im Rahmen der Beschwerdeabhilfe ausschöpft und für weitere Änderungen aus Anlaß dieser Beschwerde kein Raum bleibt, da mit der Zuerkennung eines solchen Ausgleichs das Ziel der Beschwerde und mit ihm die Abhilfe erreicht ist. In der diese Auffassung bestätigten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 8.1.1971 - RdL 1971, 157 - ist klargestellt, daß ein Verzicht auf eine Planänderung über einen Landausgleich nicht mit dem Hinweis des "geringeren Mittels" dazu berechtigt, in die Abfindung eines Dritten einzugreifen, um einen Geldausgleich herbeizuführen, außerdem, daß ein Rückgriff auf den Vorteilempfänger des Baulandes, um das durch die Abhilfe gestörte Gleichgewicht der Abfindungen wieder herzustellen, jenseits der Änderungsbefugnis im Rahmen der Beschwerdeabhilfe liegt.
Damit kann auch die Beklagte nicht in die Abfindung der Kläger im Rahmen ihrer Beschwerdeabhilfe eingreifen, denn die Gewährung eines Geldausgleichs an die Beigeladenen steht nicht einem Eingriff in die Abfindung eines Dritten gleich, der sich ergäbe, wenn die Änderung der Landabfindung notwendig und nur über die Änderung der Abfindung eines anderen Teilnehmers zu erreichen wäre. Der Vertreter des öffentlichen Interesses differenziert hier zu wenig, wenn er die Heranziehung der Kläger zum Geldausgleich als mittelbare Beschwerdeabhilfe bezeichnet. Der Geldausgleich kann auch ohne Rückgriff auf die Kläger erfolgen, um ermöglicht zu werden (vgl. § 18 FlurbG). Schon aus dem Grund der mangelnden Planänderungsbefugnis zu Lasten der Abfindung der Kläger muß die Klage erfolgreich sein.
Die Beklagte verkennt offensichtlich auch die materiellen Voraussetzungen ihres Rückgriffsverlangens, denn sie hat ohne Änderung der Schätzwerte keine Grundlage für eine "Wertabschöpfung" zu Lasten des Vorteilsempfängers. Der Wertausgleich zugunsten der Beigeladenen ist nicht die Folge einer Schätzungsänderung - die durchaus im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens möglich gewesen wäre, denn die erhobenen Ausgleichsansprüche der Beigeladenen hätten neben der Planbeschwerde zugleich auch als Schätzbeschwerde angesehen werden können - sondern die Folge der Überprüfung der Wertgleichheit der Gesamtabfindung gegenüber der Gesamteinlage der Beigeladenen gewesen. In diesem Fall gibt keine geeignete Rechtsgrundlage die vom Spruchausschuß vertretene Ansicht, ein Rückgriff sei möglich, denn kein Teilnehmer habe Anspruch auf während des Verfahrens entstandene Vorteile seiner Abfindung. Darum geht es hier nicht.
Das Flurbereinigungsgesetz hat für die Ermittlung des Abfindungsanspruchs des einzelnen Teilnehmers und seiner Erfüllung mit der Bestimmung des Tauschwertes im Wertermittlungsverfahren eine eigene Grundlage geschaffen. Sie ist der Bemessung der Landabfindung zugrunde zu legen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). § 27 FlurbG legt fest, daß - um die Teilnehmer mit Land vom gleichen Wert abzufinden - der Wert der Grundstücke zu ermitteln ist, wobei das Verhältnis des einzelnen Grundstücks zu dem Wert aller Grundstücke des Flurbereinigungsgebietes zu bestimmen ist. Der Wert der eingelegten Grundstücke ergibt den Forderungsanspruch des einzelnen Teilnehmers; der Wert ist jedoch auch maßgebend für die zugeteilten Grundstücke. Die Wirksamkeit des durch den Feststellungsakt festgestellten Ergebnisses der Wertermittlung bleibt während des gesamten Flurbereinigungsverfahrens bestehen. Der Tauschwert ist verbindlich festgelegt. Deshalb kann auch jeder Teilnehmer verlangen, daß seine Abfindung nach dem Wert gestaltet wird, der in der Wertermittlung festgelegt wurde - ungeachtet dessen ob dieser Wert falsch oder richtig ist. Denn jeder Teilnehmer kann die Wertermittlung anfechten und ihre Überprüfung begehren; ohne deren Anfechtung ist er an sie gebunden. Auch die Behörde kann nicht von den festgestellten Werten ohne Änderung dieser Grundlage abweichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.76 - V C 8374 in RdL 77, 69).
Zwar hat die Rechtsprechung immer herausgestellt, daß zur Herstellung der Wertgleichheit von Einlage und Abfindung die in § 44 Abs. 2 FlurbG genannten Wertumstände auch dann in der Abfindung zu berücksichtigen sind, wenn sie in der Wertermittlung nicht erfaßt waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.3.1962, RdL 1962, 217). Dieses Mehr für den Empfänger des Wertausgleichs geht jedoch nicht ohne weiteres zu Lasten eines dritten Teilnehmers, sei er Einleger oder Empfänger von Grundstücken. Es ist nämlich ein wesentlicher Unterschied, ob bei der Gegenüberstellung von Gesamteinlage und Gesamtabfindung ausgleichsbedürftige Minderausweisungen festgestellt und ausgeglichen werden, oder ob die Bewertung eines Einzelgrundstücks in Frage steht. Letzteres kann nur durch die Veränderung des Tauschwertes an den richtigen Wert herangeführt werden. Diese Gesetzessystematik, die bei der Vielzahl der zu verändernden Grundstücke wohl begründet und unerläßlich ist, ist in jedem Stand des Verfahrens zu beachten. Die Auffassung der Beklagten, nach Erstellung des Flurbereinigungsplanes sei bei Wertveränderungen eine Änderung der Wertermittlung entbehrlich und Änderungen über § 44 Abs. 2 FlurbG abzuwickeln, verkennt nicht nur die Rechtsprechung zu § 44 Abs. 2 FlurbG, sondern auch diese Gesetzessystematik. Bedingen Wertveränderungen von Grundstücken einen Wertausgleich, kann dieser gegenüber dem Mehrempfänger nur ausgeglichen werden, wenn der Tauschwert dieses Grundstücks in der Wertermittlung geändert wird. Denn der Mehrempfang beruht allein auf der unrichtigen Schätzung. Wie bereits ausgeführt, kann der Empfänger eines zu niedrig bewerteten Grundstücks sich stets auf die Wirksamkeit der Feststellung der Wertermittlung berufen. Erst wenn diese Grundlage verändert ist, kann die Zuteilungsberechnung auf den neuen Wert gegründet werden und die sich ergebende Mehrausweisung festgestellt und je nach der Befugnis, den Plan zu ändern, zurückgenommen werden. Als wichtiges verfahrensmäßiges Hilfsmittel für die Bestimmung des Abfindungsanspruchs steht die Wertermittlung im engen Zusammenhang mit dem Plan; ihre Veränderbarkeit wird deshalb solange anzunehmen sein, solange die Voraussetzung für eine Planänderung nach § 60, § 64 FlurbG gegeben ist. Ob die auf dieser Grundlage vorgenommene "Wertabschöpfung" außerdem dann in Geld erfolgen kann, beurteilt sich ausschließlich nach den Bestimmungen der §§ 52 und 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG, denn nur diese Bestimmungen lassen Ausnahmen vom Grundsatz der Landabfindung (§ 44 Abs. 1 FlurbG) zu. Keineswegs kann für die Art der Ausgleichsforderung gegenüber den Klägern als Empfänger des Mehrwertes bestimmend sein, für welche Art (Geld oder Landausgleich) sich die ausgleichsberechtigten Teilnehmer - wie die Beigeladenen - zur Herstellung der Wertgleichheit ihrer Abfindung entscheiden. Nicht unbedenklich ist schon vom Sachverhalt her die Begründung der Beklagten, es käme nur ein Geldausgleich in Frage, da das Bauland verkauft sei und eine Änderung im Bereich der landwirtschaftlich genutzten Flächen zu einer erheblichen Einbuße an Produktionsflächen führe. Immerhin haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß von den vier noch unbebauten Bauparzellen zwei für sie selbst bestimmt seien, so daß die Möglichkeit eines Landausgleiches sogar im Baulandbereich nicht auszuschließen ist. In Anbetracht des Fehlens der "Abschöpfungsgrundlage" bedarf die Frage nach der Art des Ausgleichs jedoch keiner abschließenden Würdigung.Anmerkung
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist vom BVerwG mit Beschluß vom 31.01.1979 - 5 B 72.77/5 B 76.77 - zurückgewiesen worden. Die Gründe sind auszugsweise abgedruckt unter RzF - 10 - zu § 32 FlurbG.