Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 30.10.1960 - F III 23/57 = RdL 1961 S. 192

Aktenzeichen F III 23/57 Entscheidung Urteil Datum 30.10.1960
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen RdL 1961 S. 192  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Beschattung eines Grundstücks durch Wald handelt es sich regelmäßig um einen Nachteil, der bei gemeinüblicher ordnungsgemäßer Nutzung für jeden Besitzer eintritt. Dieser Nachteil ist daher bei der Einschätzung zu berücksichtigen.

Aus den Gründen

Stattzugeben war der Klage, soweit der Kläger die Nichtberücksichtigung der Waldeinwirkungen durch Beschattung des Grundstücks beanstandet. Der Senat hat durch eingebende Besichtigung an Ort und Stelle festgestellt, daß sich die Lage am Walde auf die Ertragsfähigkeit dieses vom Kläger als Acker genutzten Planes nachteilig auswirkt. Die Beschattung hindert das Wachstum und die Reife der Feldfrüchte. Das gilt besonders für die etwa 150 m lange Südwestseite des Planes, in der zwar der Wald mit Rücksicht auf eine Hochspannungsleitung auf eine Länge von etwa 50 m unterbrochen ist, zum geringeren Teil aber auch für die Südostseite. Die Beeinträchtigung wird durch die an beiden Seiten des Grundstücks entlanglaufenden, etwa 8 m breiten Wirtschaftswege allerdings gemildert.

Die mit einer eingehenden Nachprüfung der Bodenklassen verbundene Ortsbesichtigung hat ergeben, daß die Beschattung des Grundstücks bei seiner Einschätzung nicht in angemessener Weise berücksichtigt worden ist. Bei der Beschattung handelt es sich um einen Nachteil, der bei gemeinüblicher ordnungsmäßiger Nutzung des Grundstücks für jeden Besitzer eintritt und der demnach bei der Schätzung zu berücksichtigen ist (vgl. § 28 FlurbG). Ob die Flurbereinigungsbehörde derartige Nachteile bei den einzelnen Beteiligten durch Abnahme und Zuweisung gleichmäßig beschatteter Grundstücke im Rahmen der Gestaltung der Gesamtabfindung, also ohne besondere Schätzung, ausgleichen kann, bedarf hier keiner Erörterung; denn ein solcher Ausgleich ist jedenfalls beim Kläger nicht vorgenommen worden. Er hatte im Altbesitz nicht unter Waldschatten zu leiden.

Der Senat hat durch Vornahme einer Anzahl von Bodenproben an Ort und Stelle festgestellt, daß die dort vorgefundene Güte und Struktur des Bodens der im Verfahren vorgenommenen Klassifizierung entspricht, daß also keine Tiefersetzung der Schätzungsklassen wegen einer Beschattung vorgenommen worden ist. Wäre dies geschehen, so hätte es durch eine Herabbonitierung eines Landstreifens parallel zum Wald Ausdruck gefunden. Das ist nicht der Fall. Der Senat hält es unter Berücksichtigung aller Umstände, und zwar auch der Unterbrechung der Schatteneinwirkung auf der Südwestseite und der verhältnismäßig geringen Beschattung auf der Südostseite des Grundstücks, für angemessen, den vorhandenen Minderwert des Grundstücks durch Herabbonitierung eines Streifens von 15 m Breite auf der gesamten Südwestseite um 1 1/2 Schätzungsklassen zum Ausdruck zu bringen. Nach der vom Kulturamt im einzelnen vorgenommenen Berechnung verringert sich damit der bisherige Schätzungswert des Grundstücks von 83,14 WE auf 81,22 WE, also um 1,92 WE. Dieser Schätzungswert ist dem Kläger also noch gutzubringen. Da die bisherige Abfindung des Klägers eine Mehrzuteilung in Land im Werte von 0,49 WE umfaßt, so erhält der Kläger jetzt nach der Herabbonitierung eine Minderzuteilung von 1,43 WE. Mit seinem Begehren, ihm im Umfange des Minderwertes Land zuzuteilen, konnte der Kläger keinen Erfolg haben. Die bisherige Mehrzuteilung kann bei der Berechnung des sich jetzt ergebenden Anspruchs nicht unberücksichtigt bleiben; denn die Abfindung muß als Einheit betrachtet werden. Im Umfange von 1,43 WE kann aber eine zusätzliche Landzuteilung nicht vorgenommen werden. Eine derartig geringe Zuteilung begegnet im jetzigen Stadium des Verfahrens besonderen Schwierigkeiten. Es ist nach den Grundsätzen des Flurbereinigungsrechts in vorliegender Sache auch vertretbar, für diese Minderabfindung unter Anhalten des im vorliegenden Verfahrens geltenden Kapitalisierungsfaktors von 100 einen Geldbetrag zu zahlen. Es handelt sich um noch nicht 2 % des Abfindungsanspruchs des Klägers (730,69 WE), also um einen verhältnismäßig geringfügigen Spitzenbetrag. Derartige unvermeidbare Minderausweisungen können in Geld ausgeglichen werden (vgl. § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG).