Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 19.06.1967 - 3 C 80/66 = AS 10, 383= RdL 1969 S. 26

Aktenzeichen 3 C 80/66 Entscheidung Urteil Datum 19.06.1967
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen AS 10, 383 = RdL 1969 S. 26  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Ein Flurbereinigungsgebiet kann nur dann abgeändert werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und wenn die Abänderung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem Umfang, in dem sie ausgesprochen wird, angemessen ist.
2. Bestimmte Gebiete können aus dem festgestellten Flurbereinigungsgebiet wieder ausgeschlossen werden, wenn Maßnahmen, die außerhalb des Flurbereinigungsverfahrens liegen, den Besitzstand an dem zersplitterten Grundeigentum ändern werden.
3. Der Bau einer Umgehungsstraße um die der Flurbereinigung unterworfene Gemeinde ist in der Regel als eine solche Maßnahme anzusehen.

Aus den Gründen

Der angefochtene Beschluß ändert den Einleitungsbeschluß teilweise ab. Durch diesen Einleitungsbeschluß war die Flurbereinigung für ein bestimmtes Gebiet angeordnet worden. Diese Anordnung wirkt sich nicht nur für das öffentliche Interesse, sondern auch zugunsten der Landwirte aus, die mit ihren Grundstücken in dem festgestellten Gebiet liegen, denn deren Grundstücke werden in dem sich anschließenden Verfahren zu möglichst großen Plänen zusammengelegt, so daß sich dadurch die Struktur ihrer Betriebe verbessert. Der Kläger gehört zu den auf diese Weise betroffenen Landwirten. Ihm gegenüber stellt sich der Einleitungsbeschluß rechtlich als ein begünstigender Verwaltungsakt dar; der Abänderungsbeschluß ist - rechtlich gesehen - ein Widerruf eines Teiles eines begünstigenden Verwaltungsaktes. Der Widerruf eines rechtmäßigen, begünstigenden Verwaltungsaktes ist zwar grundsätzlich insbesondere dann zulässig, wenn er durch eine Rechtsnorm für zulässig erklärt ist. Jedoch ist die Zulässigkeit des Widerrufs, auch wenn er auf eine Rechtsnorm, die den Widerruf für zulässig erklärt, gestützt ist, davon abhängig, daß die sachlichen, in der Rechtsnorm enthaltenen Voraussetzungen vorliegen, und daß er nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem Umfang, in dem er ausgesprochen wird, angemessen ist (Schunck-De Clerck, VwGO, Komm., 2. Aufl, S. 224, 225 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Der angefochtene Abänderungsbeschluß beruht auf einer Rechtsnorm, nämlich - wie schon ausgeführt - auf § 8 FlurbG. In § 8 FlurbG ist nicht ausdrücklich bestimmt, an welche Voraussetzungen eine Änderung des Flurbereinigungsgebietes, das durch den Einleitungsbeschluß festgesetzt ist, geknüpft ist. Aus dem Sachzusammenhang der Vorschrift mit den in der grundlegenden Vorschrift des § 1 FlurbG ausgesprochenen Grundsätzen der Flurbereinigung ist indessen zu erkennen, daß - ebenso wie die Einleitung einer Flurbereinigung - auch die nachträgliche Änderung des festgestellten Flurbereinigungsgebietes nur dann den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, wenn sie der Förderung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Erzeugung und der allgemeinen Landeskultur dient (ähnlich BVerwG, Urteil vom 28. Dezember 1959, zitiert bei Seehusen-Schwede-Nebe, FIurbG, Komm., 2. Aufl., Anm. 1 zu § 8 für den Fall der nachträglichen Vergrößerung des Flurbereinigungsgebietes).

Auf den ersten Blick scheint der Ausschluß von Gebietsteilen aus dem Flurbereinigungsgebiet diesen Voraussetzungen zu widersprechen, insbesondere dann, wenn infolge des Ausschlusses zersplitterter Grundbesitz bestehen bleibt. Diese Betrachtungsweise beruht jedoch auf einem Irrtum. Es kann Gründe geben, die im Interesse der Förderung landwirtschaftlicher Belange gebieten, bestimmte Gebiete vorerst aus der Flurbereinigung auszuschließen. Solche Gründe sind insbesondere dann gegeben, wenn Maßnahmen, die außerhalb des Flurbereinigungsverfahrens liegen, den Besitzstand an dem zersplitterten Grundeigentum ändern. Dieser Fall liegt vor, wenn im Flurbereinigungsgebiet Straßen gebaut werden, deren Anlegung den Flurbereinigungsbehörden entzogen ist. Die für die Straßentrasse benötigten Grundstücksteile können nämlich weder in den Plan der umzulegenden Grundstücke einbezogen noch verteilt werden. Der Ausbau der B 9 in der Gemarkung R. ist der Flurbereinigungsbehörde entzogen. Er richtet sich nach dem Bundesfernstraßengesetz i.d.F. vom 6. August 1961 (mit Änderungen). Die für den Ausbau benötigten Grundstücke werden im Planfeststellungsverfahren festgestellt. Sie werden den Eigentümern notfalls durch Enteignung gegen Entschädigung entzogen. Bei voraussehbarer Inanspruchnahme bestimmter Grundstücke für die Trasse einer Bundesstraße ist es deshalb grundsätzlich angebracht, diese Grundstücke aus dem Flurbereinigungsgebiet auszuschließen, damit die Flurbereinigung in ihrer Gesamtheit fortgeführt werden kann.

Dem steht auch nicht entgegen, daß die nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsgebietes nur deshalb nötig war, weil die Planung der neuen Trasse der B 9 nicht rechtzeitig in Zusammenhang mit der Flurbereinigung geplant worden ist. Die Zusammenarbeit aller Planungsträger ist zwar an sich ein Anliegen, dem besondere Bedeutung zukommt. Deshalb schreibt § 5 Abs. 3 FlurbG seinem Sinn nach vor, daß die Flurbereinigungsbehörden vor Anordnung der Flurbereinigung zu ermitteln haben, welche anderen Planungen beabsichtigt sind. Welche Rechte jedoch ein Beteiligter aus einer mangelnden Zusammenarbeit der verschiedenen Planungsträger herleiten kann, kann hier dahingestellt bleiben, da Fehler bei der Gesamtplanung nicht festzustellen sind. Die Darstellung des beklagten Landes, wonach bei Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens der Neubau der B 9 in absehbarer Zeit noch nicht beabsichtigt war, ist nicht zu widerlegen. Es ist durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, daß der Neubau der B 9 jetzt auf Grund eines Finanzierungsplanes oder aus anderen Gründen durchgeführt werden kann, und daß dies vor der Anordnung der Flurbereinigung weder seitens der Straßenbaubehörde noch seitens der Flurbereinigungsbehörde vorauszusehen war.

War somit der Ausschluß von Grundstücken aus dem Flurbereinigungsgebiet zwar grundsätzlich zulässig, so ist damit noch nicht festgestellt, ob der Ausschluß des gesamten Gebietes östlich der B 9 das angemessene Mittel war, um das Ziel, also die Freihaltung von der Flurbereinigung der durch die Trassenziehung der neuen Bundesstraße betroffenen Grundstücke, zu erreichen. Man könnte die Auffassung vertreten, daß es genügt hätte, die unmittelbar örtlich von der Trasse berührten Grundstücke aus dem Flurbereinigungsgebiet auszuschließen und im übrigen im Gesamtgebiet die Flurbereinigung durchzuführen. Diese Auffassung ist indessen nicht richtig. Im Flurbereinigungsverfahren können nicht einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile aus einem auf Grund natürlicher Grenzen geschlossenen Gebiet herausgesucht und später gesondert behandelt werden. Dies würde dem geordneten und bewährten Arbeitsverlauf der Flurbereinigungsverfahren zuwiderlaufen.

Weiterhin war zu prüfen, ob - wenn schon der Ausschluß des gesamten Gebietes östlich der alten B 9 berechtigt war - nicht ein zeitweiliger Ausschluß genügt hätte, so daß also, wie es auch dem Wunsch des Klägers entspricht, die Obere Flurbereinigungsbehörde verpflichtet wäre, den Ausschluß nach Fertigstellung der neuen Trasse wieder aufzuheben. Auf eine solche in die Zukunft gerichtete Regelung hat der Kläger noch keinen Rechtsanspruch. Das beklagte Land hat mit Recht ausgeführt, daß die Obere Flurbereinigungsbehörde nicht verpflichtet werden könne, die Flurbereinigung in dem zur Zeit ausgeschlossenen Gebiet zu einem Zeitpunkt, der von dem Eintritt von Bedingungen abhängt, anzuordnen. Es läßt sich nämlich jetzt noch nicht übersehen, ob zu diesem späteren Zeitpunkt alle Voraussetzungen für die Durchführung einer Flurbereinigung, die vor allem im Arbeitseinsatz der Behörde und in der Finanzierung bestehen, gegeben sein werden. Wenn das beklagte Land heute durch ein Urteil verpflichtet würde, die Flurbereinigung in dem jetzt ausgeschlossenen Gebiet anzuordnen, sobald die Trasse abgesteckt und das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist, dann wäre ihm damit die Prüfung, ob die erwähnten notwendigen Voraussetzungen vorliegen, unmöglich gemacht. Das beklagte Land könnte möglicherweise gezwungen sein, andere in gesamtwirtschaftlicher Sicht vordringlichere Vorhaben hinauszuschieben. Die Prüfung aller Umstände, die zur Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens notwendig ist, kann auch nicht schon jetzt vorgenommen werden, weil sich der Sachverhalt in der Zeit, die das Planfeststellungsverfahren noch dauern wird, ändern kann.