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von Anonymer Benutzer

RzF - 7 - zu § 88 Nr. 5 FlurbG

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.03.1975 - III ZR 152/72 = AgrarR 1975 S. 285= RdL 1975 S. 244

Aktenzeichen III ZR 152/72 Entscheidung Urteil Datum 13.03.1975
Gericht Bundesgerichtshof Veröffentlichungen AgrarR 1975 S. 285 = RdL 1975 S. 244  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine durch einen öffentlichen Weg vermittelte günstige Verbindung zwischen zwei zu demselben landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grundstücken kann dem Eigentum an diesem Betrieb nicht zugerechnet werden.
2. Zerschneidet eine neue Straße diese günstige Verbindung, so stellt dies keinen enteignenden Eingriff in den landwirtschaftlichen Betrieb dar.

Aus den Gründen

Das Berufungsgericht hat in der im Zuge des Ausbaus der Bundesautobahn erfolgten Durchschneidung des die Hofstelle des Klägers mit der Parzelle Nr. 138 verbindenden Gemeindewegs einen enteignenden Eingriff in Rechte des Klägers und, wie der Zusammenhang seiner Ausführungen ergibt, auch in die ihm abgetretenen Rechte seines Pächters nicht erblickt. Die dagegen gerichtete Revision bleibt ohne Erfolg.

Als durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition in die durch den Autobahnbau und die dadurch bewirkte Aufhebung der günstigen Verbindung zwischen der Weideparzelle und der Hofstelle in enteignender Weise eingegriffen sein könnte, kommt einmal die Stellung des Klägers (oder seines Pächters) als Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes und zum anderen die Stellung des Klägers als (Sach-) Eigentümer der Weideparzelle in Betracht.

Bei dem landwirtschaftlichen Betrieb als Eingriffsobjekt stellt sich die Frage, ob die günstige, innerbetriebliche Verbindung zwischen der Hofstelle und dem Weidegrundstück, wie sie über das öffentliche Wegenetz hergestellt wurde, diesem Betrieb als ihm zugehörig und mithin auch vom Eigentumsschutz mitumfaßt zugerechnet werden kann. Denn nur unter dieser Voraussetzung würde der Betriebsinhaber durch die Erschwerung der innerbetrieblichen Verbindung in seiner Rechtsposition, auf die allein abzustellen ist (vgl. BGHZ 62, 96, 98 u. a.), beeinträchtigt worden sein. In das Eigentum an der Weideparzelle würde als solches in enteignender Weise eingegriffen worden sein, wenn dieses Grundstück - abgesehen von seiner wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und insoweit isoliert betrachtet - durch die hier in Rede stehenden Maßnahmen in seiner rechtlich geschützten Substanz betroffen wäre. Beides ist nicht der Fall.

Eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetriebe, zu denen im enteignungsrechtlichen Sinn auch landwirtschaftliche und sonstige "Betriebe" zählen (BGHZ 45, 150, 154; LM GG Art. 14 (Ea) Nr. 32 Bl. 4), sind als Eigentum zwar nicht nur in ihrem materiellen Bestand, sondern auch in ihren "Ausstrahlungen und Erscheinungsformen" geschützt (vgl. BGHZ 23, 157, 162 u. a.). Jedoch können auch Ausstrahlungen und Erscheinungsformen nur insoweit Eigentumsschutz genießen, wie sie einen bestimmten Gewerbebetrieb als eine von dem Inhaber geschaffene Organisation persönlicher und sachlicher Mittel, als eine bestimmte Sach- und Rechtsgesamtheit konkretisieren. Zu dem als Eigentum zu qualifizierenden Gewerbebetrieb sind daher im wesentlichen alle Werte zu rechnen, die auf dem eigenen Arbeits- und Kapitalseinsatz des Inhabers, mithin auf dem Inhaber zurechenbaren Leistungen beruhen. Hingegen kommen insoweit bloße Chancen, die sich dem Gewerbetreibenden bieten, Lagevorteile und sonstige - rechtliche und tatsächliche - Umstände, die sich günstig für den Gewerbebetrieb auswirken und geschäftlich ausgenutzt werden können, nicht in Betracht. Derartigen - mehr oder weniger zufälligen - Vorteilen fehlt der konkrete Bezug zu einem bestimmten Gewerbebetrieb und sie können dementsprechend auch nicht zu der - allein geschützten - Substanz dieses Betriebes gerechnet werden. Gemessen an diesen in der Rechtsprechung des Senats seit langem herausgebildeten Grundsätzen (vgl. NJW 1964, 769; BGHZ 45, 83, 87/8 und 150, 155 ff.; 48, 58, 61 f.; 55, 261, 263 ff.) kann eine durch einen öffentlichen Weg vermittelte günstige Verbindung zwischen zwei zu demselben landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grundstücken nicht der als Eigentum geschützten Substanz des landwirtschaftlichen Betriebes zugerechnet werden. Vielmehr geht es dabei allein um einen Lagevorteil, der von dem Betriebsinhaber genutzt, aber nicht dem Betrieb als ihm zugehörig erachtet werden kann. Derartige Lagevorteile beruhen allein auf dem Gemeingebrauch, dem die öffentlichen Wege gewidmet waren. Der Gemeingebrauch aber begründet - kein verfassungsrechtlich geschütztes - Vertrauen darauf, daß eine solche dem Betrieb nützliche Linienführung erhalten bleibt.

Etwas anderes kann nicht etwa deshalb gelten, wie die Revision meint, weil der Gemeindeweg nicht nur verändert, sondern als Verbindungsstrecke nicht mehr erhalten geblieben ist. Die Revision bezieht sich damit auf Entscheidungen des Senats, in denen ausgeführt worden ist, bei Beschränkungen des Gemeingebrauchs müssen dem Betroffenen jedenfalls die Straße als Verkehrsmittler erhalten bleiben (BGHZ 48, 65, 66 f.; BGH, LM GG Art. 14(Cf) Nr. 24 Bl. 2 und LM GG Art. 14 (Ea) Nr. 32 Bl. 4). In diesen Fällen ging es aber stets um die Verbindung eines Betriebsgrundstücks zu der an ihm vorbeiführenden Straße. Diese Zugänglichkeit und damit der Kontakt eines Betriebes "nach außen" (BGHZ 48, 65, 66) sind rechtlich geschützt, nicht aber der unveränderte Fortbestand einer bestimmten auf dem Gemeingebrauch beruhenden Verbindung der Anliegerstraße mit dem öffentlichen Wegenetz (BGHZ 55, 261, 264). Durch die Beendigung einer solchen Verbindung etwa infolge des Ausbaus einer anderen Straße entfällt lediglich die Möglichkeit, eine sich bietende tatsächliche Chance weiterhin wahrzunehmen und zu nutzen, wird aber nicht in Betrieb als solcher in seinem von der Eigentumsgarantie umfaßten Bestand beeinträchtigt.

Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen enteignenden Eingriff in das Grundeigentum des Klägers an der Weideparzelle verneint.

In diesem Zusammenhang geht es nicht um die Nachteile, die auf der Aufhebung der günstigen Verbindung zwischen dem Weidegrundstück und dem übrigen Grundbesitz des Klägers beruhen und die zuvor bereits unter dem Gesichtspunkt einer enteignenden Beeinträchtigung des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers beurteilt worden sind. Hier kommt es allein darauf an, ob das Grundstück, losgelöst von seiner Einbeziehung in den landwirtschaftlichen Betrieb betrachtet, durch die hier in Rede stehenden Maßnahmen in seiner eigentumsrechtlich geschützten Substanz beeinträchtigt worden ist.

Zwar wird die Zugänglichkeit eines Grundstücks zu der an ihm vorbeiführenden Straße dem Sacheigentum an diesem Grundstück zugerechnet und sonach von der geschützten Rechtsposition des Grundstückseigentümers mitumfaßt (BGHZ 48, 58, 62 f. und 65, 68 f.). Durch Beeinträchtigung oder nennenswerte Erschwerung dieser Zugänglichkeit wird mithin auch das Grundeigentum in seinem geschützten Bestand betroffen. Hier ist indes unstreitig, daß die Zugänglichkeit der Weideparzelle von und zu dem an diesem Grundstück vorbeiführenden öffentlichen Weg ungehindert fortbesteht.

Dagegen begründet die Art und Weise der Verbindung eines Grundstücks mit anderen Grundstücken mit Hilfe des öffentlichen Wegenetzes für den Eigentümer keine Rechtsposition. Sie beruht allein auf dem Gemeingebrauch an den Straßen. Insoweit gilt daher für das Grundeigentum nichts anderes als für das Eigentum an einem Betrieb. Auf die Ausführungen dazu unter 1 wird verwiesen.

Auch im übrigen ist, selbst wenn man den eigenen Sachvortrag des Klägers zu Grunde legt, nicht ersichtlich, daß das Eigentum an der Weideparzelle in enteignender Weise beeinträchtigt worden ist.

Der Kläger hat zwar in der Berufungsbegründung behauptet, die Parzelle könne infolge des Ausbaus der Autobahn nicht mehr sinnvoll genutzt werden und sei nun auch nicht mehr verkäuflich. Entgegen der Meinung der Revision brauchte das Berufungsgericht diesem Vorbringen aber nicht nachzugehen. Diese Behauptungen sollten die Notwendigkeit der verlangten Umwegentschädigung unterstreichen. Der im übrigen nicht näher begründete Vortrag läßt aber nicht erkennen, aus welchen tatsächlichen Gründen die mit dem übrigen Grundeigentum des Klägers nicht zusammenhängende und innerhalb eines allgemein landwirtschaftlich genutzten Gebiets liegende Weide infolge des Autobahnbaus, abgesehen von dem in diesem Zusammenhang aus den schon genannten Gründen nicht zu berücksichtigenden Umweg zur Hofstelle, nicht mehr wie vorher wirtschaftlich genutzt werden kann.

Schließlich hat das Berufungsgericht auch eine nach § 8 Abs. 2 PrEnteigG in Verbindung mit § 19 Abs. 5 FernStrG entschädigungspflichtige Wertminderung der Parzelle infolge der Inanspruchnahme einer Teilfläche vom 221 qm Größe im Zuge des Autobahnbaus rechtsfehlerfrei mit der Erwägung verneint, der Vortrag des Klägers ergebe nicht, aus welchen tatsächlichen Gründen der Wert der dem Kläger verbliebenen Fläche von fast 15 ha durch die Abtrennung der ganz unbedeutenden Teilfläche gemindert worden sei.