Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 18.09.2001 - 13 A 99.1659

Aktenzeichen 13 A 99.1659 Entscheidung Urteil Datum 18.09.2001
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Findet ein Zugriff auf das Eigentum im Fremdinteresse nicht statt, stellt die nach den allgemeinen Planungsgrundsätzen gestaltete Abfindung des einzelnen Teilnehmers eine im privatnützigen Interesse der Solidargemeinschaft und des einzelnen Teilnehmers liegende Neuordnung des Grundbesitzes wie bei einer Regelflurbereinigung dar.
2. Die Feststellung der Enteignungsbetroffenheit umfasst sämtliche enteignungsrelevanten Umstände der Unternehmensflurbereinigung; durch den Ausschluss eines neben der Unternehmensflurbereinigung weiteren Enteignungsverfahrens hat der Flurbereinigungsplan alle von der Gewähr des Eigentums berührten Merkmale der Abfindung zu erfassen und hierbei sämtliche Enteignungspositionen aufzuführen.

Aus den Gründen

Auch ein Verfahren, das aus besonderem Anlass im Sinne des § 87 Abs. 1 FlurbG eingeleitet und durchgeführt wird (sog. Unternehmensflurbereinigung), ist ein Flurbereinigungsverfahren, auf das grundsätzlich alle Vorschriften der Regelflurbereinigung Anwendung finden, soweit ihre Anwendbarkeit nicht durch die Sondervorschriften des § 87 f. FlurbG eingeschränkt oder gänzlich verdrängt wird (Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, RdNr. 31 zu § 87). Die für die Abfindung eines Teilnehmers maßgeblichen Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG, insbesondere der Anspruch auf eine wertgleiche Landabfindung werden dahin begrenzt, als für nicht mehr behebbare, unternehmensbedingte Nachteile (§ 88 Nrn. 3, 4 und 5 FlurbG) Geldentschädigungen zu erbringen sind (§ 88 Nr. 6 FlurbG).

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 05.12.1985 RdL 1986, 100; vom 01.12.1988 BayVBl 1988, 374; vom 29.10.1990 RzF - 89 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG = BayVBl 1991, 756 = RdL 1991, 68; vom 22.04.1993 = RdL 1993, 294 und vom 11.07.1996 BayVBl 1997, 208 = RdL 1998, 319) erstreckt sich die gerichtliche Prüfung bei Abfindungsstreitigkeiten in der Unternehmensflurbereinigung darauf, ob die Abfindung eines Teilnehmers den Planungsgrundsätzen des § 44 FlurbG entspricht oder ob - nicht behebbare und deshalb dem Teilnehmer verbleibende - unternehmensbedingte Nachteile im Sinne des § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG den Anspruch auf eine wertgleiche Landabfindung im Sinne des § 44 Abs. 1 FlurbG mindern. Sind solche Nachteile gegeben, untersucht das Gericht, ob sie im Flurbereinigungsplan als enteignende Eingriffe erfasst sind.

Dazu hat der Senat in seiner Entscheidung vom 22. April 1993 (a.a.O.) ausgeführt:
"Ergeben sich aus dem Flurbereinigungsplan in Beachtung der Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG keine Wertminderungen im Sinne des § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG und scheidet deshalb die Anwendung dieser Sondervorschriften mangels gegebenen Sachverhaltes aus, ist die Abfindung vielmehr wertgleich im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Halbsatz 2 FlurbG, liegt trotz Unternehmensflurbereinigung eine Enteignung nicht vor. Denn eine Abfindung, die dem § 44 FlurbG entspricht, erfasst alle unter enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten bedeutsamen Qualitätsmerkmale und berücksichtigt in vollem Umfang das Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -; die der Anordnung der Unternehmensflurbereinigung anhaftende Fremdnützigkeit hat sich in solchen Fällen beim Planungsergebnis nicht aktualisiert. Die Landabfindung ist in diesem Fall, wie in der Regelflurbereinigung, Surrogat der alten Grundstücke. Die Regelung in § 68 Abs. 1 FlurbG gewährleistet damit als gesetzliche Inhaltsbestimmung des Eigentums das in Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Eigentum. Die Erkenntnis, dass Wertnachteile im Sinne des § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG verblieben sind, begründet die Wertungleichheit der Abfindung und erweist sich deshalb als enteignungsrechtlich relevant.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 1987 (BVerfGE 87, 264 f.) führt zu keiner anderen Beurteilung: Die in der genannten Entscheidung getroffene Unterscheidung zwischen der enteignungsrechtlich relevanten Vorwirkung der Anordnung der Unternehmensflurbereinigung (Grundverwaltungsakt) und der Enteignung im Vollzug der Planungsentscheidung (Enteignung im engeren Sinne) begründet die vom Senat vertretene Auffassung, dass am Ergebnis der Planentscheidung (Flurbereinigungsplan) ablesbar ist, ob die der "Fremdnützigkeit" dienenden Enteignungsvorschriften in § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG überhaupt zur Anwendung kommen und damit eine Enteignung vorliegt. Denn findet ein Zugriff auf das Eigentum im Fremdinteresse (§ 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG) nicht statt, erweist sich die nach den allgemeinen Planungsgrundsätzen (§ 37 f., § 44 f. FlurbG) gestaltete Abfindung des einzelnen Teilnehmers wie bei einer Regelflurbereinigung als eine im privatnützigen Interesse der Solidargemeinschaft und des einzelnen Teilnehmers liegende Neuordnung des Grundbesitzes." (vgl. dazu auch BVerwGE 80, 340 f. und Kaiser, AgrarR 1999, 370/373).

Dass die Flurbereinigungsbehörde im Flurbereinigungsplan die Entscheidung darüber trifft, ob im jeweiligen Fall die Wertgleichheit der Landabfindung nach § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Halbsatz 2 FlurbG oder ein Abfindungsdefizit im Sinne des § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG gegeben ist, kennzeichnet auch den Umfang ihrer Entscheidungsbefugnis. Die Feststellung der Enteignungsbetroffenheit umfasst sämtliche enteignungsrelevanten Umstände der Unternehmensflurbereinigung. Durch den Ausschluss eines neben der Unternehmensflurbereinigung weiteren Enteignungsverfahrens hat der Flurbereinigungsplan alle von der Gewähr des Eigentums berührten Merkmale der Abfindung zu erfassen und hierbei sämtliche Enteignungspositionen aufzulisten (BayVGH vom 11.07.1996, a.a.O.).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ergibt die auf den bestandskräftig festgestellten Ergebnissen der Wertermittlung beruhende Gegenüberstellung von Einlage und Abfindung des Klägers, dass bei dessen Abfindungsflurstück ... ein Strukturschaden als enteignungsrelevanter Nachteil verblieben ist, der den Anspruch des Klägers auf wertgleiche Abfindung im Sinne des § 44 Abs. 1 FlurbG mindert. Im Flurbereinigungsplan ist dieser Nachteil als enteignender Eingriff erfasst. Weitere ausgleichsbedürftige Nachteile liegen nach den Feststellungen des Gerichtes nicht vor. Die Landabfindung ist in Beachtung der Grundsätze des § 44 FlurbG ermessensgerecht ausgewiesen.

Der Kläger rügt zu Recht die Gestaltung des Abfindungsflurstücks ... . Zwar zeigt der Auszug aus dem Flurbereinigungsplan - Abfindungsnachweis - für den klägerischen Betrieb eine rein rechnerische Wertgleichheit der Abfindung.
...
Unter Beachtung a l l e r gleichwertigkeitsbestimmender Faktoren (§ 44 Abs. 2 und Abs. 4 FlurbG) haftet dem bezeichneten Flurstück (als einzigem Wiesengrundstück der Abfindung) jedoch ein enteignungsrelevanter Strukturschaden an, der im Wege der Landabfindung nicht ausgeglichen werden kann. Wie der gerichtliche Augenschein ergeben hat, wurde durch das zweckmäßige Anhalten der Gebüsch-/Wiesengrenze als Nordostgrenze des Abfindungsflurstücks ... dessen Südgrenze in die Waldrandlage entlang des neuen Flurstücks ... mit teilweiser vorhandener Grabenmulde verschoben. Zusätzlich erhielt der Kläger eine unwirtschaftliche Dreiecksfläche im Norden des Abfindungsflurstücks ... . Die darin liegenden Bewirtschaftungsnachteile berühren die Wertgleichheit der Abfindung; sie sind dem Kläger verblieben, da die Beklagte dem klägerischen Anspruch auf entsprechenden - und von § 44 Abs. 1 FlurbG geforderten - Landausgleich nicht nachkommen kann. Nach ihrer Erklärung steht ihr weiteres Land nicht zur Verfügung, zumal mit dem neuen Flurstück ... auch erstmals eine Zuwegung zum Abfindungsflurstück ... geschaffen werden musste. Die klägerische Abfindung bleibt damit unternehmensbedingt hinter der Einlage zurück. Diese Feststellung als Grundlage der Entscheidung über die Enteignungsentschädigung auszusprechen, war Aufgabe der Beklagten; sie ist ihr im Flurbereinigungsplan (Abfindungsnachweis - "unternehmensbedingter Nachteil") nachgekommen. Inzwischen wurde der Nachteil von der DLE als der für die Festsetzung der Enteignungsentschädigung zuständigen Behörde berechnet und eine Geldentschädigung zugesprochen, über deren Höhe im Streitfalle zu entscheiden Aufgabe der Zivilgerichte ist (§ 88 Nr. 7 FlurbG).