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von Anonymer Benutzer

RzF - 14 - zu § 88 Nr. 4 FlurbG

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.1983 - III ZR 113/82 = RdL 1984 S. 101

Aktenzeichen III ZR 113/82 Entscheidung Urteil Datum 22.09.1983
Gericht Bundesgerichtshof Veröffentlichungen RdL 1984 S. 101  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Erhält ein Eigentümer nach § 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG zum Ausgleich der für das Unternehmen aufgebrachten Fläche statt einer Entschädigung in Geld eine Landzuteilung, so kann er darüber hinaus eine Geldentschädigung aus dem Gesichtspunkt der Enteignung nur fordern, wenn er dartut, daß die Qualität des zugeteilten Grundstücks hinter der des abgegebenen Grundstückes mehr als nur unerheblich zurückbleibt.
2. Ein Vergleich der Verkehrswerte des gesamten landwirtschaftlichen Altbesitzes mit dem Wert des Neubesitzes ist nicht geeignet eine zusätzliche Geldentschädigung zu begründen. Vielmehr bedarf es der Darlegung im einzelnen, inwieweit durch den Abgang des dem Unternehmen zugeteilten Grundstückes betriebliche Erschwernisse und Ertragseinbußen eingetreten sind, die durch die Landzuteilung nicht ausgeglichen werden konnten.
3. Bei der Ermittlung enteignungsbedingter Betriebserschwernisse müssen Grundstücke, die nicht für das Unternehmen aufgebracht werden und die lediglich auf Wunsch des Eigentümers in das Verfahren einbezogen werden, unberücksichtigt bleiben.

Aus den Gründen

Bei der vom Berufungsgericht zuerkannten Entschädigung für eine Wertminderung des landwirtschaftlichen Betriebes der Kläger handelt es sich allerdings nicht um den Ausgleich für einen Nachteil, der von § 88 Nr. 5 FlurbG erfaßt wird. Hier findet vielmehr § 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG Anwendung.

Nach dieser Vorschrift hat der Träger des Unternehmens dem Eigentümer für eine für das Unternehmen aufgebrachte Fläche eine Geldentschädigung (ebenfalls zu Händen der Teilnehmergemeinschaft) zu leisten. Bei dieser "für die aufgebrachte Fläche" zu leistenden Entschädigung handelt es sich um eine Enteignungsentschädigung. Soweit im Rahmen einer Unternehmensflurbereinigung - wie sie hier in Rede steht - den Beteiligten eine Landabgabe zugunsten des Unternehmens abgefordert wird, stellt das einen Enteignungstatbestand dar (§ 88 Nr. 4 FlurbG; Senatsurteil vom 29.03.1976 - III ZR 98/73 = BGHZ 66, 173, 175; BVerwGE 3, 156, 157; 12, 1, 2). Daran ändert sich nichts, wenn auch in diesem Verfahren - worauf aber hier kein Anspruch besteht, vgl. BVerwG Buchholz 424.01 § 88 FlurbG Nr. 1 - eine Abfindung in Land gewährt wird, die dazu bestimmt ist, den Landverlust voll auszugleichen (vgl. § 44 Abs. 1 FlurbG). Diese Landabfindung ist nur eine besondere Art der Enteignungsentschädigung (s. Senatsurteil BGHZ 66, 173, 175).

Als Enteignungsentschädigung muß die Geldentschädigung nach § 88 Nr. 4 FlurbG alle Elemente umfassen, die zu einer einheitlichen Enteignungsentschädigung gehören. Dazu rechnen sämtliche Folgen, die durch die Flächenaufbringung bedingt sind, also Substanzverluste, An- und Durchschneidungsschäden sowie Einbußen durch Umwege (Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, § 88 Rn. 93 unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 30.09.1976 - III ZR 149/75 = BGHZ 67, 190, 192 ff., das eine Enteignung nach dem PrEnteigG betrifft; enger in der Abgrenzung zu § 88 Nr. 5 wohl Seehusen/Schwede FlurbG 3. Aufl. § 88 Rn. 5 und 6). Auch ein Minderwert der neu zugeteilten Fläche gehört hierzu, soweit diese dazu bestimmt ist, den für das Unternehmen vorgenommenen Landabzug auszugleichen.

Im Flurbereinigungs-(Umlegungs-)Verfahren muß zwar die Bewertung der zu vergleichenden Flächen alle für den Verkehrswert wesentlichen Qualitätsmerkmale erfassen. Ein bei dem Wertvergleich sich etwa ergebender Minderwert der neu zugeteilten Fläche berechtigt zu einer Geldentschädigung wegen Enteignung (§ 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG) nach allgemeinen Grundsätzen aber nur, wenn und soweit er auf Umständen beruht, die unter enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten bedeutsam sind. Dazu rechnen nur solche Nachteile und Beeinträchtigungen, die den Eigentümer in seiner Rechtsposition treffen. Denn nur sie ist "Eigentum" im Sinne der Verfassungsgarantie des Art. 14 GG. In dieser Weise rechtlich verfestigt sind nur Qualitätsmerkmale eines Grundstücks, die sich auf eine rechtlich zulässige (ausgeübte oder ausübbare) Nutzung des Grundstücks gründen können (Senatsurteil BGHZ 66, 173, 176 m. w. Nachw.).

Die Beschränkung der Prüfung auf die enteignungsrechtlich bedeutsamen Umstände gestattet bei der Anwendung des § 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG eine klare Abgrenzung der Zuständigkeit des Zivilrichters (Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG) zu der der Flurbereinigungsgerichte. Der im Flurbereinigungsverfahren zu verwirklichende Grundsatz der wertgleichen Abfindung in Land (§ 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) trägt dem Anliegen des Eigentümers Rechnung, Land mit denselben Qualitätsmerkmalen zu erhalten, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. Die fehlerhafte Handhabung dieses Grundsatzes im Einzelfall ist als Tat- und Rechtsfrage in vollem Umfang der Prüfung durch die Flurbereinigungsgerichte unterworfen (vgl. BVerwGE 12, 1, 8). Im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG hat dagegen der Zivilrichter zu prüfen, ob die Landzuteilung in Ansehung der eigentumsmäßig verfestigten Qualität hinter der für das Unternehmen aufgebrachten Fläche zurückbleibt. Nur soweit der Verkehrswert der beiden Flächen Ausdruck dieser rechtlich gesicherten Grundstücksqualität ist, hat er für die Frage Bedeutung, ob eine geringere Zuteilung in Land einen Enteignungstatbestand verwirklicht und in welcher Höhe gegebenenfalls (noch) eine Entschädigung in Geld zu leisten ist. Wird der Eigentümer in den Fällen der § 87 ff. FlurbG für die von ihm aufgebrachte Fläche nicht in Land, sondern in Geld entschädigt (§ 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG), so finden nach Maßgabe des § 88 Nr. 6 Satz 1 FlurbG die Entschädigungsgrundsätze Anwendung, die für den Entzug des Sacheigentums ("nach dem für das Unternehmen geltenden Gesetz", hier nach dem Bayerischen Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteigung (BayEG) vom 11.11.1974 (GVBl. 610)) gelten. Grundsätzlich ist dann dem Eigentümer der Wert zu vergüten, den die entzogene Fläche nach den Preisvorstellungen des gesunden Grundstücksverkehrs hatte. Erhält der Eigentümer auch in diesem Verfahren statt einer Entschädigung in Geld eine zum Ausgleich der aufgebrachten Fläche bestimmte Zuteilung in Land, macht er aber geltend, zusätzlich noch eine Geldentschädigung beanspruchen zu können, weil er bei einem Vergleich der Verkehrswerte des alten und des neuen (Gesamt-)Grundstücks in Ansehung der Landabzüge für das Unternehmen nicht angemessen abgefunden sei, so bewendet es bei dem Grundsatz, daß der Eigentümer, der in der Flurbereinigung ein Grundstück derselben Qualität und Nutzbarkeit erhalten hat, eine Geldentschädigung aus dem Gesichtspunkt der Enteignung nur fordern kann, wenn er dartut, daß die Qualität des zugeteilten Grundstücks, soweit sie sich bereits rechtlich verfestigt hat, hinter der des früheren Grundstücks mehr als nur unerheblich zurückbleibt (Senatsurteil BGHZ 66, 173, 179 f.).

Danach hätte das Berufungsgericht zunächst den Verkehrswert des von den Klägern für den Autobahnbau aufgebrachten Trassengrundstücks ermitteln müssen. Da dieses Grundstück Bestandteil eines enteignungsrechtlich geschützten landwirtschaftlichen Betriebes war, wäre auf den besonderen Wert für diesen Betrieb ("als Verbindungsfläche") abzuheben gewesen (vgl. Senatsurteil BGHZ 67, 190, 194). Sodann hätte festgestellt werden müssen, in welchem Umfang die Neuzuteilung des Flurstücks Nr. 1982, soweit sie dazu bestimmt ist, den Abgang des Trassengrundstücks auszugleichen, dieses Ziel erreicht hat. Nur wenn und soweit diese Neuzuteilung den Klägern eine geringere Rechtsposition vermittelt, können sie eine Entschädigung in Geld beanspruchen.

Dem entspricht das angefochtene Urteil nicht. Dieses vergleicht den Verkehrswert des gesamten landwirtschaftlichen Altbesitzes (FlNr. 187 - alt -, 234 und 238) mit dem Wert des Neubesitzes (FlNr. 187 - neu - und 1982). Dem Gutachten des Sachverständigen dem sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, können gesicherte Angaben zur Beurteilung der vorstehenden Fragen nicht entnommen werden.

Der Sachverständige hat als den Verkehrswert mindernd berücksichtigt, daß das neu zugeteilte Flurstück Nr. 1982 zu dem jetzigen Hofgrundstück der Kläger ungünstiger liegt (s. z. B. Gutachten vom 16.03.1981, S. 36 f., 48). Er hält es aber für möglich, daß der gesunde Grundstücksverkehr - wenn die Trennung durch die Autobahn keine Rolle spielt - die Flächen wegen der "relativ ortsnahen Lage" höher einstuft (Ergänzungsgutachten vom 07.12.1981, S. 15 und Sitzungsniederschrift vom 04.02.1982, S. 3/4).

Trifft das zu, dann führt die Erfassung der enteignungsrechtlichen Auswirkungen des Entzugs des Trassengrundstücks mit Hilfe des Verkehrswerts zu einer unzulässigen Wertverzerrung. Wäre dem Sachverständigen zu folgen, so würden die Kläger auch für einen "Minderwert" entschädigt, der seinen Grund allein in der Entfernung des Flurstücks Nr. 1982 vom Hofgrundstück hat, der aber für den gesunden Grundstücksverkehr nicht vorhanden ist, wenn das Hofgrundstück nicht jenseits der Autobahn liegt. Die Kläger könnten sich den (vollen) Verkehrswert jederzeit durch Veräußerung an einen entsprechenden Interessenten verschaffen. Im Grunde geht es hier um den Ausgleich von betrieblichen Erschwernissen und Ertragseinbußen, die durch den Abgang des Trassengrundstücks bedingt sind und die durch die Neuzuteilung nicht haben ausgeglichen werden können. Hierzu aber hat das Berufungsgericht keine abschließenden Feststellungen getroffen.

Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung der Geldentschädigung auch die Flurstücke Nr. 234 und Nr. 238 in seine Betrachtung miteinbezogen. Diese Flurstücke waren indes von dem Hofgrundstück Nr. 187 (alt) etwa 600 m entfernt, sie befanden sich also nicht innerhalb der geschlossenen Lage des Hofgrundstücks. Zudem sind sie lediglich auf Wunsch der Kläger in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen worden. Ansprüche auf Geldentschädigung haben dadurch nicht ausgelöst werden können. Insoweit handelt es sich nicht um einen Enteignungstatbestand, da diese Flächen nicht für das Unternehmen aufgebracht wurden (§ 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG; Quadflieg aaO § 87 Rn. 83, 84; § 88 Rn. 88). Mithin müssen bei der Ermittlung der enteignungsbedingten Betriebserschwernisse diese Flurstücke unberücksichtigt bleiben. Die darauf entfallende Landzuteilung in der Flurbereinigung kann unter enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten einen "Minderwert" nicht begründen. Sie kann andererseits aber geeignet sein, die durch den Landabzug für das Unternehmen entstehenden Nachteile ganz oder teilweise auszugleichen. Im übrigen sind etwaige Vorteile anzurechnen, die sich aus der Neuordnung des Flurbereinigungsgebiets ergeben (Quadflieg aaO § 88 Rn. 96; Seehusen/Schwede aaO § 88 Rn. 6). Die davon teilweise abweichenden Ausführungen im Senatsurteil vom 30.06.1977 - III ZR 74/75 = WM 1977, 1261 stehen nicht entgegen; sie betreffen nicht den Fall einer Unternehmensflurbereinigung gemäß § 87 ff. FlurbG.