Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 26.08.1969 - F III 165/68 = RdL1970 S. 245

Aktenzeichen F III 165/68 Entscheidung Urteil Datum 26.08.1969
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen = RdL1970 S. 245  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Einleitung eines Verfahrens nach § 87 FlurbG ist keine Enteignungsmaßnahme.
2. Soweit Landabzüge in einem Verfahren nach § 87 FlurbG eine Enteignung darstellen, ändern sie nicht den Charakter des Verfahrens.
3. Das Flurbereinigungsgericht ist kein Ausnahmegericht.
4. Zur Besetzung des Flurbereinigungsgerichts mit ehrenamtlichen Richtern.
5. Zur Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts bei Entscheidungen über Anfechtungsklagen gegen Flurbereinigungsbeschlüsse, die aufgrund des § 87 FlurbG ergangen sind.
6. Zur Frage der Durchführung von Vorverfahren nach § 142 FlurbG.
7. Zur Auslegung von § 87 FlurbG.

Aus den Gründen

Die Klagen sind zulässig. Für sie ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Nach § 40 VwGO, der gemäß § 138 FlurbG auch für Streitigkeiten auf dem Gebiet des Flurbereinigungsrechts gilt, ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Es geht zwischen den Parteien um den Bestand einer Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Dabei wird um den Verwaltungsakt gestritten, der diese Regelung angeordnet hat. Dies ist eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit. Dem steht nicht entgegen, daß die Kläger die Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts anzweifeln, weil sie die Vorschrift des § 140 FlurbG für verfassungswidrig halten. Eine Streitigkeit wird nämlich nicht schon deshalb eine verfassungsrechtliche, weil die Übereinstimmung einer bundesrechtlichen Norm, auf die es bei der Entscheidung im anhängigen Verwaltungsrechtsstreit ankommt, mit dem geltenden Verfassungsrecht von einem Beteiligten bestritten wird. Das könnte allenfalls dazu führen, daß das Gericht - wäre es gleicher Überzeugung - den Verwaltungsrechtsstreit aussetzen und die Entscheidung des jeweils zuständigen Verfassungsgerichts einholen müßte. Die Rechtsbehauptung der Kläger, es handele sich bei dem Flurbereinigungsbeschluß praktisch um eine in eine andere Form gekleidete Enteignungsmaßnahme, kann nicht zu einer gegenteiligen Entscheidung führen. Über die Rechtmäßigkeit einer Enteignungsmaßnahme entscheiden nämlich ebenfalls die Verwaltungsgerichte, sofern nicht durch Gesetz eine Verweisung an einen anderen Rechtsweg ausgesprochen wird. Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG schreibt nämlich nur vor, daß wegen der Höhe der Entschädigung im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offensteht. Dabei ist es allerdings auch nach der Rechtsprechung Sache des angerufenen Gerichts, nach dem Grund der geforderten Entschädigung zu forschen, also insbesondere zu prüfen, ob der geforderten Entschädigung eine Enteignung zu Grunde liegt oder nicht. Dieser Forderung des GG ist im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens nach § 88 Abs. 7 FlurbG Rechnung getragen. Daß in Umlegungsangelegenheiten nach dem Bundesbaugesetz die Baulandkammern der ordentlichen Gerichtsbarkeit entscheiden, ist Ausfluß einer besonderen gesetzlichen Regelung im Sinne des § 40 VwGO, nicht aber eine Folge der Bestimmung des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG. Aus ihr kann kein Argument für die Verfahrenswidrigkeit der Rechtswegebestimmung des § 40 VwGO, soweit sie sich auch auf Streitigkeiten über Verwaltungsakte auf Grund des Flurbereinigungsgesetzes bezieht, hergeleitet werden. Die Kläger hegen übrigens selbst nicht im Ernst irgendwelche Zweifel an der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges. Sie hätten sonst ihre Zweifel als Kläger dadurch zum Ausdruck bringen müssen, daß sie die Anfechtungsklagen gegen den Flurbereinigungsbeschluß zum Gericht eines nach ihrer Meinung eröffneten anderen Rechtsweges brachten. Demgegenüber haben sie trotz ihrer Zweifel bis heute nicht einmal einen Verweisungsantrag gestellt, obwohl zumindest ihrem Bevollmächtigten als Rechtskundigen die sich daraus möglicherweise ergebenden nachteiligen Folgen aus § 41 Abs. 3 VwGO bekannt sein mußten.

Der Senat ist jedoch auch in Würdigung des Vortrages der Kläger nicht im Zweifel darüber, daß sich § 140 FlurbG in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz befindet und die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts insoweit entbehrlich ist. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG ist nicht erkennbar. Hier gilt das gleiche, wie das schon oben zur Vereinbarkeit des Verwaltungsrechtsweges mit dieser Vorschrift des GG Gesagte. Abgesehen davon müssen sich die Kläger entgegenhalten lassen, daß es sich bei der Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG niemals um eine Enteignungsmaßnahme handeln kann. Der Flurbereinigungsbeschluß bewirkt in keinem Fall den zwangsweisen Übergang von irgendwelchen Vermögensgegenständen. Soweit die Landabzüge im späteren Verlauf des Verfahrens eine Enteignung darstellen (vgl. BVerwG, Urt. vom 20.2.1956 in NJW 56, 643), greift zwar das Enteignungsverfahren in das Flurbereinigungsverfahren über; sie bleiben aber dennoch Nebengeschäfte der Flurbereinigung, die den Charakter des von der Flurbereinigungsbehörde durchgeführten Verfahrens als Flurbereinigung mit dem Ziel der Vermeidung der Schäden eines reinen Enteignungsverfahrens nicht zu ändern vermögen (vgl. auch Seehusen, Schwede, Nebe, FlurbG, 2. Aufl., § 87 Anm. 1). Schon diese Unterschiede zeigen deutlich, daß es durchaus gerechtfertigt war, ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes wegen der Verschiedenartigkeit eines Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG und eines reinen Enteignungsverfahrens die Entscheidung über Verwaltungsakte nach § 87 FlurbG ebenfalls in die Hand der Flurbereinigungsgerichte zu legen. Der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG besagt nämlich nicht, daß auch verschiedenartige Sachverhalte die gleiche Regelung erfahren müßten.

Eine Unvereinbarkeit von § 140 FlurbG mit Art. 101 GG ist ebensowenig erkennbar. Das Flurbereinigungsgericht ist ersichtlich kein Ausnahmegericht. § 140 FlurbG entzieht auch keinen von einem Flurbereinigungsbeschluß nach § 87 FlurbG Betroffenen seinem gesetzlichen Richter. Er bestimmt vielmehr gerade, wer in einem solchen Fall gesetzlicher Richter sein soll.

Die Klagen sind auch zulässig, soweit es das Erfordernis der Durchführung von Vorverfahren nach § 142 FlurbG betrifft. Der Klage des Klägers steht nicht entgegen, daß das Vorverfahren nicht ordnungsgemäß durch Bescheid abgeschlossen wurde. Die Klage ist dennoch nach § 142 Abs. 3 FlurbG zulässig. Der Einspruch, hier ein Widerspruch nach § 142 Abs. 1 FlurbG, wurde nicht innerhalb einer Frist von 6 Monaten beschieden. Er ging beim Beklagten am 31.7.1968 ein. Bis zum 31.1.1969 hatte der Beklagte noch keinen Widerspruchsbescheid an den Kläger ergehen lassen. Daher war mit dem 1.2.1969 für den Kläger der Klageweg frei. Daß der Kläger seine Klage schon am 15.11.1968 erhoben hat, macht diese Klage nicht schlechthin unzulässig. Spätestens nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 142 Abs. 3 FlurbG ist sie zulässig geworden. Das Gesetz verlangt nämlich nicht, daß die Klageschrift erst nach Ablauf der sechs Monate bei Gericht eingehen müsse.

Der Klage steht auch nicht entgegen, daß der Kläger in seinem Schreiben vom 18.9.1968 an das Landeskulturamt erklärte, er nehme seinen Widerspruch zurück. Nach dem gesamten Inhalt dieses Schreibens ist die Zurücknahmeerklärung an die Erwartung geknüpft, daß das für die Straßenbaumaßnahmen benötigte Land mit einem Preis von 12,-- DM pro qm entschädigt und die Abfindung des Klägers in bestimmter Weise gestaltet werde. Hierin liegt eine aufschiebende Bedingung, die sich die Widerspruchsbehörde ersichtlich nicht zu eigen machen wollte, da sie einfach schwieg, die im übrigen in der Form, in der sie gestellt war, den Einspruch ohnehin bis zu ihrem Eintritt aufrecht erhielt. Solange aber ein Widerspruch nicht endgültig beseitigt ist, besteht eine Pflicht der Behörde, über ihn zu entscheiden, und das Recht des Widerspruchsführers, im Falle des Schweigens der Widerspruchsbehörde Klage zu erheben.

Die Klage der Klägerin ist zulässig, obwohl im Vorverfahren ihr Ehemann als Widerspruchsführer auftrat. Entscheidend ist, daß die Grundstücke, um die es auch im Vorverfahren ging, Grundstücke der Klägerin waren. Es hätte der Widerspruchsbehörde obgelegen, schon die schließlich vom erkennenden Senat festgestellte Tatsache zu ermitteln, daß der Ehemann der Klägerin gar nicht in eigenem Namen, sondern im Namen seiner Ehefrau Widerspruch erheben wollte. Die Tatsache, daß die obere Flurbereinigungsbehörde trotz Kenntnis von den Eigentumsverhältnissen an den Grundstücken gegenüber deren Ehemann statt gegenüber der Klägerin sachlich entschieden hat, beruht lediglich auf einer Unterlassung der Aufklärungspflicht, die die Widerspruchsbehörde hat. Das kann der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Soweit die Kläger erst zwischen Abschluß des Vorverfahrens und Erhebung der Anfechtungsklage Eigentümer der Grundstücke der E.R., verw. N., geb. St., geworden sind, treten sie in den von ihrer Rechtsvorgängerin hinterlassenen Rechtszustand ein. Hier müssen die gleichen Grundsätze gelten, wie wenn die Rechtsvorgängerin bereits selbst Klage erhoben hätte. Es wäre in einem solchen Fall Sache der Rechtsnachfolger, das von ihr begonnene Rechtsmittelverfahren entweder zu beenden oder aufzunehmen (§ 239 ZPO i.V. m. § 173 VwGO und § 138 FlurbG). Im vorliegenden Fall ist die Klage zugleich als Aufnahme des Rechtsmittelverfahrens anzusehen und ein erneutes Vorverfahren gegenüber den Klägern entbehrlich.

Auch die Klage des Klägers ist zulässig, obwohl der Widerspruchsbescheid ihm nicht zugestellt wurde. Die Zulässigkeit dieser am 15.11.1968 bei Gericht eingegangenen Klage gründet sich ebenfalls auf § 142 Abs. 3 FlurbG. Auch hier bedurfte es nur des Ablaufs der Sechsmonatsfrist nach Einlegung des Widerspruchs.
Der Senat war an der Entscheidung über die danach zulässigen Klagen nicht gehindert.

Die Kläger wollen einen Hinderungsgrund zunächst darin sehen, daß der Senat trotz Befolgung der Vorschrift des § 139 FlurbG nicht ordnungsgemäß besetzt sei. Das Überwiegen des Laienelements kann aber kein Grund zur Annahme einer fehlerhaften Besetzung sein. § 139 FlurbG steht gleichrangig neben anderen Vorschriften der deutschen Gerichtsverfassung und verstößt nach der Überzeugung des Senats auch nicht gegen Verfassungsrecht. Weder das GG noch die Länderverfassungen noch schließlich das im Range darunter stehende Gerichtsverfassungsrecht kennen ein Verbot des Überwiegens der Zahl der nicht hauptberuflichen Richter in einem Spruchkörper. Insoweit wird zum Beispiel auf die Institutionen des Schöffengerichts, der Handelskammer und des Arbeitsgerichts verwiesen. Im übrigen besteht auch kein sachlicher Grund, das Flurbereinigungsgericht bei Anfechtung der Einleitung von Flurbereinigungsverfahren nach § 87 FlurbG in einer dem § 139 FlurbG nicht entsprechenden Besetzung entscheiden zu lassen. Es gehört zu den Pflichten eines jeden Richters, also auch zu den Pflichten der ehrenamtlichen Richter, sich mit der Rechtsmaterie, der die Grundlagen für eine zu treffende Entscheidung entnommen werden müssen, hinreichend vertraut zu machen. Dazu gehört auch die Beschäftigung mit Rechtsgebieten, die nicht dem zentralen Erfahrungskreis des jeweiligen Richters angehören. Daher ist die Behauptung, die ehrenamtlichen Richter im vorliegenden Rechtsstreit beherrschten das Enteignungsrecht aus ihrer bisherigen ausschließlichen Beschäftigung mit dem Flurbereinigungsrecht nicht, abgesehen von ihrer Unrichtigkeit auch unerheblich. Insbesondere ist es völlig abwegig, aus dem angeblich geringeren Schwierigkeitsgrad von Rechtsproblemen aus der Flurbereinigung gegenüber enteignungsrechtlichen Problemen auf eine mangelnde Eignung der ehrenamtlichen Richter des Flurbereinigungsgerichts zu schließen.

§ 87 FlurbG will nämlich die von einer Enteignung hervorgerufenen großen Beeinträchtigungen im Bereich ländlicher Grundstücke weitgehend beseitigen. Daher kann er schon von seiner Zielsetzung her niemals dazu "mißbraucht" werden, die Vorschriften des Enteignungsrechts zu umgehen und eine Enteignung in die Tat umzusetzen. Ziel der Flurbereinigung nach § 87 FlurbG ist es ja gerade, die bei einer Enteignung sich ergebende notwendige Folge völligen Landverlustes einzelner betroffener Eigentümer zu verhindern und diesen durch Zuteilung von Ersatzflächen sowie durch sonstige landeskulturelle Maßnahmen das Grundeigentum in weitestgehendem Maße zu erhalten. § 87 FlurbG trägt gerade alle Voraussetzungen in sich, die Art. 14 GG im Hinblick auf Enteignungsgesetze vorschreibt. Er regelt in Verbindung mit § 88 Abs. 4 und 5 Art und Ausmaß der Entschädigung für etwa eintretende Flächenabzüge und eröffnet für den Streit über die Höhe der Entschädigung den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten. Es stellt daher in keiner Weise einen Mißbrauch zur Umgehung von Voraussetzungen des Enteignungsrechts dar, wenn ein Unternehmen bei der Enteignungsbehörde statt eines Enteignungsverfahrens die Durchführung einer Flurbereinigung anregt.

Die nach § 87 in Verbindung mit § 88 Ziff. 1 und § 5 FlurbG zu fordernden Voraussetzungen für einen Flurbereinigungsbeschluß, daß nämlich

a) aus besonderem Anlaß eine Enteignung zur Inanspruchnahme von ländlichen Grundstücken in größerem Umfange durchgeführt wird,

b) ein Antrag der Enteignungsbehörde zur Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG vorliegt,

c) die Möglichkeit der Verteilung des dem Betroffenen entstehenden Landverlustes auf einen größeren Kreis von Eigentümern oder die Möglichkeit der Vermeidung der durch das Unternehmen entstehenden Nachteile für die allgemeine Landeskultur besteht und diese Möglichkeiten auch wahrgenommen werden sollen,

d) der Plan im Enteignungsverfahren mindestens vorläufig festgestellt ist,

e) die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer bei der Aufklärung auf den besonderen Zweck des Verfahrens nach § 87 FlurbG hingewiesen worden sind,

f) das Ausmaß der Verteilung des Landverlustes im Einvernehmen mit der landwirtschaftlichen Berufsvertretung geregelt worden ist,

sind sämtlich erfüllt.

Auch die materiellen Voraussetzungen zu a) und c) sind erfüllt. Was die erstere angeht, so hat der Regierungspräsident in W. die Enteignung der in die vorgesehene Trasse fallenden Flächen eingeleitet. Dadurch sollen Grundstücke in Anspruch genommen werden, von denen die Kläger entweder ausdrücklich sagen oder aber stillschweigend einräumen, es handele sich um gärtnerisch genutzte Grundstücke. Diese sind als ländliche Grundstücke im Sinne des § 87 FlurbG anzusehen. Zwar hat der Kläger bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragen, bei seinen Grundstücken handele es sich um Bauerwartungsland. Das schließt - wie im vorliegenden Fall - noch nicht die Annahme aus, daß auch seine Grundstücke den ländlichen Grundstücken im Sinne des § 87 FlurbG zuzurechnen wären. Der Begriff "ländliche Grundstücke" besagt nichts anderes, als daß die fraglichen Grundstücke im ländlichen Bereich liegen müssen. Dabei kann es sich durchaus sogar um Industriegrundstücke o.ä. handeln (vgl. Drees. Voraussetzungen und Besonderheiten von Flurbereinigungsverfahren im Interesse von Unternehmen, RdL 1967, 281 ff. 282).

Die Frage, ob durch die Enteignung ländliche Grundstücke in großem Umfange in Anspruch genommen werden, ist gleichermaßen zu bejahen. In § 87 FlurbG ist damit eine Fläche gemeint, die über das Maß hinausgeht, was sonst üblicherweise von Unternehmen benötigt wird, die eine Enteignung veranlassen (vgl. Steuer, FlurbG, 2. Aufl., zu § 87 Anm. 7). Dabei ist von der Fläche auszugehen, die vom Planfeststellungsbeschluß erfaßt wird (vgl. Steuer aaO und Drees aaO S. 283). Von dem Planfeststellungsbeschluß werden mindestens rd. 18,5 ha ländliche Grundstücke erfaßt. Davon sind rd. 14,5 ha nicht im Wege des freihändigen Erwerbs zu erlangen. Daraus folgt, daß es der Straßenbauverwaltung bisher nicht möglich gewesen ist, auch nur 50 % der in der Trasse liegenden Flächen in ihr Eigentum zu bringen. Daraus kann nur der weitere Schluß gezogen werden, daß im Hinblick auf die Größe und Ausdehnung der Baumaßnahme ländliche Grundstücke in großem Umfange auf dem Wege der Enteignung zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn nicht im Wege der Flurbereinigung Landersatz gegeben werden kann. Die Größe der der Straßenbauverwaltung an anderen Stellen der Gemarkung oder des Flurbereinigungsgebiets durch Abtretungserklärungen nach § 52 FlurbG zur Verfügung stehenden Flächen von 14,46 ha berührt nicht den Umfang der Grundstücke, die von dem Unternehmen außerhalb eines Flurbereinigungsverfahrens in einem gegen die Grundstückseigentümer gerichteten Enteignungsverfahren hätten beschafft werden müssen (vgl. Urteil des erk. Senats vom 23.1.1969 - III F 245/67 - Rehwald./.Land Hessen). Sie können daher bei der Beurteilung, ob die Flächen, die im Wege der Enteignung zur Verfügung gestellt werden müssen, großen Umfang haben oder nicht, keineswegs in Betracht gezogen werden. Sie dienen vielmehr lediglich der Verwirklichung des Grundsatzes der Naturalrestitution (§ 249 BGB), der auch bei der Entschädigung für Landverluste im Verlaufe eines Verfahrens nach § 87 FlurbG Geltung hat (vgl. Urteil des erk. Senats aaO).

Was die oben zu c) genannte Voraussetzung angeht, läßt sich schon anhand der dem Senat vorliegenden Kartenunterlagen erkennen, daß es sehr wohl möglich ist, in dem Bereich des Flurbereinigungsverfahrens O. mittels Einbeziehung einer größeren Zahl ländlicher Grundstücke den Landverlust für die einzelnen von der Trassenführung unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümer durch eine Neugestaltung der Eigentumsverhältnisse tragbarer zu machen. Im übrigen schneidet die Trasse erkennbar eine größere Zahl von Grundstücken und Wegen, wodurch Wegeverbindungen unterbrochen und unbewirtschaftbare Restparzellen übrig bleiben werden. Dies führt dazu, daß die allgemeinen landeskulturellen Belange, insbesondere auch im Hinblick auf eine Pflege der Landschaft, beeinträchtigt werden. Weder schwer zugängliche Grundstücke noch ungünstig geformte kleine Restgrundstücke würden sich dem Interesse ihrer Eigentümer an der Pflege dieser Grundstücke sehr empfehlen, insbesondere würden erhebliche Wirtschaftserschwernisse in diesem Bereich eintreten. Damit sind alle Voraussetzungen für den Flurbereinigungsbeschluß im Verfahren O. gemäß § 87 FlurbG ordnungsgemäß erfüllt.

Soweit insbesondere die Kläger damit argumentieren, daß das Enteignungsverfahren, mithin auch der Antrag der Straßenbauverwaltung auf Einleitung des Enteignungsverfahrens an die Enteignungsbehörde sowie der Antrag der letzteren auf Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG an die Flurbereinigungsbehörde unzulässig sei, weil sich nicht die Notwendigkeit eines Enteignungsverfahrens im Sinne des § 19 BFernStrG ergebe, müsse sie sich auf den Wortlaut des Gesetzes verweisen lassen. Dieser schreibt der Flurbereinigungsbehörde nicht vor, die Zulässigkeit des Enteignungsverfahrens im Hinblick darauf zu prüfen, ob die Enteignung eine nach § 19 BFernStrG notwendige Maßnahme sei. Die Flurbereinigungsbehörde hat allenfalls zu prüfen, ob der Antrag auf Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG von der für die Enteignung zuständigen Behörde in rechter Form gestellt ist und ob der Plan des Unternehmens wenigstens vorläufig festgestellt ist. Aus diesem Grunde ist der gesamte Vortrag der Kläger einschließlich des umfangreichen mitgeteilten Schriftwechsels, der sich auf die mangelnde Bereitschaft der Straßenbauverwaltung zum freihändigen Ankauf bezieht, unerheblich.

Selbst wenn die Ansicht der Kläger richtig sein sollte, daß die obere Flurbereinigungsbehörde vor Erlaß des Flurbereinigungsbeschlusses hätten prüfen müssen, ob das durch den Antrag des Straßenbauamts an die Enteignungsbehörde angestoßene und durch den Antrag der Enteignungsbehörde an die obere Flurbereinigungsbehörde in eine endgültige Richtung gelenkte Enteignungsverfahren zulässig wäre, könnte dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Bereits im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Flurbereinigungsbeschlusses stand nämlich schon fest, daß die Straßenbaubehörde nicht in der Lage sein werde, das für das Vorhaben erforderliche Trassengelände im Wege freihändigen Erwerbs in ihre Hände zu bekommen. Hier muß nämlich auf die unwidersprochen gebliebene Angabe der Kläger hingewiesen werden, man habe sich selbstverständlich dagegen gesträubt, nur die in die Trasse fallenden Flächen an die Straßenbauverwaltung zu veräußern. Dieser bereits im Zeitpunkt der Aufklärungsversammlung am 19.3.1968 erkennbare Standpunkt der betroffenen Eigentümer zeigt, daß der Antrag der Straßenbaubehörde auf Einleitung des Enteignungsverfahrens und der Antrag der Enteignungsbehörde auf Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG zu Recht gestellt wurden. Für die Frage, ob Verkaufsbereitschaft besteht oder nicht, und für die Frage, ob ein Enteignungsverfahren notwendig ist oder nicht, kommt es nämlich allein darauf an, ob die Grundstücke oder Grundstücksteile, die in die Trasse der geplanten Ortsumgehung fallen, freihändig erworben werden können. Hierzu fehlte jedoch nach eigenem Vortrag der Kläger schon spätestens seit dem 19.3.1968 (Zeitpunkt der Aufklärungsversammlung) der Verkaufswille der fraglichen Eigentümer.

Damit wird auch der Angriff der Kläger entkräftet, der sich darauf stützt, daß anstelle des Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG allenfalls ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 86 FlurbG hätte eingeleitet werden dürfen. Das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren nach § 86 FlurbG setzt nämlich voraus, daß das erforderliche Land in der Trasse nicht von den Teilnehmern, sondern von dem Unternehmen bereits bei Verfahrensbeginn bereitgestellt wird. Im vorliegenden Falle ist aber das Unternehmen bis heute noch nicht in der Lage, das Land in der Trasse bereitzustellen, sondern allenfalls Flächen, die sich teils in der Trasse, teils außerhalb derselben befinden.

Soweit die Kläger insbesondere ihre Verkaufsbereitschaft ins Feld führen, steht dies der Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG unter Zuziehung ihrer Grundstücke zum Verfahrensgebiet nicht entgegen. Der Zweck des Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG ist insgesamt gegenwärtig nur auf dem beschrittenen Wege zu erreichen. Darauf allein kommt es an.

Auch der Vortrag, daß das Verfahrensgebiet nicht ordnungsgemäß abgegrenzt sei, kann bei Betrachtung der vorgelegten Karten nicht durchgreifen. Die Größe des Verfahrensgebietes wird dadurch gerechtfertigt, daß sie einen den Umständen nach verhältnismäßig geringen Landverlust der einzelnen Betroffenen gewährleistet. Ein Verstoß gegen § 7 FlurbG ist schon deswegen nicht anzunehmen.

Anmerkung

Dieses Urteil wurde durch Beschluß des BVerwG vom 19.6.1970 - IV B 196.69 bestätigt.