Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.07.1968 - IV B 144.67

Aktenzeichen IV B 144.67 Entscheidung Beschluss Datum 31.07.1968
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Frage der Fortsetzung eines Verfahrens nach § 1, § 4 FlurbG unter ergänzender Anwendung der § 87 - § 89 FlurbG.

Aus den Gründen

Das beklagte Landesamt für Flurbereinigung und Siedlung leitete durch Beschluß vom 12.7.1962 für Gebiete, die nach der Planung der Bundesstraßenbehörde von der Autobahn durchschnitten werden sollten, ein Flurbereinigungsverfahren nach § 4, § 1 FlurbG ein und sah in Ziffer 4 des Beschlusses vor, daß dieses Verfahren nach den Sonderbestimmungen der § 87 bis § 89 FlurbG fortgesetzt werden solle, sobald der Plan für das Bundesfernstraßenunternehmen nach dem Bundesfernstraßengesetz festgestellt sein würde und der Regierungspräsident als Enteignungsbehörde ein solches Verfahren beantrage. Der genannte Beschluß erstreckt sich auf ein Gebiet, in dem Ländereien der Kläger liegen. Zweck der Umstellung auf das Verfahren nach den § 87 ff. FlurbG sollte sein, den für den Bau der Autobahn durch Enteignung entstehenden erheblichen Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern zu verteilen und Nachteile für die allgemeine Landeskultur durch Neueinteilung der Grundstücke unter Schaffung eines neuen, den Erfordernissen entsprechenden Wege- und Gewässernetzes zu mildern. Auf die vorgesehene Umstellung des Verfahrens sind die Teilnehmer u.a. in der Begründung des Beschlusses besonders hingewiesen worden.

Die Flurbereinigungsbehörden haben für das getroffene Verfahrensgebiet das Straßen-, Wege- und Gewässernetz unter Berücksichtigung der Autobahnführungsstraße neu verplant und ausgebaut. Diesen Beschluß hatten die Kläger im Streitverfahren bekämpft, soweit er die Umstellung des Flurbereinigungsverfahrens nach den Sonderbestimmungen der § 87 bis § 89 Flurbereinigungsgesetz vorsieht. Nachdem der Regierungspräsident auf Grund des Planfeststellungsbeschlusses der Obersten Landesbaubehörde vom 18.3.1966 einen neuen Flurbereinigungsbeschluß beantragt hatte und dieser unter dem 13.6.1966 erlassen worden war, erklärten die Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragten, die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen. Die Erledigungserklärung haben sie damit begründet, daß sie sich von ihren Einwendungen keinen Erfolg mehr versprächen, nachdem die Trassenführung durchgeführt worden sei. Daher erklärten sie sich notgedrungen mit der Durchführung eines Verfahrens nach § 87 ff. FlurbG einverstanden, zu dem sie nunmehr den durch den Autobahnbau verlorengehenden Grund und Boden zum überwiegenden Teil nur in der Flurbereinigung in betriebswirtschaftlich vertretbarer Weise ersetzt erhalten könnten. Der Beklagte hat den Rechtsstreit - aus Rechtsgründen - nicht für in der Hauptsache erledigt angesehen und an seinem Antrage auf kostenpflichtige Klageabweisung festgehalten.

Das Flurbereinigungsgericht hat dahin entschieden, es werde festgestellt, daß die Hauptsache erledigt ist, daß Gerichtskosten nicht erhoben und daß die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegt werden. Es hat die Revision nicht zugelassen. In den Gründen hat es ausgeführt, daß eine Verfahrenseinleitung nach § 87 FlurbG erfolgt sei, daß aber ein Verfahren auf Grund der Bestimmung des § 87 Abs. 2 FlurbG in Verbindung mit § 19 Abs. 2 FStrG nur nach Planfeststellung nach dem Fernstraßengesetz zulässig sei. Eine vorherige Einleitung stelle eine Gesetzesumgehung dar. Wenn dies vorher geschehen sei, möge zwar das Verfahren nicht von vornherein rechtsunwirksam, jedoch begründet anfechtbar gewesen sein. Den im Kommentar von Steuer in der Bemerkung 14 zu § 87 FlurbG ganz allgemein für brauchbar angesehenen und neuerdings von der Praxis eingeschlagenen Weg, nämlich bei zu erwartender Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz zunächst ein Verfahren gemäß § 1 und § 4 FlurbG einzuleiten und zu gegebener Zeit die Anwendung der § 87 ff. FlurbG anzuordnen, halte es gesetzlich nicht für vertretbar. Zumindest müsse eine vorläufige Planfeststellung vorliegen. Dies sei zum Schutze der betroffenen Grundstückseigentümer unerläßlich. Sie sollten solange vor einer Bereitstellung größerer Flächen bewahrt bleiben, bis das gesetzlich vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren entsprechend fortgeschritten sei. Das Gericht stütze seine enge Auslegung der Bestimmung des § 87 FlurbG auch darauf, daß sich der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Vorschrift davon habe leiten lassen, die Flurbereinigungsbehörde in ihrer Arbeit nach Möglichkeit von der sich aus der Enteignung ergebenden Verantwortung freizuhalten. Die vorzeitige Besitzeinweisung schaffe vollendete Tatsachen. Es sei daher der Ausgang des Streitverfahrens zugunsten der Kläger nicht zweifelhaft.

Der Beklagte hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die er mit grundsätzlicher Bedeutung der Sache begründet. Er hält die Sache "aus Rechtsgründen" nicht für erledigt. Für seine Rechtsansicht, daß schon bei Einleitung eines normalen Flurbereinigungsverfahrens eine Umstellung auf das Sonderverfahren nach den § 87 ff. FlurbG angeordnet werden könne, stützt er sich auf eine Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts Kassel vom 31.1.1967 und auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.5.1959 - BVerwG I C 227.56 -.

Dem Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, daß die von ihm angeschnittene Rechtsfrage, ob in einem mit der Anwendung der § 1, § 4, § 37 (§ 19, § 47) FlurbG beginnenden Verfahren bereits Vorsorge dahingehend getroffen wird, daß es - nach Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der § 87 bis § 89 FlurbG auch in Anwendung dieser Vorschriften fortgesetzt und weitergeführt werden kann bzw. umzustellen ist, der grundsätzlichen Klärung bedürfte. Denn das von ihm zur Stützung seiner Rechtsansicht angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.5.1959 bezieht sich auf einen Fall der Umlegung nach der Reichsumlegungsordnung. Darin wird aufgeführt, daß auch bei einer Umlegung nach § 1 Abs. 1 RUO "bestimmte Vorschriften des Unternehmensverfahrens gleichwohl anzuwenden sind". Denn es entspreche nicht nur der Gerechtigkeit, sondern auch dem Sinn der Reichsumlegungsordnung, "diejenigen Vorschriften, die für die Besonderheiten des Unternehmensverfahrens bestehen, auch dann anzuwenden, wenn die Umlegung durch ein solches Verfahren ausgelöst wird, aber die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 RUO nicht vorliegen". Die Klärung der Frage, ob auch in bezug auf die Anwendung des die Reichsumlegungsordnung ablösenden Flurbereinigungsgesetzes von dieser grundsätzlichen Erkenntnis auszugehen ist - wozu der erkennende Senat neige -, würde durchaus der Rechtsfortbildung dienen. Aber diese grundsätzliche Rechtsfrage ist im Rahmen dieses Streitfalls nicht klärungsfähig. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 14.1.1965 - BVerwG I C 68.61 - ausgeführt hat, setzt der Begriff der Erledigung in der Hauptsache ein Ereignis voraus, das die Klage gegenstandslos gemacht hat. Das bloße Interesse, eine Rechtsfrage zu klären, "die nur für die künftige Entstehung von Rechtsverhältnissen einer Partei mit anderen Personen Bedeutung haben kann", sei nicht schutzwürdig. Der Beklagte hat aber "aus Rechtsgründen" (vgl. Seite 9 des angefochtenen Urteils) den Rechtsstreit nicht für in der Hauptsache erledigt angesehen und an seinem Antrage auf kostenpflichtige Klageabweisung festgehalten. Für die Eröffnung des Revisionsverfahrens ist daher unter diesem Gesichtspunkt kein Raum, wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob etwa das Rechtsmittel der Revision zulässig wäre, wenn der Beklagte damit eine Änderung des angefochtenen Urteils im Kostenpunkte hätte anstreben wollen (vgl. Aufsatz von Weimar in MDR 1968 S. 555; "Zwischeninstanzliche Erledigung der Hauptsache"), und es sich nicht um eine echte Erledigungserklärung, sondern um eine Klagerücknahme gehandelt haben sollte, wie der Beklagte meint.