Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 06.05.1991 - 7 S 766/90 = RdL 1991, 324= BWVPr. 1992, 14= AgrarR 1992 S. 273

Aktenzeichen 7 S 766/90 Entscheidung Urteil Datum 06.05.1991
Gericht Flurbereinigungsgericht Mannheim Veröffentlichungen RdL 1991, 324 = BWVPr. 1992, 14 = AgrarR 1992 S. 273  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Mit "Landverlust" meint § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG die Gesamtheit der Grundstücke, die dem engeren Kreis von Enteignungsbetroffenen zur Ausführung des Unternehmens entzogen und dem Unternehmensträger zu Eigentum zugeteilt werden. Dagegen stellt ein "Landabzug" ein Defizit der Landabfindung dar. Ein Landverlust kann auch mit Ersatzflächen des Unternehmensträgers im Verfahrensgebiet bewältigt werden, so daß die Teilnehmer keinen Landabzug hinnehmen müssen.
2. Auch wenn kein Landabzug zu erwarten ist, ist bei Anordnung des Verfahrens der primäre Landverlust in Rechnung zu stellen, insbesondere für eine Gebietsabgrenzung nach Lage der verfügbaren Ersatzflächen.
3. Das Interesse der Eigentümer an der Vermeidung eines Landabzuges geht dem Interesse der Pächter am unveränderten Bestand der Pachtobjekte vor. Dies ist im Rahmen des Ermessens bei der Anordnung des Verfahrens nach § 87 ff. FlurbG zu berücksichtigen.
4. Einleitung des Planfeststellungsverfahrens im Sinne des § 87 Abs. 2 Satz 1 FlurbG meint den Beginn des Anhörungsverfahrens.

Aus den Gründen

Bezüglich dieser Unternehmen sind die Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 Satz 1 FlurbG erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann die Unternehmensflurbereinigung angeordnet werden, wenn das Planfeststellungsverfahren oder ein entsprechendes Verfahren für das Unternehmen, zu dessen Gunsten die Enteignung durchgeführt werden soll, eingeleitet ist. "Einleitung" bedeutet insoweit lediglich der Beginn des Anhörungsverfahrens (vgl. Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, Erl. 141 zu § 87 FlurbG).

Der Beklagte geht davon aus, daß es "zu keinem Landverlust kommt, weil die Landsiedlung für die Unternehmensträger Grundstücke in einem Umfange erworben hat, der den Flächenbedarf für die Unternehmen einschließlich des Ausgleichs von Nachteilen deckt".

Doch wäre damit, wie vom BVerwG bereits in dem Urteil vom 14.03.1985, BVerwGE 71, 108, 118 dargelegt, der Unterschied zwischen dem Begriff des "Landverlustes" i. S. d. § 87 Abs. 1 FlurbG und dem Begriff der nach § 88 Nr. 4 FlurbG von den Teilnehmern gegebenenfalls "aufzubringenden" Flächen verkannt: Der Landverlust i. S. d. § 87 Abs. 1 FlurbG entsteht primär einem engeren Kreis von "Betroffenen" durch die Inanspruchnahme der Grundstücke, die im Bereich des geplanten Unternehmens liegen und für dessen Verwirklichung benötigt werden, deswegen aus der Umlegungsmasse ausgesondert werden müssen und dem Unternehmensträger zu Eigentum zugeteilt werden. Der Landverlust, den die primär Betroffenen zu gewärtigen haben, ist indessen mit einem "Landabzug", den später die Teilnehmer des Verfahrens als der "größere Kreis von Eigentümern" i. S. d. § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG wegen der Flächenaufbringung für das Unternehmen nach Maßgabe von § 88 Nr. 4 FlurbG im dort genannten Wertverhältnis hinzunehmen haben, quantitativ und qualitativ nicht notwendigerweise identisch (vgl. auch Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, Erl. 82 - 84 zu § 87 FlurbG). Denn der bei Anordnung des Verfahrens in Rechnung zu stellende Landverlust kann im Verfahren bei zweckentsprechender Gebietsabgrenzung (§ 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) auch teilweise oder ganz mit Ersatzflächen bewältigt werden, die dem Unternehmensträger dort außerhalb des überplanten Bereiches gehören oder durch Landverzicht nach § 52 FlurbG verfügbar werden. Es ist deshalb unzulässig, aus der begründeten Erwartung, daß bei Abfindung der Teilnehmer kein Landabzug erforderlich sein wird, den Rückschluß zu ziehen, daß dann auch bei Anordnung des Verfahrens kein Landverlust in Rechnung zu stellen ist. Es kommt nach alledem bezüglich des hier in Rede stehenden Anordnungsgrundes "Verteilung des den Betroffenen entstehenden Landverlustes auf einen größeren Kreis von Eigentümern", nicht darauf an, ob bei den Eigentümern auch ein Landabzug erforderlich wird. Denn ein "Landverlust" i. S. d. § 87 Abs. 1 FlurbG entsteht auch dann, wenn ein Landabzug - wie hier - nicht notwendig wird. Freilich ist die Formulierung des § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG insoweit verunglückt. Insbesondere kann der den Betroffenen durch die Unternehmen entstehende Landverlust im strengen Wortsinne nicht "verteilt" werden. Gemeint und abzustellen ist deshalb darauf, ob - wie in dem Urteil des BVerwG vom 14.03.1985, a.a.O., S. 118, im einzelnen dargelegt - mit dem Flurbereinigungsverfahren nach § 87 ff. FlurbG (auch) bezweckt wird, die Folgen des Landverlustes durch eine nachteilsausgleichende einlageorientierte Umverteilung auf die Gesamtheit der Flurbereinigungsteilnehmer zu mildern und damit erträglicher zu gestalten bzw. - wie im vorliegenden Falle - einen Landabzug sogar gänzlich zu vermeiden (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschl. v. 06.01.1987, Buchholz 424.01, § 87 FlurbG Nr. 9).

Gleiches gilt, soweit sich der Kläger gegen die Ermessensbetätigung des Beklagten auf seine Interessen als Nebenbeteiligter beruft. Da er in dieser Rechtsstellung nicht klagebefugt ist, könnte allenfalls eine Ermessensbetätigung, in der die Belange der Pächter schlechthin willkürlich außer acht gelassen oder beiseite geschoben wären, zur Aufhebung des Flurbereinigungsbeschlusses führen. Von solcher Fehlerhaftigkeit kann aber keine Rede sein. Denn der Beklagte hat die Belange der Pächter gesehen und die möglichen Interessenkollisionen zwischen Eigentümern und Pächtern erkannt, und er hat unter richtiger Würdigung von Sinn und Bedeutung der Gewährleistung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG und der durch Art. 14 Abs. 3 GG gestellten Anforderungen zutreffend angenommen, daß das Interesse der Eigentümer an einer landabzugsfreien Verlustbewältigung gegenüber dem Interesse der Pächter am unveränderten Fortbestand der Pachtobjekte vorrangig zu berücksichtigen ist. Diese Gewichtung führt jedenfalls für den Kläger nicht zu Nachteilen, die zum Zweck des Verfahrens außer jedem Verhältnis stehen würden.