Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 23.01.1969 - F III 245/67

Aktenzeichen F III 245/67 Entscheidung Urteil Datum 23.01.1969
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Abgrenzung der Verfahren nach § 86 und § 87 FlurbG.
2. Zu den Voraussetzungen eines Verfahrens nach § 87 ff. FlurbG.
3. Zur Begrenzung des Verfahrensgebietes.
4. Nach § 88 Nr. 3 FlurbG kann eine vorläufige Anordnung im Gegensatz zum Normfall zur Regelung fremder Interesse erlassen werden.
5. Dringende Gründe werden jedoch nicht anders als in einem Verfahren nach § 1 FlurbG auch im Verfahren nach § 87 ff. für den Erlaß einer vorläufigen Anordnung vorausgesetzt.

Aus den Gründen

Durch die Enteignung sollen ländliche Grundstücke "in großem Umfange" im Sinne von § 87 Abs. 1 FlurbG in Anspruch genommen werden. Das Gesetz sagt nichts ausdrücklich darüber, nach welchem Maßstab der Umfang des Landbedarfs als groß anzusehen ist. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 13.11.1964 - F III 46/63 - (vgl. auch Seehusen-Schwede-Nebe, FlurbG 2. Aufl. zu § 40 Anm. 1) ausgesprochen, daß es für die Feststellung, ob es sich bei den gemäß § 40 FlurbG im Flurbereinigungsverfahren für Anlagen im öffentlichen Interesse bereitgestellten Flächen um Land in verhältnismäßig geringem Umfange handelt, nicht auf die Größe der Fläche oder den Wert des bereitgestellten Landes ankommt, sondern auf das Verhältnis des Wertes der für die öffentliche Anlage benötigten Fläche zum Wert der Gesamtfläche des Flurbereinigungsgebietes. In diesem Zusammenhang hat der Senat eine Fläche von rd. 2 % des Verfahrensgebietes bzw. der beitragsfähigen Grundstücke als Land in verhältnismäßig geringem Umfang im Sinne von § 40 FlurbG bezeichnet. Dies gibt nun aber keinen Anlaß, den Umfang der in B. für den Straßenbau benötigten etwa 3 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Verfahrensgebietes umfassenden Fläche etwa nicht als groß im Sinne von § 87 FlurbG anzusprechen. Zwischen der Bestimmung des § 40 FlurbG und der des § 87 besteht nämlich ein grundlegender Unterschied insoweit, als das Land für öffentliche Anlagen nach § 40 im Flurbereinigungsverfahren durch einen Landabzug bereitgestellt wird, während der Umfang des Landbedarfs im Sinne von § 87 FlurbG vom Unternehmen aus, also ohne Bezug auf das Flurbereinigungsverfahren und auf die Größe des Flurbereinigungsgebietes zu betrachten ist. Ob es sich um Grundstücke "in großem Umfange" handelt, ist daher losgelöst von der Größe des Flurbereinigungsgebietes zu beurteilen. Der Unterschied zwischen den beiden erwähnten Bestimmungen kommt übrigens schon im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck, denn in § 40 wird von Land in verhältnismäßig geringem Umfange gesprochen und damit das Verhältnis zu den Werteinheiten des Verfahrensgebietes herausgestellt, während in der Bestimmung des § 87 das Wort "verhältnismäßig" nicht enthalten ist. Demnach wird mit der Bezeichnung "Grundstücke in großem Umfange" in § 87 eine absolute Größe - unabhängig von dem Wert der Gesamtfläche des Flurbereinigungsgebietes - angesprochen. Es muß sich jedoch um einen Landbedarf handeln, der über das Maß hinausgeht, was sonst üblicherweise von Unternehmen benötigt wird, die eine Enteignung veranlassen (vgl. Steuer, FlurbG, 2. Aufl., zu § 87 Anm. 7). Dabei ist von der Fläche auszugehen, die von dem Planfeststellungsbeschluß erfaßt wird (vgl. Steuer aaO und Drees, RdL 1967, 281 (283)). Im übrigen kommt es, wenn man Steuer (aaO Anm. 6) folgen will, nicht entscheidend darauf an, eine absolute Größe des Landbedarfs festzustellen, die den Anforderungen des § 87 Abs. 1 genügt; vielmehr kann auch dann von einem Landbedarf in großem Umfange gesprochen werden, wenn im Hinblick auf die nachteiligen Auswirkungen des Unternehmens für die allgemeine Landeskultur der Aufwand einer Flurbereinigung gerechtfertigt erscheint (so auch Bad.-Württ. Urteil vom 21.12.1964 - V 342 und vom 7.4.1961 - V 626/60).

Nach dem insoweit unstreitigen Vorbringen der Parteien handelt es sich bei der benötigten Fläche um gut 27 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Der Umfang dieser Grundstücke ist als groß im Sinne von § 87 Abs. 1 FlurbG zu bezeichnen.

Der Umstand, daß die Straßenbauverwaltung bereits Land im Umfange von 23.5 ha an anderen Stellen der Gemarkung angekauft hat, gibt keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage. Es ist vielmehr davon auszugehen, welche Flächen ohne Berücksichtigung eines freihändigen Landerwerbs der Bundesstraßenverwaltung für die Ausweisung des Straßenkörpers und seiner Nebenanlagen benötigt werden. Die Größe der von der Bundesstraßenverwaltung an anderen Stellen der Gemarkung erworbenen Grundstücke berührt nicht den Umfang der Grundstücke, die von dem Unternehmen außerhalb eines Flurbereinigungsverfahrens in einem gegen die Grundeigentümer gerichteten Enteignungsverfahren hätten beschafft werden müssen. Die von der Bundesstraßenverwaltung angekauften Grundstücke dienen vielmehr dem Zweck, die Entschädigung für die für den Straßenkörper in Anspruch genommenen Grundstücke wenigstens zum Teil in Land zu gewähren. Das entspricht dem auch sonst im Rechtsleben geltenden Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 BGB). Nur soweit dies nicht möglich ist und auch die Verteilung des verbleibenden Landverlustes auf einen größeren Kreis von Eigentümern nicht ausreicht, ist eine Geldentschädigung zu leisten (vgl. § 88 Nr. 4 und 5 FlurbG).