Landgericht Bayreuth, Beschluss vom 19.01.1977 - 3 T 163/76

Aktenzeichen 3 T 163/76 Entscheidung Beschluss Datum 19.01.1977
Gericht Landgericht Bayreuth Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zu den Grenzen der Prüfungsbefugnis des Grundbuchamtes nach § 38 GBO.

Aus den Gründen

Die nach zulässiger Vorlage als Beschwerde gegen die Zurückweisung des Eintragungsersuchens vom 5.2.1976 zu behandelnde Erinnerung der Flurbereinigungsbehörde ist statthaft, formgerecht eingelegt und auch sonst zulässig (§ 11 Abs. 1 und 2 RpflG, §§ 71, 72, 73 GBO, § 82 FlurbG). Die um vorzeitige Grundbuchberichtigung ersuchende Flurbereinigungsbehörde ist gegen die Zurückweisung ihres Eintragungsersuchens auch beschwerdeberechtigt (§ 38 GBO, Horber, Kommentar zur Grundbuchordnung, 12. Aufl. Anm. 8 zu § 38 GBO).

Die Beschwerde ist auch begründet. Das Grundbuchamt hat bei der Behandlung des Eintragungsersuchens seine Prüfungsbefugnis überschritten und die Grundbuchberichtigung zu Unrecht aus Gründen außerhalb des Grundbuchverfahrens abgelehnt.

Das Grundbuchamt hat im Rahmen des Verfahrens nach § 38 GBO (Eintragung auf Ersuchen einer Behörde) nur zu prüfen, ob die ersuchende Behörde zur Stellung eines Ersuchens der in Rede stehenden Art abstrakt befugt ist, ob das Ersuchen bezüglich seiner Form und seines Inhalts den gesetzlichen Vorschriften entspricht und ob die durch das Ersuchen nicht ersetzten Eintragungserfordernisse gegeben sind. Nicht zu prüfen ist dagegen, ob die Voraussetzungen, unter denen die Behörde zu dem Ersuchen befugt ist, tatsächlich vorliegen; hierfür trägt allein die ersuchende Behörde die Verantwortung (Horber, 12. Auflage, Anm. 6 a zu § 38 GBO; BayObLGZ 1970, 185).

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Grundbuchamt weiß, daß es an den materiellen Voraussetzungen des Eintragungsersuchens mangelt. Ist dem Grundbuchamt also der insoweit zugrundeliegende Sachverhalt sicher bekannt und ist die sich hieraus ergebende Rechtslage ohne jeden Zweifel dahin geklärt, daß dem Ersuchen jede Rechtsgrundlage fehlt, so ist es durch das Grundbuchamt zurückzuweisen, da es nicht dazu mitwirken darf, das Grundbuch unrichtig zu machen (Horber a.a.O.; BayObLGZ a.a.O.)

Den vorliegenden Eintragungsunterlagen sind keinerlei Umstände zu entnehmen, die eine derartige Ausnahme rechtfertigen.

Das Eintragungsersuchen der Beschwerdeführerin ist ausdrücklich auf § 82 FlurbG gestützt. Danach muß die Flurbereinigungsbehörde auf Antrag eines Teilnehmers das Grundbuchamt um vorzeitige (d. h. bevor es selbst die Grundbuchberichtigung nach § 79 FlurbG veranlaßt hat) Berichtigung durch Eintragung seiner neuen Grundstücke ersuchen. Dadurch soll der Teilnehmer vor Beeinträchtigungen geschützt werden, die dadurch eintreten können, daß durch die Ausführungsanordnung (§ 62 Abs. 1 FlurbG) die Eigentumsverhältnisse bereits geändert sind, das Grundbuch mit dieser Rechtslage aber nicht im Einklang steht (Seehusen / Schwede / Nebe, Kommentar zum Flurbereinigungsgesetz, 2. Auflage, Anm. 2 zu § 82 FlurbG). Grundlage der Ausführungsanordnung ist der Flurbereinigungsplan. Zu dem in der Ausführungsanordnung zu bestimmenden Zeitpunkt tritt der im Flurbereinigungsplan vorgesehene Rechtsstand an die Stelle des bisherigen (§ 61 Satz 2 FlurbG). Materielle Grundlagen des Eintragungsersuchens der Flurbereinigungsbehörde gegenüber dem Grundbuchamt sind deshalb die in der Ausführungsanordnung und dem Flurbereinigungsplan liegenden Verwaltungsakte der Flurbereinigungsbehörde. Die ordentlichen Gerichte - und damit auch das Grundbuchamt - sind jedoch nicht befugt, außerhalb ihrer Zuständigkeit Verwaltungsakte auf ihre Fehlerhaftigkeit hin zu überprüfen. Lediglich der nichtige Verwaltungsakt ist allgemein unbeachtlich. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes kann deshalb auch durch das ordentliche Gericht festgestellt werden. Nichtigkeit ist jedoch nur im Falle ganz schwerer offensichtlicher Mängel gegeben (BayOLGZ a.a.O.). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, daß das Grundbuchamt nur dann von den durch den Ersatzausweis nachgewiesenen Festlegungen des Flurbereinigungsplanes abweichen konnte, wenn es dessen Nichtigkeit bei der hier zu beurteilenden Landzuweisung sicher ohne Zweifel wegen offenkundiger schwerer Mängel bejahen durfte.

Derartige Nichtigkeitsgründe sind jedoch weder den Grundakten noch den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen. Die Beanstandung des Grundbuchamtes hinsichtlich der Teilnehmergemeinschaft des im Ersatzausweis als neuer Eigentümer der neugebildeten Flur-Nr. 927 bezeichneten Landwirts K. B. zielt von vorneherein nur auf die angebliche Fehlerhaftigkeit des Flurbereinigungsplanes hin und enthält keinen Nichtigkeitsgrund, da damit ein ganz offensichtlicher schwerer Mangel des Flurbereinigungsplanes - die materielle Richtigkeit der Beanstandung unterstellt - nicht aufgezeigt ist. Darüber hinaus besteht jedoch auch keinerlei Anlaß, die Rechtmäßigkeit der im Flurbereinigungsplan enthaltenen Landzuweisung an den Landwirt K. B. anzuzweifeln. Die diesbezüglichen rechtlichen Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Beschlusses sind unzutreffend. Am Flurbereinigungsverfahren beteiligt sind gemäß § 10 Nr. 2 e auch Empfänger neuer Grundstücke nach den Bestimmungen der § 54, § 55 FlurbG. Nach § 54 Abs. 2 FlurbG ist das infolge Geldabfindungen und nach § 46 FlurbG zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigte Land in einer dem Zwecke der Flurbereinigung entsprechenden Weise oder für Siedlungszwecke zu verwenden. Das Land wird dem Empfänger durch den Flurbereinigungsplan zugeteilt. Es kann sich dabei um sog. "Neusiedler", die - wie hier - kein Land in das Flurbereinigungsverfahren eingebracht haben, oder auch um solche Personen handeln, die zwar Land eingeworfen haben, deren Betriebe aber durch eine Landzulage aufgestockt werden (Seehusen / Schwede / Nebe, 2. Auflage, Anm. 5 f zu § 10 FlurbG). Gemäß § 52 Abs. 1 FlurbG kann ein Teilnehmer mit seiner Zustimmung ganz oder teilweise in Geld abgefunden werden, wobei die Zustimmung der schriftlichen Form bedarf (§ 52 Abs. 2 Satz 1 FlurbG). Diese Erklärung des Teilnehmers stellt im Grunde nichts anderes dar, als die Verfügung über Grundstücke. Die für das bürgerliche Recht geltenden Formvorschriften werden damit für die Flurbereinigung wesentlich erleichtert. Es bedarf weder einer notariellen Verhandlung nach § 313 BGB noch der Auflassung nach § 873 BGB. Der Eigentumsübergang tritt auch nicht erst mit der Eintragung im Grundbuch, sondern bereits mit dem Erlaß der Ausführungsanordnung ein (Seehusen / Schwede / Nebe, 2. Auflage, Anm. 2 zu § 52 FlurbG). Bei der im Einlagen- und im Ersatzausweis bezeichneten Urkunde des Notariats P. - URNr. 766/75 kann es sich deshalb um eine Abfindungsvereinbarung unter Beteiligung der Flurbereinigungsbehörde, des Grundeigentümers W. B. und seines Sohnes K. B. handeln, in der die Zuweisung nach § 54 Abs. 2 FlurbG, die Zustimmung nach § 52 Abs. 1 FlurbG und die Höhe der Geldabfindung nach § 54 Abs. 1 FlurbG festgelegt sind. Diese Vereinbarung kann die Grundlage des Flurbereinigungsplanes hinsichtlich der vom Verfahren betroffenen Grundstücke des Landwirts W. B. darstellen. Damit liegt keine Umgehung der für den Vollzug notarieller Urkunden geltenden Vorschriften vor. Es wurde vielmehr von den durch das Flurbereinigungsgesetz geschaffenen Erleichterungen für die Übertragung von Grundeigentum Gebrauch gemacht. Es ist auch denkbar, daß die genannte Urkunde die Erklärungen des im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Landwirts und seines Sohnes enthält, die der Vollziehung einer unabhängig vom Flurbereinigungsverfahren beabsichtigten Hofübergabe dienen sollten. Auch in diesem Falle steht dem Vollzug im Flurbereinigungsplan nichts entgegen. Es ist allein Sache der Flurbereinigungsbehörde zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Landzuweisung an einen "Neusiedler" nach § 54 Abs. 2 FlurbG auch in der Person des Hofübernehmers vorliegen.

Bei dieser Sachlage bestand für das Grundbuchamt keinerlei Anlaß und Berechtigung zum Inhalt der bezeichneten Notariatsurkunde weitere Ermittlungen anzustellen. Die betreffende Urkunde befindet sich im übrigen nicht bei den Grundakten. Sie ist auch vom Notar offensichtlich nicht zum Vollzug vorgelegt worden, weil Abfindungsvereinbarungen im Flurbereinigungsverfahren nicht durch Eintragung im Grundbuch, sondern durch den Flurbereinigungsplan in Verbindung mit der Ausführungsanordnung vollzogen werden. Es ist den Akten auch sonst nicht zu entnehmen, in welcher Weise der Rechtspfleger Kenntnis vom Inhalt der notariellen Urkunde erlangt hat. Die Kammer sieht jedoch keine Veranlassung, die Urkunde zur Überprüfung beizuziehen, da für die Nichtigkeit des der beantragten Grundbuchberichtigung zugrundeliegenden Verwaltungsaktes - und hierauf ist allein abzustellen - nicht die geringsten Anhaltspunkte bestehen.