Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 05.03.1992 - 13 A 90.2438

Aktenzeichen 13 A 90.2438 Entscheidung Urteil Datum 05.03.1992
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine fehlerhafte öffentliche Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses in einer von mehreren Bekanntmachungsgemeinden hat nicht dessen Nichtigkeit zur Folge.
2. Bekanntmachungsmängel führen lediglich dazu, daß weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der § 141 Abs. 1 Satz 2 FlurbG und § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruchsfristen laufen.
3. Dies rechtfertigt jedoch nicht das Unterlassen eines Widerspruchs. Der Widerspruch ist vielmehr in angemessener Frist einzulegen, sobald sichere Kenntnis vom fehlerhaft bekanntgegebenen Verwaltungsakt vorliegt. Die Angemessenheit der Frist gebietet, ab dem Zeitpunkt der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens nach § 58 Abs. 2 VwGO zu verfahren.

Aus den Gründen

Die fehlerhafte Bekanntmachung hat jedoch nicht die Nichtigkeit des Flurbereinigungsbeschlusses zur Folge, denn die in der Beachtung der gesetzlichen Fristen ordnungsgemäße Durchführung der öffentlichen Bekanntmachung stellt keine Wirksamkeitsvoraussetzung des Gesamtverwaltungsaktes Flurbereinigungsbeschluß dar wie die erforderliche Verkündung einer Rechtsnorm. Während diese eine allen Bürgern zugängliche und erkennbare Verlautbarung verlangt, die ihnen ermöglicht, sich vom Inhalt des Gesetzes Kenntnis zu verschaffen (BVerfGE 16, 6 <17>, BVerwGE 17, 192, BVerwG vom 15.02.1972, VerwRspr. 24, 209), führt die nicht ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses in einer Flurbereinigungsgemeinde nur dazu, daß der Flurbereinigungsbeschluß den Teilnehmern dieser Gemeinde nicht wirksam bekanntgegeben worden ist. Da die öffentliche Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses die konkret-individuelle Bekanntgabe an einen einzelnen Beteiligten ersetzen soll, ergeben sich aus der Unvollständigkeit der Bekanntmachung die Folgen, die der fehlerhaften konkret-individuellen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes anhaften, weshalb der Flurbereinigungsbeschluß vom 15.05.1986 im Hinblick auf Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG den Klägern gegenüber nicht wirksam geworden ist (vgl. BVerwG vom 12.04.1978 BVerwG 5 B 65.76; BVerwG vom 28.10.1982 a.a.O.).

Der Bekanntmachungsmangel, der zunächst bewirkt, daß für die Kläger weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der § 141 Abs. 1 Satz 2 FlurbG und § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruchsfristen liefen, rechtfertigt nicht das Unterlassen eines Widerspruchs. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich das Gericht anschließt, kann sich nicht auf die unvollständige öffentliche Bekanntmachung berufen, wer trotz fehlerhafter Bekanntmachung der Gebietskarte als Teil des wesentlichen Inhalts des Flurbereinigungsbeschlusses auf andere Weise sichere Kenntnis vom Flurbereinigungsbeschluß und seinem Betroffensein hiervon erlangt oder hätte erlangen müssen. "Es ist ihm nach den Grundsätzen der Verwirkung von Rechten verwehrt, auf die fehlende Wirksamkeit dieses Verwaltungsakts abzuheben; er muß sich so behandeln lassen, als sei der Flurbereinigungsbeschluß wirksam öffentlich bekanntgemacht worden" (BVerwG vom 12.10.1982 a.a.O.; BVerwGE 44, 294). Auch in diesem Falle ist ihm abzuverlangen, Einwendungen gegen den Verwaltungsakt in angemessener Zeit vorzubringen. Das haben die Kläger unterlassen.

Ausweislich der Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 05.03.1992 war dem Kläger im Juni 1986 bekannt, daß die Flurstücke 423 und 470 zum Flurbereinigungsgebiet gehörten. Er habe seinerzeit in die Gebietskarte eingesehen und dies dort festgestellt. Diese Äußerung wird dadurch bekräftigt, daß der Kläger eigenen Angaben zufolge (vgl. Schreiben vom 16.07.1990 an die Teilnehmergemeinschaft) Vorstandsmitglied der Teilnehmergemeinschaft ist bzw. war, was die Anordnung der Flurbereinigung und die Wahl zum Vorstand als am Flurbereinigungsverfahren Beteiligter voraussetzt (vgl. § 16, § 21 FlurbG). Auch der Antrag vom 10.03.1987 auf Befreiung vom Abzug nach § 47 FlurbG und von den Beiträgen nach § 19 FlurbG für die große Lage des Flurstücks 470 fordert gedanklich die Kenntnis vom Betroffensein. In die gleiche Richtung zielt der Vortrag der Kläger im Schreiben vom 08.08.1991 (Blatt 46 des Gerichtsaktes), sie hätten seinerzeit keinen Widerspruch erhoben, weil sie auf den Inhalt des Aktenvermerks vom 24.04.1986 vertraut hätten. (Darauf, ob der Kläger von der Auslegungsfrist vom 06. bis 20.06.1986 Bescheid gewußt hat, kommt es dagegen nicht an, wie er in seinem nach der Urteilsverkündung eingegangenen Schreiben verkennt.)

Die Angemessenheit der Frist zur Einlegung des Widerspruchs gebietet es, den Fristenlauf ab dem Zeitpunkt der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens vom Betroffensein nach der Vorschrift des § 58 Abs. 2 VwGO zu berechnen (vgl. BVerwGE 44, 294). Der erst am 25.07.1990 eingegangene Widerspruch kam damit um Jahre zu spät.