Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.10.1982 - 5 C 46.81 = RdL 1983 S. 69
Aktenzeichen | 5 C 46.81 | Entscheidung | Urteil | Datum | 28.10.1982 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1983 S. 69 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zum entscheidenden Teil des Flurbereinigungsbeschlusses gehört neben der Anordnung der Durchführungsart auch die Feststellung des Flurbereinigungsgebietes. |
2. | Soweit die Gebietsabgrenzung durch Bezugnahme auf die Darstellung in der Gebietskarte vorgenommen worden ist, gehört die im Flurbereinigungsbeschluß angeführte Gebietskarte zu dem entscheidenden Teil, der nach § 6 Abs. 2 FlurbG öffentlich bekannt zu machen ist. |
3. | Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung des Textteils des Anordnungsbeschlusses in einer Flurbereinigungsgemeinde mit dem Hinweis auf die Auslegung der Gebietskarte in einer benachbarten, zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Gemeinde, so liegt hinsichtlich der in der erstgenannten Gemeinde wohnenden Beteiligten keine ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung vor. |
Aus den Gründen
In Übereinstimmung mit dem Flurbereinigungsgericht ist festzuhalten, daß zum entscheidenden Teil des Flurbereinigungsbeschlusses neben der Anordnung der Durchführungsart auch die Feststellung des Flurbereinigungsgebiets gehört (§ 4 FlurbG), das dem besonderen Zweck unterworfen werden soll. Die Feststellung des Flurbereinigungsgebiets hier deswegen, weil von dessen Begrenzung (Perimeter) abhängt, welche Grundstücke von der besonderen Verfahrensgestaltung erfaßt werden (§ 7 Abs. 2 FlurbG); hieraus wiederum ergibt sich, wer als Eigentümer oder erbbauberechtigter Teilnehmer des Verfahrens wird (§ 10 Nr. 1 FlurbG). Einer Verfahrensanordnung ohne Gebietsbegrenzung würde es an der Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs fehlen, aus dem der Kreis der Adressaten der Anordnung sich ergibt. Denn ohne Feststellung des räumlichen Geltungsbereichs wäre nicht bestimmt, welche Grundstücke vom Verfahren erfaßt werden. Demzufolge könnte nicht festgestellt werden, wem gegenüber die Anordnung gelten sollte, wer die Durchführungsmaßnahmen gegen sich gelten lassen müßte und wer als Beteiligter welche Rechte geltend machen könnte. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gebietsbegrenzung durch eine Zusammenstellung der darin liegenden Grundstücksbezeichnungen (Flurstücksnummern) erfolgt oder durch zeichnerische und farbliche Darstellungen auf amtlich erstellten Plänen oder Gebietskarten vorgenommen wird, deren Eintragungen die beteiligten Grundstücke (Parzellen) erkennbar machen und damit die in Betracht kommenden Teilnehmer festlegen. Daraus folgt, daß eine Flurbereinigungsanordnung ohne Gebietsfestlegung nichtig wäre.
Im vorliegenden Fall ist die Gebietsbegrenzung, in der das eingeleitete Verfahren unter Anwendung der § 87 - § 89 FlurbG fortgeführt werden soll, und damit der Kreis der von der besonderen Verfahrensanordnung Betroffenen durch Bezugnahme auf die Darstellung in der Gebietskarte vorgenommen bzw. festgelegt worden. Die im Flurbereinigungsbeschluß angeführte Gebietskarte gehört deshalb zu dem entscheidenden Teil, der nach § 6 Abs. 2 FlurbG öffentlich bekanntzumachen ist. Die öffentliche Bekanntmachung des entscheidenden Teils des Flurbereinigungsbeschlusses (§ 6 Abs. 2 FlurbG) als eines Verwaltungsakts darf dann erfolgen, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist (vgl. § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG). Einer grundsätzlich gebotenen Einzeleröffnung dieser gegenüber einem bestimmten Personenkreis verbindlichen Anordnung bedarf es danach nicht mehr. Diese Art der Benachrichtigung der Beteiligten im Flurbereinigungsverfahren ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar (Beschluß vom 12. April 1978 - BVerwG 5 B 65.76 - (Buchholz 424.01 § 6 FlurbG Nr. 1) und die dort angeführte Rechtspr.). Dem rechtsstaatlichen Grundsatz, daß ein Verwaltungsakt demjenigen gegenüber, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er ihm bekanntgegeben wird (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG), trägt im Flurbereinigungsverfahren § 110 Satz 1 FlurbG Rechnung. Danach sollen von der Anordnung der Flurbereinigung in erster Linie die beteiligten Grundstückseigentümer im Sinne des § 10 Nr. 1 FlurbG unterrichtet werden; die öffentliche Bekanntmachung hat deshalb in den Flurbereinigungsgemeinden, in denen beteiligte Grundstücke liegen, zu erfolgen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FlurbG) und in den angrenzenden Gemeinden dann, wenn dort Beteiligte, Vertreter, Bevollmächtigte oder Empfangsbevollmächtigte wohnen.
Nach den vom Flurbereinigungsgericht anhand des in Bezug genommenen Direktionsakts Teil II getroffenen Feststellungen ist in der Stadt E. nur der Textteil des Anordnungsbeschlusses öffentlich bekanntgemacht worden. Danach war das in der Gebietskarte festgestellte Flurbereinigungsgebiet in der Flurbereinigungsgemeinde E., der Wohnsitzgemeinde der Kläger, selbst nicht mit verlautbart worden. In Übereinstimmung mit dem Flurbereinigungsgericht ist deshalb davon auszugehen, daß ein wesentlicher Teil des entscheidenden Inhalts des Anordnungsbeschlusses in der Wohnsitzgemeinde der Kläger nicht öffentlich bekanntgemacht worden ist. In dem öffentlich bekanntgemachten Teil des Anordnungsbeschlusses ist zwar unter II. Nr. 1 der Hinweis enthalten, daß ein Abdruck des Beschlusses mit Begründung und die Gebietskarte zur Einsichtnahme der Beteiligten in der Gemeindekanzlei der Gemeinde U. bei der Verwaltungsgemeinschaft M. ausliege. Dieser Hinweis auf die Auslegung der Gebietskarte in einer benachbarten, wenngleich zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Gemeinde kann den aufgezeigten Bekanntmachungsmangel jedoch nicht ersetzen, weil der entscheidende Teil des Beschlusses in der hier in Betracht kommenden Flurbereinigungsgemeinde nur dann verlautbart ist, wenn er vollständig, das heißt mit der Gebietskarte öffentlich bekannt gemacht worden ist. Der Hinweis in der Bekanntmachung auf die anderen Orts vorgesehene Auslegung der Gebietskarte ersetzt jedenfalls nicht den festgestellten Mangel der Bekanntmachung.
Die vollständige ordnungsgemäße Durchführung der öffentlichen Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses ist jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung dieses Verwaltungsakts (Gesamtakt) schlechthin wie die der gehörigen Verkündung einer Rechtsnorm. Während die Verlautbarung von Rechtsnormen eine den Betroffenen zugängliche und erkennbare Verkündung erfordert, die dem Bürger gestattet, sich Kenntnis vom Inhalt des Gesetzes zu verschaffen (BVerfGE 16, 6 (17), BVerwGE 17, 192 (193), Urteile vom 11. Februar 1972 - BVerwG 7 C 37.69 - (VerwRspr. 24, 209), und 18. April 1975 - BVerwG 7 C 41.73 - (Buchholz 401.84 BenGeb Nr. 25), hat die unvollständige oder nicht ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses in einer Flurbereinigungsgemeinde nur zur Folge, daß der Flurbereinigungsbeschluß den (potentiellen) Teilnehmern dieser Gemeinde, in denen beteiligte Grundstücke liegen, nicht wirksam bekannt gegeben ist. Da die zulässige öffentliche Bekanntmachung eines Verwaltungsakts nur die konkret-individuelle Bekanntgabe an einen einzelnen Betroffenen ersetzen soll bzw. erübrigt, kann die nicht ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung eines Verwaltungsakts keine weitergehende Wirkung haben, als die nicht ordnungsgemäße konkret-individuelle Bekanntgabe eines Verwaltungsakts entfalten kann. Wird ein Verwaltungsakt einem (potentiell) davon Betroffenen nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben, dann wird er diesem gegenüber nicht wirksam (vgl. § 43 Abs. 1 VwVfG). Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß wegen der nicht ordnungsgemäßen öffentlichen Bekanntmachung eines wesentlichen Bestandteils des entscheidenden Teils des angegriffenen Anordnungsbeschlusses dieser den Klägern gegenüber nicht wirksam bekanntgegeben ist (Beschlüsse vom 28. Dezember 1959 - BVerwG 1 CB 170.59 - (RdL 1960, 166) und 12. April 1978 - BVerwG 5 B 65.76 -). Mehr will der Feststellungsausspruch im angefochtenen Urteil auch nicht besagen. In den überwiegenden Fällen dürfte sich ein derartiger Ausspruch ohnehin erübrigen, weil dann, wenn Bekanntmachungsmängel erkennbar werden, die öffentliche Bekanntmachung jederzeit nachgeholt werden kann, mit der Folge, daß die insoweit Betroffenen die nachgeholte Bekanntmachung gegen sich gelten lassen müssen (vgl. den angeführten Beschluß vom 28. Dezember 1959 a.a.O.). Oder aber den wegen des Bekanntmachungsmangels nicht erfaßten Betroffenen wird der Beschluß konkret-individuell bekanntgegeben mit dem Hinweis, daß sie als Eigentümer oder Erbbauberechtigte ihrer im Flurbereinigungsgebiet liegenden Grundstücke Beteiligte des angeordneten Verfahrens sind. Darüber hinaus ist durch § 134 Abs. 2 FlurbG dafür Sorge getragen, daß betroffene Teilnehmer, die erst nachträglich auf andere Weise von der Verfahrensanordnung Kenntnis nehmen, keine Rechtsbeeinträchtigungen erleiden (vgl. BVerwGE 21, 91 und den vorangeführten Beschluß vom 12. April 1978).