Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 14.08.1959 - OVG F 21/59 = OVGE 14, 499= RdL 1959 S. 332
Aktenzeichen | OVG F 21/59 | Entscheidung | Urteil | Datum | 14.08.1959 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Lüneburg | Veröffentlichungen | = OVGE 14, 499 = RdL 1959 S. 332 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Festsetzung des vom Nießbraucher aufzubringenden angemessenen Teils der dem Eigentümer zur Last fallenden Teilnehmerbeiträge nach § 69 FlurbG ist keine Ermessensentscheidung. Für die Flurbereinigungsbehörde besteht insoweit nur ein überprüfbarer Beurteilungsspielraum. |
2. | Bei der Ermittlung des von dem Nießbraucher zu leistenden Teils der Beiträge ist die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs zu berücksichtigen. |
Aus den Gründen
Der § 69 FlurbG enthält eine von § 1047 BGB abweichende selbständige Regelung für das Flurbereinigungsverfahren. Denn während § 1047 BGB allein die Rechtsbeziehungen zwischen dem Nießbraucher und dem Eigentümer regelt und hiernach der Nießbraucher dem Eigentümer gegenüber verpflichtet ist, die dort genannten öffentlichen Lasten zu tragen, erwächst für die Teilnehmergemeinschaft aus § 69 FlurbG ein unmittelbarer Anspruch gegen den Nießbraucher auf Leistung des nach § 71 FlurbG festgesetzten Anteils an den dem Eigentümer zur Last fallenden Beiträgen (vgl. Steuer, Flurbereinigungsgesetz Anm. 4 zu § 69); zugleich wird der Eigentümer insoweit von seiner Verpflichtung und Haftung gegenüber der Teilnehmergemeinschaft befreit. Mit Rücksicht hierauf konnte im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, ob der Kläger auf Grund etwaiger - aus dem Schenkungsvertrag allerdings wohl nicht ersichtlicher - Abmachungen einen Anspruch gegen die Beigeladenen auf Freistellung von dem umstrittenen Anteil an den Beiträgen hat. Über diese bürgerlich-rechtliche Frage könnte, zumal die Beigeladenen einen solchen Anspruch des Klägers bestreiten, nicht das Kulturamt entscheiden, sondern nur das zuständige bürgerliche Gericht. Das Kulturamt mußte vielmehr dem Antrag der Beigeladenen nach den rechtlichen Vorschriften in § 69 FlurbG entsprechen.
Bei der Anwendung des § 69 FlurbG ist nach Ansicht des Senats davon auszugehen, daß die Worte "einen angemessenen Teil der dem Eigentümer zur Last fallenden Beiträge" einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellen, so daß für die Flurbereinigungsbehörde bei der Festsetzung nach § 71 FlurbG kein Ermessensbereich besteht. Sie hat für ihre Entscheidung nur einen gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum, in dessen Bereich sie an die allgemeinen Bewertungsmerkmale für Nutzungsrechte gebunden ist.
Bei der erneuten Entscheidung wird allgemein folgendes zu berücksichtigen sein: Die Flurbereinigung soll eine dauernde Verbesserung der ihr unterworfenen Grundstücke bewirken, die sich u.U. aber erst nach Überwindung gewisser Übergangsschwierigkeiten voll auswirkt. Andererseits ist davon auszugehen, daß die Beiträge der Teilnehmer aus den laufenden Nutzungen der Grundstücke aufzubringen sind (vgl. Steuer aaO Anm. 3 zu § 69). Um diesen Umständen bei der Entscheidung nach den § 69, § 71 FlurbG gerecht zu werden, erscheint es notwendig, nicht nur den zu ermittelnden Anteil des Nießbrauchers zu dem (voraussichtlichen) Gesamtbetrag der dem Eigentümer zur Last fallenden Beiträge, sondern auch den Wert des Nießbrauchs zu dem Wert der der Flurbereinigung unterliegenden belasteten Grundstücke in Beziehung zu setzen. Dabei müssen der Wert des Nießbrauchs und der Wert des belasteten Grundeigentums nach der gleichen Bewertungsmethode errechnet werden. Bei der Wertermittlung des Nießbrauchs ist jedoch schon mit Rücksicht auf die §§ 1059 und 1061 BGB (Nichtübertragbarkeit des Nießbrauchs bei natürlichen Personen und Erlöschen des Nießbrauchs mit dem Tode des Nießbrauchers) die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs zu berücksichtigen (vgl. auch Steuer aaO Anm. 3 zu § 69). Diese hängt wesentlich von dem Lebensalter des Berechtigten ab. Der Gesamtwert des Nießbrauchs wird danach in der Weise zu ermitteln sein, daß der Jahreswert mit dem dem jeweiligen Lebensalter des Nießbrauchers entsprechenden Vervielfacher multipliziert wird. Nach Ansicht des Senats können keine Bedenken dagegen bestehen, den Vervielfacher aus § 16 des Bewertungsgesetzes vom 16.10.1934 (RGBl. I S. 1035) zu entnehmen. Denn diese Vorschrift hat über den Bereich des Steuerrechts hinaus allgemeine Bedeutung erlangt.