Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.10.1960 - I C 31.59 = Buchholz Art. 14 GG Nr. 45
Aktenzeichen | I C 31.59 | Entscheidung | Urteil | Datum | 06.10.1960 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = Buchholz Art. 14 GG Nr. 45 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Enteignungsmaßnahmen in einem Umlegungsverfahren sind nur zulässig, soweit Umlegungsvorschriften hierzu ermächtigen und sie sich im Rahmen des Umlegungszwecks halten. |
Aus den Gründen
Umlegungsmaßnahmen und Enteignungsmaßnahmen sind nur dann Rechtens, wenn die Behörde zu der konkreten Maßnahme durch eine gesetzliche Bestimmung ermächtigt ist und wenn sich die einzelne Maßnahme im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hält. Die Umlegung dient der Erschließung oder zweckmäßigen Neugestaltung von Gelände (§ 17 AufbG), nicht dagegen der Enteignung von Grundbesitz. Hierfür bestehen andere Verfahrensvorschriften, andere Zuständigkeiten und andere sachliche Voraussetzungen. Enteignungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Umlegungsverfahren sind nur zulässig, soweit Umlegungsvorschriften hierzu ermächtigen und sie sich im Rahmen des Umlegungszwecks halten (vgl. § 17 AufbG). Enteignungen, die diesen Zweck überschreiten, sind nur nach den hierfür gegebenen Enteignungsvorschriften möglich. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verbietet es, in das Eigentum eingreifende Maßnahmen ohne gesetzliche Grundlage oder unter Überschreitung der gesetzlichen Grundlage durchzuführen. Es geht daher auch nicht an, eine fehlerhafte Umlegungsmaßnahme als eine Enteignungsmaßnahme mit den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen anzusehen. Der Senat vermag insoweit nicht der Auffassung des Bundesgerichtshof a.a.O. zu folgen, daß dann, wenn eine mit dem Gesetz nicht in Einklang stehende Abfindung erfolgt, das entscheidende Merkmal der Enteignung verwirklicht sei und es sich materiell nicht mehr um Umlegung, sondern um Enteignung handle.
Die Enteignung ist eine rechtmäßige Maßnahme. Eine rechtswidrige Umlegungsmaßnahme kann nicht gleichzeitig eine rechtmäßige Enteignungsmaßnahme sein. Eine rechtswidrige Umlegungsmaßnahme mag sich zunächst wirtschaftlich wie eine Enteignung auswirken; rechtlich bleibt sie eine rechtswidrige Umlegungsmaßnahme und ist auch eine rechtswidrige Enteignung, die auf Klage hin aufzuheben ist. Eine rechtswidrige Enteignung kann auch nicht die Grundlage für eine Enteignungsentschädigung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 3 GG abgeben. Der von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt Betroffene hat der Behörde gegenüber einen Anspruch auf Beseitigung der dadurch entstandenen tatsächlichen Folgen. Dieser öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, der auf eine der Rechtslage entsprechende Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse gerichtet ist, kann nicht ohne weiteres durch eine Geldentschädigung abgegolten werden. Das müßte sonst dazu führen, daß ein rechtswidrig begünstigter Dritter in seinem rechtswidrigen Besitzstand stärker geschützt wäre als der rechtswidrig Belastete. Die Geldabfindung kann hiernach nicht damit gerechtfertigt werden, daß durch den teilweisen Vollzug des Umlegungsplanes und Bebauung der für eine Abfindung in Frage kommenden Grundstücke eine faktische Situation geschaffen worden sei, die es unmöglich macht, den Kläger in alter Lage abzufinden. Die Behörde muß vielmehr versuchen, den dem Gesetz entsprechenden Zustand herzustellen. Dabei bleibt zu beachten, daß der Umlegungsbeteiligte grundsätzlich keinen Anspruch hat, gerade an der Stelle seines Einlagegrundstücks abgefunden zu werden. Erst wenn unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte keine oder keine vollständige Naturalabfindung möglich ist, kann eine Enteignung oder eine Teilenteignung in Frage kommen.