Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.01.1983 - III ZR 118/81 = RdL 1983 S. 72= NJW 1983 S. 1661= AgrarR 1983 S. 284
Aktenzeichen | III ZR 118/81 | Entscheidung | Urteil | Datum | 13.01.1983 |
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Gericht | Bundesgerichtshof | Veröffentlichungen | = RdL 1983 S. 72 = NJW 1983 S. 1661 = AgrarR 1983 S. 284 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Entspricht in einer Regelflurbereinigung die einem beteiligten Eigentümer im Flurbereinigungsplan zugeteilte Abfindung den gesetzlichen Bestimmungen des § 44 FlurbG, so ist für die Annahme eines enteignungsgleichen Eingriffs "wegen unzureichender Abfindung" kein Raum mehr. |
2. | In der Regelflurbereinigung trifft das Flurbereinigungsgericht eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsplanes. |
3. | Die Zivilgerichte sind an verwaltungsgerichtliche Urteile, die zwischen den Parteien ergangen sind, gebunden. Die Annahme einer solchen Bindungswirkung verstößt nicht gegen die Rechtswegzuweisung des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG. |
Aus den Gründen
Im allgemeinen verwirklicht weder die (ländliche) Flurbereinigung noch die (städtebauliche) Umlegung den Tatbestand einer Enteignung. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (so u. a. BGHZ 27, 15; 35, 175. 179 f.; 63, 81, 84 ff.; BVerwGE 1, 225, 228 f.; 6, 79; 12, 1).
Für die gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG grundgesetzlich verankerte Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ist dementsprechend im Regelflurbereinigungsverfahren kein Raum. Das gilt nicht nur für Streitigkeiten über Landabfindungen (§ 44 FlurbG), sondern auch dann, wenn es um Geldabfindungen für übrigbleibende Spitzen- und Restflächen (§ 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG), Landabgaben für gemeinschaftliche Anlagen (§ 47 FlurbG), Ausgleichszahlungen (z. B. § 51 FlurbG) oder darum geht, daß ein Beteiligter mit Abfindung in Geld einverstanden ist (§ 52 FlurbG). Alle diese Fälle sind Teil eines einheitlichen Regelflurbereinigungsverfahrens und können aus ihm nicht als einzelne selbständige Enteignungstatbestände herausgelöst werden. Eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs kommt deshalb allein dann ausnahmsweise in Betracht, wenn die genannten Maßnahmen über den der Flurbereinigung immanenten Zweck hinausgehen und enteignenden Charakter annehmen (vgl. Anm. Nr. 22 a zu LM Art. 14 (Ca) GG). So war es in dem vom Senat - allerdings auf Verweisung vom Flurbereinigungsgericht - durch Urteil vom 30. Juni 1977 (III ZR 74/75 = WM 1977, 1261) entschiedenen Fall. Die in jenem Verfahren aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses (§ 17 FStrG) autobahnbedingte Durchschneidung eines landwirtschaftlichen Betriebes konnte den Tatbestand eines enteignenden Eingriffs verwirklichen, da sie nicht mit dem Zweck des Flurbereinigungsverfahren (§ 1 FlurbG) vereinbar war.
Ein derartiger Sachverhalt ist im Streitfall nicht gegeben. Es geht im Grunde allein um die Frage, ob die Kläger im Rahmen einer den Zwecken des § 1 FlurbG dienenden Flurbereinigung entsprechend ihrer Einlage gemäß den gesetzlichen Bestimmungen - unter Berücksichtigung der zulässigen Abzüge - wertgleich in Land abgefunden worden sind (§ 44 FlurbG). Ist das der Fall, so ist der Flurbereinigungsplan rechtmäßig und demgemäß sind Ansprüche wegen enteignungsgleichen Eingriffs "infolge gesetzwidriger Abfindung " ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Kläger eingehend geprüft und ist zu der Auffassung gelangt, daß die Kläger entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen abgefunden worden sind. Eine enteignungsrechtlich erhebliche Beeinträchtigung der Rechtsposition der Kläger hat es verneint.
Auf die dagegen gerichteten Angriffe der Revision braucht nicht eingegangen zu werden. Das Ergebnis des Berufungsgerichts stellt sich schon aus anderen Gründen als richtig dar.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat als Flurbereinigungsgericht durch Urteil vom 9. September 1971 (VII 1029/69) die Anfechtungsklage im wesentlichen abgewiesen mit der Begründung, die den Klägern im Flurbereinigungsverfahren zuerkannte Abfindung entspreche nach Gestaltung und Bemessung den Grundsätzen des § 44 FlurbG. Dabei hat er sich insbesondere mit dem Einfluß der Zuteilung auf den Viehzuchtbetrieb und der Bewertung der Abfindungsflurstücke 187, 175/2 und 185 befaßt. Der Verwaltungsgerichtshof hat mithin den Flurbereinigungsplan (II. Nachtrag) für rechtmäßig gehalten.
Von dieser Entscheidung darf das ordentliche Gericht nicht abweichen. Die Zivilgerichte sind nach ständiger Rechtsprechung wegen grundsätzlicher Gleichwertigkeit aller Gerichtszweige an verwaltungsgerichtliche Urteile im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkungen gebunden, die - wie hier - zwischen den Parteien ergangen sind (BGHZ 9, 329, 332; 10, 220; 20, 379, 383). Die Annahme einer solchen Bindungswirkung verstößt nicht - wie die Revision geltend macht - gegen die Rechtswegzuweisung des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG (vgl. auch Kimminich GG Bonner Kommentar - Drittbearbeitung - Art. 14 Rdn. 404). Mithin steht für das ordentliche Gericht bindend fest, daß die Abfindung der Kläger nach Bemessung und Gestaltung dem Gesetz entspricht. Für einen Entschädigungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des (rechtswidrigen) enteignungsgleichen Eingriffs wegen einer nicht dem Gesetz entsprechenden Abfindung ist daneben kein Raum.
Die Bindung des ordentlichen Gerichts an das rechtskräftige Urteil des Flurbereinigungsgerichts können die Kläger nicht dadurch beseitigen, daß sie Beeinträchtigungen geltend machen, die sie dem Flurbereinigungsgericht nicht zur Nachprüfung unterbreitet haben. Mögen die von ihnen geltend gemachten Nachteile teilweise auch erst nach dem Erlaß des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs eingetreten sein (s. a. die Ausschlußwirkung des § 59 Abs. 2 FlurbG u. dazu BVerwGE 9, 93, 94 u. BVerwG RdL 1968, 193, 194 sowie Seehusen/Schwede FlurbG 3. Aufl. § 59 Anm. 2). Ob ihr Vorbringen geeignet ist, den Antrag auf Änderung des Flurbereinigungsplans nach § 64 FlurbG zu rechtfertigen, ist in jenem - von den Klägern bereits eingeleiteten - Verfahren zu entscheiden.
Diese hier vertretene Auffassung steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Senats vom 29. März 1976 (a.a.O.). Der Senat hat dort lediglich ausgeführt, das ordentliche Gericht sei bei einem Rechtsstreit über die Höhe der Enteignungsentschädigung (und darum geht es - wie dargelegt - bei einem Streit über die Abfindung im Rahmen einer Unternehmensflurbereinigung) an die von den Flurbereinigungsgerichten festgestellten Verkehrswerte der Landeinlage und -abfindung nicht gebunden. Anders ist es bei der Regelflurbereinigung. Hier betrifft die Frage der gesetzmäßigen Abfindung nicht die Höhe der Enteignungsentschädigung, sondern mit ihrer Beantwortung wird darüber entschieden, in welcher Weise der Eigentümer die in dem Flurbereinigungsplan sich verwirklichende Inhaltsbestimmung seines Eigentums (entschädigungslos) hinzunehmen hat. Das aber ist grundsätzlich Aufgabe der Flurbereinigungsgerichte.