RzF - 38 - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG


Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.06.1981 - III ZR 12/80 = NJW 1982, 95= AgrarR 1981 S. 311

Aktenzeichen III ZR 12/80 Entscheidung Urteil Datum 25.06.1981
Gericht Bundesgerichtshof Veröffentlichungen NJW 1982, 95 = AgrarR 1981 S. 311  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Schätzung der Verkehrswertminderung eines Hofes aufgrund einer Durchschneidung kann "außerökonomischen", "rational nicht abwägbaren" Gesichtspunkten nur dann ein maßgeblicher Einfluß eingeräumt werden, wenn im Einzelfall anhand von konkreten Merkmalen geprüft werden kann, ob und in welchem Umfang die Minderbewertung auf einer Einbuße an eigentumsmäßig geschützten Rechtspositionen beruht.
2. Bei der Feststellung der eingetretenen Wertminderung darf das zum Hof gehörige Land nur als land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche bewertet werden.
3. Die Beeinträchtigung der Verwendung eines Jagdhauses für gesellschaftliche, von der Bewirtschaftung des Hofes abgelöste Zwecke, betrifft nicht eine durch Art. 14 GG gewährleistete Nutzbarkeit und kann eine Entschädigung für Wertminderung nicht rechtfertigen.

Aus den Gründen

Das Berufungsgericht hat, dem Sachverständigen folgend, den Minderwert (d. h. den infolge des Autobahnbaus eingetretenen Arrondierungsschaden) auf 12 % des Verkehrswertes des Hofes geschätzt und davon die dem Kläger bereits zugebilligten Entschädigungsbeträge für Nachteile, die im Zusammenhang mit dem Arrondierungsverlust stehen, abgesetzt. Dagegen bestehen hier durchgreifende Bedenken.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten (S. 26), als Umstände, die im Zusammenhang mit einer Durchschneidung eine Minderung des Verkehrswertes des Hofes bewirken können, aufgeführt: Wege innerhalb der bisherigen Gutsgrenzen, Überwachung des Betriebs, Freizügigkeit des betrieblichen Verkehrs, Formverschlechterung der Felder, Zusatzinvestitionen für die Viehhaltung, Einbußen am Ertrag, Nutzungseinschränkungen, Einschränkungen bevorstehender Nutzungen, neuauftretende Risiken, technischer Trend, mäßiges Interesse für kleinere Einheiten, Verlust der Ansehnlichkeit und Ungestörtheit (vgl. dazu auch Beckmann in AgrarR 1979, 39 und 1980, 96; ders. in Schriftenreihe des Hauptverbandes der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen e. V. - HLBS - Nr. 94; Niesslein HLBS Nr. B 36).

Der Sachverständige hat bei der Schätzung der Wertminderung den "außerökonomischen", "rational nicht wägbaren" Gesichtspunkten einen maßgeblichen Einfluß auf die Preisbildung eingeräumt (Gutachten S. 29, 32). Das Berufungsgericht ist dieser Beurteilung gefolgt.

Eine solche Schätzung ist nicht geeignet, im Einzelfall darzulegen, ob und in welchem Umfang die Minderbewertung auf einer Einbuße an eigentumsmäßig geschützter Rechtsposition beruht. Das gilt auch in Ansehung des hier anwendbaren § 287 ZPO. Diese Vorschrift schafft zwar eine Beweiserleichterung, ihre Anwendung ist jedoch daraufhin nachprüfbar, ob der Tatrichter bei seiner Schätzung von zutreffenden Erwägungen, namentlich von einem richtigen Verständnis des durch Art. 14 GG geschützten "Eigentums" ausgegangen ist (Senatsurteil BGHZ 39, 198, 219/220). Eine solche Nachprüfung ist dem erkennenden Senat hier nicht möglich, weil Sachverständiger und Berufungsgericht nicht erkennbar dargelegt haben, welche einzelnen Merkmale aus dem "Katalog" der Kriterien für den Minderwert (Gutachten S. 26) sie im vorliegenden Fall für einschlägig halten und welche Bedeutung für das Ausmaß der Wertminderung sie den hier in Frage kommenden Wertminderungsgründen beimessen.

Das Berufungsgericht hat ersichtlich auch das Interesse eines geldanlegenden Geschäftsmannes, der den Hof nicht selbst bewirtschaften will, und die Minderung dieses Interesses durch den Arrondierungsverlust berücksichtigt (vgl. Gutachten S. 30). Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dieses Interesse werde "deutlich nachlassen", wenn ein solcher Kaufanwärter sich mehr als in seiner Stadtwohnung von den unangenehmen Seiten der Zivilisation (Dauerlärm, unschönes Bild der Autobahn) umgeben fühle, oder wenn ihm der Hof (wegen der Autobahn) für geschäftliche und gesellschaftliche Zusammenkünfte nicht hinreichend repräsentativ erscheine; jeder einzelne dieser Gesichtspunkte könne die Preisvorstellungen des Käufers um mindestens 20 000,-- DM bis zu 100 000,-- DM senken.

Nach diesen Ausführungen läßt sich schon nicht ausschließen, daß die Bemessung der Entschädigung für den Arrondierungsverlust hier wesentlich auf einer unzutreffenden Betrachtung der maßgeblichen enteignungsrechtlichen "Qualität" des Enteignungsobjekts beruht.

Bei der Feststellung der eingetretenen Wertminderung darf das zum Hof gehörige Land nur als land- oder forstwirtschaftliche Nutzfläche bewertet werden. Für die Prüfung, welche Nachteile sich für das Gutshaus aus der Durchtrennung des arrondierten Gutes und dem Betrieb der Bundesautobahn ergeben, ist nicht auf seine Eigenschaft als reines Wohnhaus oder als "Mittel geschäftlicher und gesellschaftlicher Repräsentation" abzuheben, sondern auf seine dem landwirtschaftlichen Betrieb "dienende" Funktion (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BBauG 1960; vgl. dazu Senatsurteil vom 18. Oktober 1979 - III ZR 177/77 = MDR 1980, 655 = WM 1980, 680). Die Beeinträchtigung einer Verwendung des Gutshauses für gesellschaftliche, von der Bewirtschaftung des Hofes abgelöste Zwecke würde deshalb nicht eine durch Art. 14 GG gewährleistete Nutzbarkeit betreffen und könnte eine Entschädigung für Wertminderung nicht rechtfertigen. Entsprechende Überlegungen gelten hier für das Jagdhaus. Seine enteignungsrechtliche Bewertung als "Sommerhaus" oder "Zweitwohnung" setzt voraus, daß Bauplanungs- oder Bauordnungsrecht eine solche, über die jagdliche Zweckbestimmung hinausreichende Nutzung überhaupt gestatten. Dem Berufungsurteil kann nicht entnommen werden, daß dieser Gesichtspunkt erwogen worden ist.

Schon wegen dieses rechtsfehlerhaften Ausgehens von einer dem Hof nicht zukommenden enteignungsrechtlichen "Qualität" kann die vom Berufungsgericht angenommene 12 %ige Verkehrswertminderung des Hofs nicht gebilligt werden. Der erkennende Senat ist im übrigen nicht in der Lage, im einzelnen zu prüfen, in welcher Hinsicht und in welchem Ausmaß die rechtlich zulässige Nutzbarkeit des Hofes durch den Bau und den Betrieb der Bundesautobahn vermindert worden ist, weil der Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht dazu keine konkreten Angaben gemacht haben.