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von Anonymer Benutzer

RzF - 25 - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG


Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.10.1973 - III ZR 138/71 = DVBl. 1974 S. 124= NJW 1973 S. 2283

Aktenzeichen III ZR 138/71 Entscheidung Urteil Datum 04.10.1973
Gericht Bundesgerichtshof Veröffentlichungen DVBl. 1974 S. 124 = NJW 1973 S. 2283  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Wird ein Teil eines Grundstücks für Straßenbauzwecke enteignet, so sind bei der Feststellung, welche Wertminderung das Restgrundstück durch die Abtretung der Teilfläche erleidet, die Nachteile nicht zu berücksichtigen, die auch entstanden wären, wenn die Straße an der Grenze des ungeteilten Grundstücks entlang geführt worden wäre. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob tatsächlich die Möglichkeit bestand, die Straßenanlage außerhalb des (ungeteilten) Grundstücks zu errichten.

Aus den Gründen

1. Die Entschädigung soll den Minderwert ausgleichen, der für den übrigen Grundbesitz "durch die Abtretung" der Teilfläche (§ 8 Abs. 2 PrEnteigG) entsteht. Das erlaubt es grundsätzlich nur, die Nachteile zu bewerten, die sich für die Eigentümer aus der Abtrennung des Teilgrundstücks selbst ergeben. Solche Nachteile können auch darin bestehen, daß ein Grundstück durch die Abtretung der Teilfläche eine "Schutzzone" verliert, die geeignet war, das Grundstück gegen eine dem Eigentümer lästige Nutzung fremder Grundstücke abzuschirmen. In diesem Rahmen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung es zugelassen, daß dem Eigentümer im Grundsatz eine Entschädigung auch für nachteilige Folgen gewährt wird, die das Restgrundstück durch das "Unternehmen", für das eine Teilfläche enteignet oder abgetreten wurde, erleidet. Dabei braucht der dem Restgrundstück erwachsene Schaden nicht durch die erzwungene Abtretung des Teilgrundstücks unmittelbar herbeigeführt zu sein; vielmehr genügt es, wenn die Schadensursache nur in dem ganzen Unternehmen liegt, für das enteignet wurde (RGZ 7, 258; 13, 244; 44, 331; Urteile des Senats vom 11.1.1968 - III ZR 65/66 = WM 1963, 581, 584 f., vom 5.2.1968 - III ZR 217/65 = LM Art. 14 (Ch) GG Nr. 23 = WM 1968, 478, 481 und vom 16.3.1972 - III ZR 26/71 - "Bremer-Hochstraße" = LM § 95 BBauG Nr. 10 = WM 1972, 620 (= DVBl. 1972, 675)).

2. Hierbei ist jedoch eine schon vom Reichsgericht (RGZ 7, 258, 265) gemachte und von dem erkennenden Senat gebilligte (vgl. die vorbezeichneten Urteile vom 11.1.1968, vom 5.2.1968 und vom 16.3.1972) Einschränkung zu beachten: Nachteile, die den Eigentümer getroffen hätten, falls ihm nichts enteignet (d.h. weggenommen) worden wäre, wenn die Verkehrseinrichtung statt über die abgetretene Teilfläche an der Grenze des ungeteilten Grundstücks entlang geführt wäre, können im Enteignungsverfahren und in dem auf dieses gegründeten Rechtsstreit nicht geltend gemacht werden. Soweit derartige Nachteile ohne die Teilenteignung das Restgrundstück zwar auch, aber nur in geringerem Maße getroffen hätten, kann eine Entschädigung lediglich insoweit beansprucht werden, als die jetzt eingetretenen Nachteile größer sind als diejenigen, die auch ohne die Abtretung der Teilfläche entstanden wären. Aus diesen Grundsätzen hat der erkennende Senat gefolgert, daß die Auswirkungen eines Enteignungsunternehmens, das auf dem abgetretenen Teilstück eines Grundstücks durchgeführt wird, einen enteignungsrechtlichen Entschädigungsanspruch nur auslösen können, wenn der Eigentümer nach dem Umfang und Inhalt seiner früheren Rechtsstellung die Möglichkeit hatte, solche Auswirkungen oder Belästigungen, wie sie das Enteignungsunternehmen mit sich bringt, kraft seines Eigentums zu vermeiden oder zu bekämpfen, ohne daß ihm eine Duldungspflicht nach § 906 BGB entgegen gehalten werden könnte. Demgemäß hat der Senat ausgesprochen, bei der Bemessung der Entschädigung für die Enteignung eines Vorgartenteils seien die Beeinträchtigungen baulicher und verkehrsmäßiger Art, die von einer außerhalb des (ungeteilten) Grundstücks verlaufenden Hochstraße ausgehen, insoweit zu berücksichtigen, als der abgetrennte Vorgartenteil dem Eigentümer die tatsächliche Möglichkeit geboten hätte, das Grundstück gegen diese Beeinträchtigungen abzuschirmen (Senatsurteil vom 16.3.1972, "Bremer Hochstraße", a.a.O.). Überträgt man diese Grundsätze auf den Streitfall, so folgt daraus, wie die Revision mit Recht vorbringt, daß bei der Ermittlung der Wertminderung des Restgrundstücks die mit dem Betrieb der Straßenanlage verbundenen Nachteile nur insoweit Berücksichtigung finden dürfen, als die von der B 257 ausgehenden Immissionen stärker auf die Restparzelle der Beklagten einwirken, als das ohne die Wegnahme der Teilfläche der Fall gewesen wäre.

3. Irrig ist die Ansicht des Berufungsgerichts, diese Einschränkung gelte nur, wenn feststehe, daß die Möglichkeit gegeben gewesen sei, die Straße außerhalb des Grundstücks der Beklagten (ohne Abtretung der Teilfläche) anzulegen. Vielmehr kommt es für den Umfang des Eingriffs in das Grundeigentum der Beklagten entscheidend darauf an, inwieweit ihre Rechtsstellung als Eigentümer durch die Maßnahme der Kläger betroffen worden ist. Ein Grundstück als begrenztes Stück der Erdoberfläche ist grundsätzlich nur in seinen Grenzen als Eigentum geschützt. Daher umfaßt die verfassungsmäßige Eigentumsgarantie z. B. nicht den Schutz des Grundstückseigentümers dagegen, daß die Art der Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks durch die Bauplanung verändert (BGHZ 48, 46) oder ein an das Grundstück angrenzender Wasserlauf im Zuge eines Ausbauverfahrens verlegt wird (BGHZ 48, 340). Ebensowenig wird die Rechtsstellung des Eigentümers dadurch beeinträchtigt, daß entlang der hinteren Grenze eines ruhig gelegenen Wohngrundstücks eine neue Straße angelegt wird, es sei denn, daß die Immissionen (Lärm, Staub usw.) das Maß dessen überschreiten, was ein Eigentümer nachbarrechtlich nach § 906 BGB dulden muß. Daraus ergibt sich, daß die Beklagten insoweit eine Entschädigung nicht verlangen können, als sie von den Immissionen in gleicher Weise betroffen werden wie andere Grundeigentümer, denen nicht ein Grundstücksteil für die Errichtung einer Straße enteignet wurde und die deshalb die Wertminderung ihres Grundstücks entschädigungslos hinnehmen müssen.