Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.1973 - III ZR 113/70 = DVBl. 1973 S. 627
Aktenzeichen | III ZR 113/70 | Entscheidung | Urteil | Datum | 25.01.1973 |
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Gericht | Bundesgerichtshof | Veröffentlichungen | = DVBl. 1973 S. 627 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Anlage einer Kiesgrube bedarf der Erlaubnis oder Bewilligung nach §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG, wenn die Kiesgewinnung das Grundwasser zutage treten läßt. |
2. | Die Untersagung der Kiesgewinnung in einem Wasserschutzgebiet kann Enteignung sein, auch wenn der Abbau noch nicht im Gange ist. |
3. | Bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung sind dann grundsätzlich die Aufwendungen mindernd zu berücksichtigen, die der Eigentümer zur Erfüllung von Auflagen machen müßte, welche bei Gestattung der Kiesgewinnung entschädigungslos hätten festgesetzt werden können. |
Aus den Gründen
Nach Art. 19 Abs. 1 des Bayerischen Wassergesetzes vom 23.3.1907 unterlag u.a. die Zutageförderung von Grundwasser der Erlaubnis der Verwaltungsbehörde. Eine solche Zutageförderung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 30.6.1939 (BayVGH 60, 61 ff.) angenommen, wenn die beabsichtigte Kiesgewinnung mit dem Willen des Unternehmers so tief in den Grundwasserstand eingreifen würde, daß dabei notwendig Grundwasser erschlossen würde und ein Grundwassersee entstünde. Das OLG Zweibrücken ist dem in seinem Urteil vom 20.11.1967 S. 25 f. (ZfW-Sonderheft 1967 II 23) gefolgt. Der jetzt erkennende Senat hat diese Ansicht in seinem Urteil vom 5.10.1970 - III ZR 8/68 S. 17 = WM 1970, 1488, 1489 rechte Spalte gebilligt. Hieran ist auch für die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG und NWG festzuhalten.
Entscheidend ist bei dieser Sachlage für die Frage der Entschädigung, ob es sich bei der Versagung der Kiesgewinnung, die der Bescheid vom 18.3.1963 entgegen der Ansicht der Revision bedeutet, um eine enteignende oder um eine solche Maßnahme handelt, die im Rahmen der Sozialbindung bleibt, der die Grundstücke des Klägers wie alles Eigentum unterliegen. Die Frage, ob eine entschädigungslos hinzunehmende Eigentumsbegrenzung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG oder eine Enteignung vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung, von der abzugehen kein Anlaß besteht, regelmäßig danach zu entscheiden, ob der Gleichheitssatz verletzt ist, ob also dem Betroffenen ein einem anderen nicht zugemutetes Opfer abverlangt wird; im übrigen liegt stets dann eine Enteignung vor, wenn der Wesensgehalt des Eigentums angetastet wird (Art. 19 Abs. 2 GG).
Eine entschädigungslos zulässige Eigentumsbegrenzung setzt voraus, daß die Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmenden Regelungen der betroffenen Gattung von Rechten allgemein eigentümlich sein sollen und dem Wesen des betroffenen Rechts nach eigentümlich sein können, allgemein bestimmte Pflichten auferlegen, z.B. Duldungspflichten, und die Rechtsträger unterschiedslos einheitlich bei der Ausübung ihrer Rechte sozial binden (BGHZ) 6, 270, 279, 285). Eine solche Pflicht kann dahin gehen, eine bestimmte Nutzung eines Grundstücks zu unterlassen. Nach der Rechtsprechung des Senats, wie sie insbesondere in BGHZ 23, 30, 33 (Grünflächenurteil) zum Ausdruck kommt, wird die Eigentümerfunktion (Dispositionsfreiheit) hinsichtlich eines Grundstücks - weil sie gar nicht so weit reicht - nicht eigentlich beeinträchtigt und verkürzt, wenn dem Eigentümer für die Zukunft eine bisher noch nicht verwirklichte Verwendungsart - in jenem Falle die Bebauung - untersagt wird, die unvereinbar ist mit der Situationsgebundenheit des Grundstücks; es wird lediglich diese konkretisiert.
Der Umfang der Situationsgebundenheit richtet sich vor allem nach der naturgegebenen Lage eines Grundstücks in der Landschaft (BGH LM Art. 14 GG Nr. 60). Dabei ist die situationsbedingte Belastung, eine bestimmte Nutzung eines Grundstücks zu unterlassen, nach der Rechtsprechung insoweit gegeben, als der vernünftige und einsichtige Eigentümer von sich aus mit Rücksicht auf die gegebene besondere Situation eine bestimmte Verwendung seines Grundstücks nicht vornehmen würde; denn eine solche Verhaltensweise ist von einem vernünftigen und einsichtsvollen Eigentümer da zu erwarten, wo es sich um die intensive Kollision der Interessen des Eigentums mit den jedermann einleuchtenden zwingenden Erfordernissen einer sinnvollen, dem Wohle der Allgemeinheit dienenden Ordnung handelt. Hierfür sind in der Regel die bisherige Benutzung und der Umstand von Bedeutung, ob eine Benutzungsart in der Vergangenheit schon verwirklicht worden war (BGH LM Nr. 70 zu Art. 14 GG; BGHZ 30, 338, 343; Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 2. Aufl. S. 61 ff.).
Daß die Nutzung im März 1963 noch nicht ausgeübt wurde, schließt nach den oben dargelegten Grundsätzen einen Entschädigungsanspruch nicht aus. Die Kiesgewinnung war eine von der Natur der Sache her gegebene, naheliegende Möglichkeit der wirtschaftlichen Ausnutzung der Grundstücke; sie bot sich aus den Gegebenheiten der örtlichen Lage und der Beschaffenheit der Grundstücke bei vernünftiger und wirtschaftlicher Betrachtungsweise für den Eigentümer an, und die getroffenen Maßnahmen hätten alsbald zu ihrer Verwirklichung geführt, wäre die beantragte Erlaubnis nicht versagt worden. Es bedarf keiner allgemeinen und grundsätzlichen Untersuchung, unter welchen Umständen Entschädigung zu leisten ist, wenn die Gewinnung von Bodenbestandteilen aus Gründen des öffentlichen Wohls unterbleiben muß. Zwar kann keineswegs gesagt werden, daß jeder, dem aus planerischen oder aus sonstigen Gründen des öffentlichen Wohls die Ausbeutung der Mineralien seines Grundstücks verwehrt wird, Entschädigung fordern könne. Aber jedenfalls eine so naheliegende, wirtschaftlich vernünftige und unmittelbar zu verwirklichende Nutzungsmöglichkeit, wie sie hier vorliegt, liegt regelmäßig, d.h. wenn sich nicht aus besonderen Umständen oder gesetzlichen Bestimmungen ein anderes ergibt, im Rahmen des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums im Sinne des Art. 14 GG.
Zur Höhe des Anspruchs ist bereits jetzt zu bemerken: In den Fällen, in denen für die Gewinnung von Kies, Sand und dergleichen nach wasserrechtlichen oder anderen, insbesondere dem Landschaftsschutz dienenden Bestimmungen behördliche Genehmigungen erforderlich sind, werden diese vielfach, wenn nicht in der Regel, an bestimmte Auflagen geknüpft. Diese Auflagen, die vor allem dem Schutze der Landschaft und der Gewässer, aber auch anderen Zwecken dienen können, stellen grundsätzlich keine enteignenden Eingriffe, sondern lediglich Eigentumsbeschränkungen dar und sind entschädigungslos hinzunehmen. Das gilt auch dann, wenn die Auflagen, z.B. weil das ausgebeutete Gelände wieder aufgefüllt werden muß, hohe Kosten verursachen und den Ertrag der Kiesgewinnung erheblich mindern. Nach § 20 WHG sind entgangene Nutzungen angemessen zu entschädigen. Das gilt aus den angeführten Gründen auch für die in Rede stehende, erst beabsichtigte Kiesgewinnung. Nicht mehr angemessen, sondern zu hoch wäre eine Entschädigung, die die Kosten außer acht ließe, die im Falle der Möglichkeit der Nutzung durch berechtigte Auflagen entstehen würden. Die Abwägung der Interessen des Grundstückseigentümers einerseits und der Träger der dem öffentlichen Wohle dienenden Wasserversorgungsanlagen andererseits führt zu dem Ergebnis, daß bei der Entschädigung des Grundstückseigentümers, dem die Ausbeutung seines Grundstücks versagt wird, die ertragsmindernden Aufwendungen, die bei Gestattung der Ausbeutung infolge der Auflagen anfallen würden, grundsätzlich zu berücksichtigen sind, auch wenn sie den Reinertrag zum großen Teil - anhaltsweise bis zu 75 % - aufzehren würden. Mit einem derart verminderten Reinertrag muß sich der Eigentümer infolge der Sozialgebundenheit seines Eigentums zufriedengeben.Anmerkung
Vgl. hierzu: Anmerkung von Schmidt - Aßmann in DVBl. 1973 S. 633
Anmerkung:
Diese Rechtsprechung wurde durch BGH, Urteil vom 03.06.1982 - III ZR 28/76 = RzF - 41 - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG aufgegeben.