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von Anonymer Benutzer

RzF - 13 - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG


Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 27.11.1969 - RReg. 1 a Z 13/68 = NJW 1970 S. 864

Aktenzeichen RReg. 1 a Z 13/68 Entscheidung Urteil Datum 27.11.1969
Gericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Veröffentlichungen NJW 1970 S. 864  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei Beurteilung der Frage, ob im Zeitpunkt der Enteignung oder ihrer Vorwirkung landwirtschaftlich genutzte Flächen im Rahmen der Festsetzung der Enteignungsentschädigung ihrer Qualität nach höher zu bewerten sind, sind alle in diesem Zeitpunkt bestehenden Nutzungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Es genügt, wenn diese in greifbarer Nähe liegen, ihre Verwirklichung also in absehbarer Zeit erwartet werden darf. Dagegen ist nicht darauf abzustellen, daß die Verwirklichung (z.B. einer Bebauung) mit Sicherheit angenommen werden können muß.

Aus den Gründen

Ein Mehrwert haftet einem landwirtschaftlichen Grundstück nicht nur dann an, wenn eine Einstufung als Bauland sicher unmittelbar bevorsteht, sondern auch schon dann, wenn eine solche in greifbarer Nähe liegt, also in absehbarer Zeit zu erwarten oder zu erhoffen ist. Dem trägt auch der allgemeine Grundstücksverkehr Rechnung. Nur durch eine diesen schon entstandenen Mehrwert berücksichtigende Entschädigung enthält der Enteignete einen wirklichen Wertausgleich, im vorliegenden Fall das volle Äquivalent.

Bei der Bemessung der Entschädigung für unbebaute Grundstücke ist weitgehend von den in der dortigen Gegend für ähnlich liegende Grundstücke tatsächlich gezahlten Preisen auszugehen, und zwar von den nachhaltig im gesunden Grundstücksverkehr und unter gewöhnlichen Umständen erzielten Preisen; Kaufpreise, die aus persönlichen Gründen oder wegen ungewöhnlicher Umstände besonders hoch oder besonders niedrig liegen, müssen außer Betracht bleiben, ebenso auch reine Spekulationspreise, die ohne Rücksicht auf sachliche Anhaltspunkte für eine künftige Bebauung gezahlt werden (BGHZ 39, 198/217, 203 bis 205 = NJW 63, 1492).

Der "gesunde Grundstücksverkehr" berücksichtigt bei der Preisbildung die künftige Bebauungserwartung; diese bemißt er nicht nach starren Zeiträumen, auch nicht nach der "Sicherheit" der künftigen Bebauung; er schließt zwar reine Spekulationen aus, räumt aber mit Verwirklichungsrisiken behafteten Bebauungserwartungen bereits Einfluß auf die Preisbildung ein, wenn die Bebauung in absehbarer Zeit mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit zu erhoffen ist; die Beantwortung der Frage, ob bei einem nicht bebauten, sondern in anderer Weise genutzten Grundstück in absehbarer Zeit mit einer Bebauung zu rechnen ist, wird im gesunden Grundstücksverkehr von allen Umständen tatsächlicher und rechtlicher Natur bestimmt, die den realen Wert des Grundstücks beeinflussen; dazu gehören zunächst die örtliche Lage und die sonstige Beschaffenheit; als nähere Anhaltspunkte können ferner u.a. in Betracht kommen: Eine günstige Lage noch innerhalb des Stadtgebiets oder in unmittelbarer Stadtnähe, günstige Verkehrsverhältnisse durch Straßen, Eisenbahn-, Omnibus- oder Straßenbahnlinien, unmittelbare Nähe von bereits erschlossenem Wohn- oder Industriegebiet; für eine zukunftsnahe Bebauung noch unerschlossenen Geländes kann auch sprechen, daß in ihm bereits Baugenehmigungen erteilt sind oder der Verbleib nicht genehmigter Bauten geduldet worden ist; auch kann die bauliche Entwicklung in der unmittelbaren Nähe des noch nicht erschlossenen Geländes einen Zug zur Bebauung zeigen, der erkennen läßt, daß die natürlichen Verhältnisse auf eine weitere Bauentwicklung auch auf dem noch unerschlossenen Gelände hinweisen; in einem solchen Fall kann sich das zu beurteilende Gelände geradezu für die Weiterentwicklung der Bebauung anbieten; es werden aber auch andere Umstände berücksichtigt, wie die allgemeine Entwicklung der in Betracht kommenden Gegend, insbesondere ob die Gemeinde das Gebiet infolge Wachstums ihrer Bevölkerung oder Umschichtung struktureller Art und des daraus entstehenden Bedarfs an Bau- oder Industrieland benötigt oder ob es sich um eine, etwa infolge Landflucht oder Abzug von Industrie, in rückläufiger Entwicklung befindliche Gegend handelt; dabei werden allgemeine Entwicklungen (Lockerung der Stadtkerne, Streben nach Eigenheimen) dahin Bedeutung gewinnen können, daß selbst bei gleichbleibender Bevölkerungszahl und ohne Veränderung des Umfangs der Industrie ein vermehrter Bedarf an Bauland auftreten kann, der Bebauungserwartung zur Folge hat; weder das Fehlen einer Bebauungsplanung noch die Tatsache, daß Grundstücke außerhalb der Bebauungszone liegen, besagen, daß ein Gelände in absehbarer Zeit nicht Bauland werden kann; bei stadtnahe gelegenen Grundstücken wird der Verkehrswert den rein landwirtschaftlichen Nutzungswert als Ackerland, Weide oder Wiese in der Regel, zumindest vielfach, übersteigen (BGHZ 39, 198/209 f., 214 f. = NJW 63, 1492).