Flurbereinigungsgericht Koblenz, Beschluss vom 23.10.1979 - 9 D 8/79
Aktenzeichen | 9 D 8/79 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 23.10.1979 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die unanfechtbar erlassene vorläufige Besitzeinweisung berechtigt den Zuteilungsempfänger nicht zur Nutzungsänderung (hier: Herstellung einer Straße). |
2. | Zur Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung. |
Aus den Gründen
Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Anordnung ist zulässig; insbesondere ist hierfür der Rechtsweg zu dem Flurbereinigungsgericht gegeben. Da nämlich die Antragsgegnerin (Ortsgemeinde) das Grundstück des Antragstellers in Ausübung einer vermeintlich ihr nach öffentlichem Recht zustehenden Rechtsposition in Anspruch nehmen will, sind nach § 40 Absatz 1 VwGO zur Entscheidung hierüber die Verwaltungsgerichte berufen. Dies begründet zugleich nach § 140 FlurbG die Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts, denn die Antragsgegnerin leitet ihre vermeintliche Berechtigung zu dem auf dem Eigentum des Antragstellers beabsichtigten Straßenausbau aus der gemäß § 65 FlurbG im Zuge des Flurbereinigungsverfahrens B. angeordneten und inzwischen unanfechtbar gewordenen vorläufigen Besitzeinweisung ab.
Auch im übrigen liegen die Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung vor. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, daß ihm ein Recht zusteht, dessen Verwirklichung durch die Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Absatz 1 Satz 2 sowie Absatz 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Absatz 2 ZPO).
Nimmt eine Gemeinde oder ein sonstiger öffentlicher Träger der Straßenbaulast rechtswidrig Straßenbaumaßnahmen vor, die einen Anlieger in seinem Grundeigentum beeinträchtigen, so steht ihm ein Folgenbeseitigungsanspruch, gerichtet auf Rückgängigmachung, zu. Unter denselben Voraussetzungen kann er - bei drohenden Nachteilen - im Wege der einstweiligen Anordnung den Beginn der Straßenbauarbeiten verhindern oder deren Einstellung verlangen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 28. Dezember 1965 - 1 B 39/65 - = AS 9, 420; BVerwG, Urteil vom 25. August 1971 - IV C 23.69 - = DVBl 1971 Seite 858). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Wie der Antragsteller glaubhaft gemacht hat und von der Antragsgegnerin auch nicht bestritten wird, beabsichtigt sie, in den nächsten Tagen in Ausführung eines entsprechenden Bebauungsplans einen Teil des insoweit bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücks des Antragstellers für die Herstellung einer öffentlichen Straße in Anspruch zu nehmen. Hierzu ist jedoch die Antragsgegnerin, da das Grundstück nach wie vor im Eigentum des Antragstellers steht, nicht berechtigt. Weder das Bundesbaugesetz noch sonstige Vorschriften des öffentlichen Rechts, insbesondere auch nicht das Flurbereinigungsgesetz, berechtigen derzeit die Antragsgegnerin zu der beabsichtigten Maßnahme.
Der vorliegende Bebauungsplan für sich allein gestattet einer Gemeinde noch nicht, das für die Herstellung einer in diesem Plan vorgesehenen Straße erforderliche Gelände Dritter in Anspruch zu nehmen. Vielmehr bedarf es dazu nach dem Bundesbaugesetz erst noch der Umlegung oder der Enteignung (vgl. §§ 45 ff. bzw. §§ 85 ff.).
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin berechtigt zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht der Flurbereinigungsplan und die in dessen Verfolg angeordnete vorläufige Besitzeinweisung sie zu der beabsichtigten Maßnahme. Der Flurbereinigungsplan ist bisher noch nicht bestandskräftig geworden, vielmehr hat neben anderen Teilnehmern auch der Antragsteller, und zwar unter anderem gerade wegen der hier im Streit befindlichen Wegebaumaßnahme auf seinem Grundstück, hiergegen Widerspruch eingelegt, über den bisher noch nicht unanfechtbar entschieden ist. Zwar hat die Flurbereinigungsbehörde inzwischen unanfechtbar die vorläufige Besitzeinweisung ausgesprochen. Diese Maßnahme berechtigt aber nach § 66 Absatz 1 FlurbG die Antragsgegnerin als Zuteilungsempfängerin nur zum Besitz, zur Verwaltung und zur Nutzung des neuen Grundstücks. Eine Nutzungsänderung ist dagegen bis zur Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplanes grundsätzlich untersagt. Insbesondere dürfen nach § 34 Absatz 1 Nummer 2 FlurbG Bauwerke, Brunnen, Gräben, Einfriedungen, Hangterrassen und ähnliche Anlagen nur mit Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde errichtet, hergestellt, wesentlich verändert oder beseitigt werden. Eine solche Zustimmung, die möglicherweise - was hier jedoch keiner Entscheidung bedarf - ihrerseits ein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt ist (vgl. etwa VGH Bad.-Württ. "IKO" 1971 Seite 334 = RdL 1972 Seite 182), ist im vorliegenden Fall bisher unstreitig nicht erteilt.