Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 11.05.2017 - 13 AS 17.246 = RdL, 2017, 231-233 (Lieferung 2018)

Aktenzeichen 13 AS 17.246 Entscheidung Beschluss Datum 11.05.2017
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL, 2017, 231-233  Lieferung 2018

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine vorläufige Besitzeinweisung in einem Teilgebiet erfordert die ausreichende Erreichbarkeit des Teilgebiets und der Flächen im Teilgebiet, was auch im Widerspruch geltend gemacht werden kann.
2. Eine Teilbesitzeinweisung nach § 65 Abs. 1 Satz 3 FlurbG setzt voraus, dass es sich um in sich geschlossene und geographisch klar abgrenzbare Teile handelt.

Aus den Gründen

26    3.2 Der Widerspruch wird voraussichtlich trotz der relativ beschränkten Rügemöglichkeiten eines von einer vorläufigen Besitzeinweisung betroffenen Teilnehmers (vgl. hierzu Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 20) in der Sache Erfolg haben.


27    Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG können die Beteiligten in den Besitz der neuen Grundstücke vorläufig eingewiesen werden, wenn deren Grenzen in der Örtlichkeit übertragen worden sind und endgültige Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten feststeht. Nach § 65 Abs. 1 Satz 3 FlurbG kann die vorläufige Besitzeinweisung auf Teile des Flurbereinigungsgebietes beschränkt werden. Eine Teilbesitzeinweisung erfordert die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG nur für ihren Teilbereich (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 14).


28    Vorliegend dürfte die vorgenommene Beschränkung "für den Teilbereich der Genossenschaftswälder" nicht von der Rechtsgrundlage des § 65 Abs. 1 Satz 3 FlurbG gedeckt sein. Schon der Wortlaut "Teile des Flurbereinigungsgebietes" deutet darauf hin, dass es sich um geographisch abgrenzbare Teile handeln muss, in denen wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG eine vorläufige Besitzeinweisung ergehen kann, obwohl für das gesamte Flurbereinigungsgebiet noch nicht alle erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Nach der Karte zur vorläufigen Besitzeinweisung umfassen die Genossenschaftswälder aber gerade keine in sich geschlossenen und geographisch klar abgrenzbaren Teilbereiche, sondern liegen verteilt im gesamten Flurbereinigungsgebiet und umfassen einzelne Flurstücke bis hin zu größeren Ansammlungen von Flurstücken. Im Hinblick darauf, dass die vorläufige Besitzeinweisung keine bloße Zwischenregelung, sondern eine teilweise Vorwegnahme des endgültigen Stands des Flurbereinigungsplans darstellt (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 11), ist auch erforderlich, dass die Erschließung der neuen Flächen gesichert ist, also auch die hierfür erforderlichen Baumaßnahmen abgeschlossen sind. Es müssen das jeweilige Teilgebiet und innerhalb des Teilgebiets die jeweiligen Flächen erreichbar sein. Nach Karte zur vorläufigen Besitzeinweisung sind wohl noch nicht alle dort eingezeichneten Wege gebaut. Insoweit stellt sich auch die Frage, ob der entlang der nordwestlichen Grenze der dem Antragsteller zugelosten Waldgrundstücke eingezeichnete Weg bereits existiert. Zwar wurde nach dem Vortrag des Antragsgegners vor der Neuordnung im Gemeinschaftswald im Jahr 2010 ein Wegebauprogramm durchgeführt, um für die neuen Waldparzellen die erforderliche Erschließung zu schaffen und eine Bewirtschaftung des aufgeteilten Genossenschaftswalds zu ermöglichen. Andererseits räumt der Vorsitzende des Vorstands der TG im Schreiben vom 13. Januar 2017 ein, die Einwände des Antragstellers träfen zu und würden bei der Neuverteilung berücksichtigt und das Flurstück voraussichtlich 2019 durch einen noch auszuweisenden Weg im Süden erschlossen werden. Daher ist es zweifelhaft, ob die erforderliche Erschließung gegeben ist und die Voraussetzungen für eine vorläufige Besitzeinweisung für das Teilgebiet der Genossenschaftswälder vorliegen. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da die vorläufige Besitzeinweisung weiteren und in der Sache durchgreifenden Bedenken begegnet.


29    Bei der Prüfung der besonderen Voraussetzungen für die im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde liegende vorläufige Besitzeinweisung ist im Übrigen regelmäßig nicht näher zu untersuchen, ob die zugedachten Abfindungen wertgleich sind, weil insoweit dem Verfahren über Planwidersprüche nicht vorgegriffen werden darf (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.2010 - 9 B 41.10 - juris Rn. 4 m.w.N; BayVGH, B.v. 8.6.2011 - 13 AS 11.1027 - juris Rn. 12). Mit einem Widerspruch gegen die vorläufige Besitzeinweisung können Beteiligte also nicht vorab die Wertgleichheit der Abfindung rügen, sondern nur, eine auch nur vorübergehende Nutzung ihrer Abfindung bis zur Planausführung (§§ 61, § 63 FlurbG) sei unzumutbar. Dies wäre nur der Fall, wenn entweder ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung besteht oder unzumutbar in die Struktur des Betriebs eingegriffen worden ist (BVerwG, B.v. 12.11.2010 - 9 B 41.10 - juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 8.6.2011 - 13 AS 11.1027 - juris Rn. 12; Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 20 m.w.N.).


30    In der Sache rügt der Antragsteller eine fehlende oder aus seiner Sicht unzureichende Erschließung des ihm zugelosten Waldgrundstücks und damit eine Verletzung des § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG. Im Hinblick auf das Erfordernis einer offensichtlichen Unzumutbarkeit der auch nur vorübergehenden Nutzung des mit einer Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG vorläufig zugewiesenen Grundstücks vermag der Antragsteller mit diesem Einwand vorliegend voraussichtlich auch durchzudringen.


31    Inhaltlich ist der Antragsgegner dem Vorbringen des Antragstellers nicht entgegengetreten. Im Schreiben vom 13. Januar 2017 hat der Vorsitzende des Vorstands der TG mitgeteilt, die Einwände des Antragstellers würden bei der Neuverteilung berücksichtigt und das Flurstück voraussichtlich 2019 durch einen noch auszuweisenden Weg im Süden erschlossen werden. Insoweit geht die TG davon aus, dass die Einwände zutreffen und damit die dem Antragsteller zugelosten Waldflächen nicht über eine für die Bewirtschaftung ausreichende Erschließung verfügen. Soweit angemerkt wird, es werde vom Antragsteller im Übrigen nicht näher dargelegt, warum die vorübergehende Lösung der Überfahrt über Flurstück 834 nicht mehr praxistauglich sei, ist für das erkennende Gericht derzeit nicht erkennbar, inwieweit der Antragsteller rechtlich gesichert befugt ist, über dieses wohl nicht in seinem Eigentum stehende Grundstück zu den Waldgrundstücken zu fahren.


32    Damit kann der Antragsteller die Verletzung des in § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG zwingend vorgeschriebenen Gestaltungsgrundsatzes (vgl. BayVGH, U.v. 31.7.2007 - 13 A 06.1737 - RdL 3009, 296 <Anm. d. Schriftleitung: richtig 2009>; Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 44 Rn. 60), auf dessen Einhaltung er einen Anspruch hat, auch gegenüber einer vorläufigen Besitzeinweisung geltend machen, wenn er in ein Grundstück eingewiesen werden soll, das entgegen § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG nicht durch Wege zugänglich gemacht ist, die eine ortsübliche Benutzung ermöglichen. Insoweit ist das Grundstück nicht nutzbar und damit eine auch nur vorübergehende Inbesitznahme bis zur Planausführung unzumutbar.


33    Die vorläufige Besitzeinweisung begegnet schließlich auch hinsichtlich des ausgeübten Ermessens Bedenken. Der Erlass einer vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG steht im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde, wobei bei der vorzunehmenden Abwägung vor allem das objektive Interesse der Mehrheit der Teilnehmer maßgebend ist (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 15). Jedenfalls muss für den Erlass einer vorläufigen Besitzeinweisung ein sich aus ihrem Zweck ergebendes Bedürfnis bestehen, sie also zur Erreichung des Zwecks erforderlich sein. Insoweit ist lediglich vorgetragen, die Waldgenossen hätten 2011 beschlossen, sich gegenseitig in den Besitz der neuen Grundstücke einzuweisen. Dennoch habe es die TG für zweckmäßig erachtet, eine vorläufige Besitzeinweisung beim ALE zu beantragen. Eine Begründung, warum bei dieser Sachlage neben der einvernehmlichen Inbesitznahme der 36 Waldgrundstücke durch die Mitglieder der Waldgenossenschaft ein Bedürfnis für eine vorläufige Besitzeinweisung besteht, enthält aber weder der Bescheid noch der Vortrag des Antragsgegners im Rahmen dieses Verfahrens. Insoweit fehlt es daher an der Erforderlichkeit der vorläufigen Besitzeinweisung und ist ihr Erlass ermessensfehlerhaft.