Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 20.09.1984 - 9 G 17/84 = AgrarR 1986 S. 242
Aktenzeichen | 9 G 17/84 | Entscheidung | Urteil | Datum | 20.09.1984 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | = AgrarR 1986 S. 242 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die mit der vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG gleichzeitig bewirkte Entziehung von Altbesitzflächen begründet für den betroffenen Teilnehmer die Verpflichtung, eine Weiterbewirtschaftung dieser Flächen zu unterlassen, damit der darin eingewiesene Teilnehmer die Nutzung der Flächen ausüben kann; insoweit handelt es sich bei der vorläufigen Besitzeinweisung um einen auf eine Unterlassung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne des § 6 Abs. 1 VwVG. |
2. | Nach § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG kann ein Zwangsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht werden, wenn vom Pflichtigen ein Unterlassen gefordert wird. |
Aus den Gründen
Der angefochtenen schriftlichen Androhung des Zwangsgeldes liegt mit der vorläufigen Besitzeinweisung des Bekl. vom 27.07.1983 ein vollstreckungsfähiger auf eine Unterlassung gerichteter Verwaltungsakt i. S. d. § 6 Abs. 1 VwVG zugrunde. Durch die vorläufige Besitzeinweisung ist den Kl. der Besitz an den ihnen zugedachten Abfindungsflächen gewährt und ihnen sowie ihrem Pächter der Besitz an den nicht wieder zugeteilten Flächen, darunter an der Fläche B, unmittelbar entzogen worden. Wie aus den Regelungen des § 66 Abs. 1 FlurbG zu folgern ist, begründet die Entziehung die Verpflichtung des Beteiligten, eine Weiter- und Wiederbewirtschaftung der entzogenen Flächen zu unterlassen, damit der darin eingewiesene Teilnehmer die Nutzung der Flächen ausüben kann. Dementsprechend ist in der Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 27.07.1983 zutreffend hervorgehoben, daß die Besitz-, Verwaltungs- und Nutzungsrechte an den alten Grundstücken erlöschen. Hingegen ist die Unterlassungspflicht nicht erst durch die angefochtene Verfügung vom 30.03.1984 begründet worden. Wenn es in dieser Verfügung heißt "Ich fordere Sie daher auf, es zu unterlassen ...", so liegt darin lediglich ein Hinweis auf die sich aus der vorläufigen Besitzeinweisung ergebende Unterlassungspflicht. Zwar ist die vorläufige Besitzeinweisung noch nicht unanfechtbar. Sie ist jedoch aufgrund der mit ihr verbundenen Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbar, wie durch Beschluß des Senats vom 14.02.1984 bestätigt worden ist.
Das angedrohte Zwangsgeld ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 VwVG zulässiges Zwangsmittel zur Durchsetzung der genannten Unterlassungspflicht. Nach dieser Vorschrift kann nämlich, wenn eine Handlung durch einen anderen nicht vorgenommen werden kann und sie nur vom Willen des Pflichtigen abhängt, der Pflichtige zur Vornahme der Handlung angehalten werden. Handlung im Sinne dieser Vorschrift ist auch eine Unterlassung.
Zum Erlaß einer Zwangsgeldandrohung bestand hinreichend Anlaß, nachdem die Fläche B, wie die Kl. in ihrem Schriftsatz an das Amtsgericht C. vom 06.06.1984 ausgeführt haben, am 20.03.1984 bearbeitet sowie dort von ihnen am 28.03.1984 Gerste gesät worden war und die Kl. zuvor schon mit Schriftsätzen an das Landesamt für Agrarordnung vom 29.02.1984 und an den Bekl. vom 14.03.1984 erklärt hatten, sie würden weiterhin die Altflächen nutzen bzw. ihren Pächter mit deren Nutzung beauftragen. Die Kl. waren auch die richtigen Adressaten der Androhung. Die Unterlassungspflicht aus der vorläufigen Besitzeinweisung oblag ihnen, auch wenn sie infolge der Verpachtung nur mittelbare Besitzer der Betriebsflächen waren. Diese Verpflichtung hatte, wie in der Androhungsverfügung angesprochen, auch zum Inhalt, die entzogenen Flächen nicht durch den Pächter bewirtschaften zu lassen (vgl. in diesem Zusammenhang OVG Hamburg, Urt. vom 27.02.1969, MDR 1969, 1041).
Die angefochtene Zwangsgeldandrohung verstößt nicht gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist für die Erfüllung der durchzusetzenden Verpflichtung - was hier nicht geschehen ist - eine Frist zu bestimmen, innerhalb der der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann. Die Notwendigkeit einer Fristbestimmung entfällt bei der Durchsetzung einer Unterlassungspflicht, um die es hier geht (vgl. Engelhardt, Kommentar zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz, 1979, Anm. 2a zu § 13; Sadler, Verwaltungsvollstreckungsgesetz, 1983, Anm. 15 zu § 13; auch OVG Münster, Urt. vom 25.01.1967, DÖV 1967, 496 f.; § 63 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VwVG NW in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.1980, GV NW S. 510).
Entgegen der Auffassung der Kl. ist die angefochtene Zwangsgeldandrohung nicht deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie sich im voraus auf jeden Fall der Zuwiderhandlung bezieht. Gemäß § 13 Abs. 6 Satz 1 VwVG können Zwangsmittel auch neben einer Strafe oder Geldbuße angedroht und so oft wiederholt und hierbei jeweils erhöht oder gewechselt werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Nach Satz 2 ist eine neue Androhung erst dann zulässig, wenn das zunächst angedrohte Zwangsmittel erfolglos ist. Dem Wortlaut dieser Vorschrift ist zwar nicht unmittelbar zu entnehmen, daß bei Verboten - um ein solches geht es hier bei der Verpflichtung, entzogene Flächen nicht weiter zu bewirtschaften - Zwangsgeldfestsetzungen im voraus für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht werden können, wie das früher nach § 55 Abs. 6 Satz 2 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes möglich war. Der Senat kommt aber im Anschluß an das Urt. des 4. Senats des erkennenden Gerichtshofes vom 16.03.1966 - IV A 1410/65 - OVGE 22, 144 ff., das sich auf die Auslegung des dem § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG wortgleichen früheren § 62 Abs. 6 Satz 2 VwVG NW bezog, zu dem Ergebnis, daß bei Verboten die Androhung eines Zwangsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zulässig ist. Er befindet sich hierbei in Übereinstimmung mit einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl., 1978, S. 384; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 10. Aufl., 1973, S. 300). Diese Auslegung erscheint dem Senat umso zwingender, als die bisher schon zu § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG und entsprechenden Vorschriften entwickelten Grundsätze ausdrücklich Eingang in § 332 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung vom 16.03.1976, BGBl. I S. 613 (AO 1977) gefunden haben, wonach das "Zwangsmittel für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht werden" kann, wenn vom Pflichtigen ein Unterlassen gefordert wird, und nunmehr damit auch für § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG ein entsprechender Regelungsinhalt klargestellt wird.
Auch ist die von dem Bekl. festgesetzte Höhe des Zwangsgeldes von 1 000,-- DM nicht zu beanstanden.
Die Höhe des Zwangsgeldes hat sich in dem in § 11 Abs. 3 VwVG vorgesehenen Rahmen von 3,-- bis 2 000,-- DM nach der Wichtigkeit des von der Verwaltung verfolgten Zweckes und der Intensität des geleisteten Widerstandes des Pflichtigen zu richten (vgl. Engelhardt, a.a.O., Anm. 4 zu § 11 m. w. N.). Schon allgemein ist es für den Ablauf eines Flurbereinigungsverfahrens von großer Wichtigkeit, daß die Unterlassungspflicht, die mit der gemäß § 65 FlurbG bewirkten Entziehung von Altbesitzflächen verbunden ist, befolgt wird. Ohne Erfüllung dieser Pflicht sind Besitzstreitigkeiten zwischen Teilnehmern und zu Lasten der Teilnehmergemeinschaft finanzielle Auseinandersetzungen wegen vorübergehender Nachteile (§ 51 FlurbG) regelmäßig die Folge. Der Erfüllung der Unterlassungspflicht kommt hier umso größere Bedeutung zu, als die in Rede stehende Altbesitzfläche immerhin nahezu 5 ha landwirtschaftliche Werte auf dem Spiel stehen. Wenn die Kl. diese Fläche weiter zu bewirtschaften versuchten und wiederholt erklärt hatten, sie würden ihren Altbesitz weiter bewirtschaften, obwohl ihnen aufgrund des Beschlusses des Senats vom 14.02.1984 bekannt war, daß ihr Aussetzungsantrag keinen Erfolg hatte, ergibt sich eine nicht geringe Intensität des Widerstandes gegen die Erfüllung der Unterlassungspflicht. Hiernach erscheint die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 1 000,-- DM, der Hälfte der möglichen Höchstsumme, angemessen.