Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 02.02.1972 - 3 C 47/71 = AgrarR 1974 S. 53
Aktenzeichen | 3 C 47/71 | Entscheidung | Urteil | Datum | 02.02.1972 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = AgrarR 1974 S. 53 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei den nicht vorherzusehenden wirtschaftlichen Bedürfnissen der Beteiligten im Sinne des § 64 FlurbG muß es sich um echte betriebswirtschaftliche Erfordernisse handeln, die aus objektiven Umständen heraus auf die Wirtschaftsführung des Betriebes oder die Bewirtschaftung einzelner Grundstücke einen bestimmenden Einfluß haben. |
Aus den Gründen
Die Kläger waren mit der ihnen zugeteilten Landabfindung nicht einverstanden und strengten dagegen ein Rechtsmittelverfahren an, in dessen Verlauf ein Urteil des Flurbereinigungsgerichts erlassen wurde, welches ihre Abfindung in einigen Punkten änderte. In diesem Urteil war die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen worden. Die von den Klägern dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.8.1970 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen die am 13.4.1971 erlassene Schlußfeststellung erhoben die Kläger Beschwerde. Als Begründung gaben sie an, daß ihre Abfindung nicht den Grundsätzen des § 44 Abs. 1 bis 4 FlurbG entspreche. Die Obere Flurbereinigungsbehörde wies die Beschwerde der Kläger zurück. In der sich anschließenden Klage tragen sie darüber hinaus noch vor: Die Flurbereinigungsbehörde sei verpflichtet, unter Anwendung des § 64 FlurbG die Abfindung neu zu gestalten, weil sich inzwischen ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse geändert hätten. Die Frage einer etwaigen Aussiedlung des Betriebes, die im Jahre 1968 eine Rolle gespielt habe, sei für sie nun nicht mehr akut. Heute ginge es ihnen vielmehr darum, Bauland zu erhalten. Dies sei damals nicht vorherzusehen gewesen und bei der Entscheidung aus dem Jahre 1968 auch nicht beachtet worden. Auf dem in dem damaligen Urteil als möglichen Aussiedlungsstandort bezeichneten Gelände "Auf der obersten Kehr" dürfe aber nach Auskunft des Bürgermeisters nicht gebaut werden.
Die Kläger können ihr Begehren auf Abänderung ihrer Zuteilung nicht unter Berufung auf § 64 FlurbG darauf stützen, daß inzwischen nicht vorherzusehende wirtschaftliche Bedürfnisse aufgetreten seien, die eine Umgestaltung ihrer rechtskräftig feststehenden Abfindung notwendig machen würden. Die Voraussetzungen des § 64 FlurbG sind nämlich nicht erfüllt.
Das Vorbringen der Kläger, sie hätten inzwischen die ursprüngliche Absicht, ihren Betrieb auszusiedeln, aufgegeben, infolgedessen müsse der Lagewert der seinerzeit unter dem Gesichtspunkt der Aussiedlung miteinander verglichenen Grundstücke neu überprüft werden, kann nicht zur Anwendung der Vorschrift des § 64 FlurbG führen. Im Interesse der übrigen Verfahrensteilnehmer ist eine Änderung des Flurbereinigungsplans nach Eintritt seiner rechtlichen Wirkungen nur noch ausnahmsweise, unter bestimmten Umständen, möglich; § 64 FlurbG ist eng auszulegen (vgl. Seehusen/Schwede/Nebe, Komm. z. FlurbG, 2. Aufl., Anm. 2 zu § 64; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.10.1968, RdL 1969 S.80). Bei den nicht vorherzusehenden wirtschaftlichen Bedürfnissen der Beteiligten im Sinne des § 64 FlurbG muß es sich um echte betriebswirtschaftliche Erfordernisse handeln, die aus objektiven Umständen heraus auf die Wirtschaftsführung des Betriebes oder die Bewirtschaftung einzelner Grundstücke einen bestimmenden Einfluß haben.
Solche Bedürfnisse werden demgemäß immer nur dann anzunehmen sein, wenn die Abfindung unter Voraussetzungen gestaltet wurde, die wider Erwarten nicht eintreten (so z.B. wenn davon ausgegangen wurde, daß auf einem bestimmten Grundstück ein Brunnen zur Errichtung einer Beregnungsanlage gebohrt werden kann oder daß über einen trennenden Bach eine Brücke gebaut wird, vgl. auch die Beispiele bei Seehusen/Schwede/Nebe, a.a.O.)
Die Voraussetzungen des § 64 FlurbG sind jedoch nicht erfüllt, wenn Beteiligte nach der Rechtskraft des Flurbereinigungsplans ohne äußere Veranlassung ihre ursprünglich vorgetragenen Pläne und Absichten ändern. Den auf einer solchen Sinnesänderung beruhenden Umgestaltungswünschen kann im Spätstadium des Verfahrens nicht mehr Rechnung getragen werden. Wäre dies möglich, müßte das gesamte Verfahren unter Unsicherheitsmomenten leiden, welche für die Flurbereinigungsbehörde und insbesondere für die betroffenen übrigen Beteiligten untragbar wären. Neben der zeitlichen Verzögerung des Verfahrens würden sich Flächenänderungen auf die Besitzstände anderer Beteiligter, die sich seit Jahren auf die Bewirtschaftung ihrer Zuteilung eingestellt und ihren Betrieb danach ausgerichtet haben, in mehr oder weniger einschneidendem Umfange auswirken. Ersatzforderungen und zusätzliche Regelungen wegen Aufwuchs- und Düngezustand einzelner Pläne wären notwendig, und das alles nur deswegen, weil ein Beteiligter seine Pläne oder seine Meinung geändert hat. Aus dem Sinn der Regelung des § 64 FlurbG ergibt sich demgegenüber mit aller Deutlichkeit, daß solche Belastungen des Flurbereinigungsverfahrens verhindert werden sollen. Es muß vielmehr im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht dem einzelnen Beteiligten zugemutet werden, seine betriebswirtschaftlichen Verhältnisse und seine wirtschaftlichen Absichten und Ziele offen darzulegen. Insoweit ist dann die Flurbereinigungsbehörde, quasi in dem von den Beteiligten abgesteckten Rahmen, auch verpflichtet, die Verhältnisse der Teilnehmer gegeneinander abzuwägen und bei der Zuteilung alle Umstände zu berücksichtigen, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluß haben (vgl. § 44 Abs. 2 FlurbG). Eine unter Beachtung dieser Grundsätze erstellte und rechtskräftig gewordene Neueinteilung kann wegen der bloßen Sinnesänderung eines Beteiligten nicht nachträglich erneut zur Disposition gestellt werden, zumal aus der Natur der Sache heraus nicht überprüfbar ist, ob ein solches nachträgliches Vorbringen nur prozeßtaktischen Überlegungen entspringt oder ob ein Beteiligter tatsächlich inzwischen anderen Sinnes geworden ist. Auch aus diesen Gründen kann die Frage einer Änderung der wirtschaftlichen Bedürfnisse nur an objektiven Maßstäben gemessen werden. Unter diesem Gesichtspunkt geprüft, haben die Kläger jedoch nichts vorgebracht, was auf eine Änderung der wirtschaftlichen Bedürfnislage schließen lassen könnte.Anmerkung
Das Urteil wurde durch Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.10.1973 - V B 43.72 - bestätigt.