Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 15.03.2001 - 13 A 98.2877 = = RdL 2001, 238

Aktenzeichen 13 A 98.2877 Entscheidung Urteil Datum 15.03.2001
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen = = RdL 2001, 238  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die "richtige Rechtsanwendung" allein erfordert keine Änderung des Flurbereinigungsplans nach Anordnung der (vorzeitigen) Ausführungsanordnung.
2. Die Durchschneidung eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks durch eine Bundesstraße führt, auch wenn sie unentschädigt bleibt, nicht notwendig dazu, dass die Jagdgenossenschaft ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen kann.
3. Bloße wirtschaftliche Nachteile einer Jagdgenossenschaft, obwohl öffentlich-rechtliche Körperschaft, begründen noch kein solches öffentliches Interesse, das § 64 Satz 1 FlurbG anwendbar macht.

Aus den Gründen

Gegenstand der Klage ist eine Änderung des Flurbereinigungsplanes N. durch die Direktion für Ländliche Entwicklung ... - DLE -, wonach durch den Bau der Bundesstraße eine Enteignung zu Gunsten der Klägerin (Bundesrepublik) bedingt und enteignungsbetroffen die Beigeladene zu 2 (Jagdgenossenschaft) ist.
...

Die zulässige Klage ist begründet.

Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass nach Erlass der vorzeitigen Ausführungsanordnung zum 21. Dezember 1997 gemäß § 63 Abs. 1 FlurbG eine Änderung oder Ergänzung des Flurbereinigungsplanes nur nach § 64 FlurbG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zum Flurbereinigungsgesetz - AGFlurbG - von der DLE und nicht mehr von der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft als Trägerin des Verfahrens verfügt werden kann. § 64 Satz 1 FlurbG erlaubt jedoch die Änderung oder Ergänzung des Flurbereinigungsplanes nur unter bestimmten Voraussetzungen. Eine Planänderungsbefugnis ist danach gegeben, wenn öffentliche Interessen oder wichtige, nicht vorherzusehende wirtschaftliche Bedürfnisse der Beteiligten die Änderung oder Ergänzung erfordern oder wenn der Flurbereinigungsbehörde eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird. Keine dieser drei alternativ zu prüfenden Voraussetzungen liegt hier jedoch vor, so dass die Planänderung nicht zulässig ist.

Öffentliche Interessen erfordern die Ergänzung des Flurbereinigungsplanes vom 20. Mai 1998 nicht (§ 64 Satz 1 Alternative 1 FlurbG). Im Bescheid vom 20. Mai 1998 und insbesondere im Widerspruchsbescheid vom 9. September 1998 wird die Planänderung damit begründet, der Flurbereinigungsplan der Beigeladenen zu 1 (Teilnehmergemeinschaft) habe zu Unrecht keinen Entschädigungsanspruch für die Beigeladene zu 2 dem Grunde nach festgesetzt. Offensichtlich geht der Beklagte davon aus, dass der Flurbereinigungsplan deswegen fehlerhaft war und es im öffentlichen Interesse liege, diesen Fehler zu bereinigen. Zutreffend ist zwar, dass es das öffentliche Interesse gebietet, dass ein Verwaltungsakt in rechtmäßiger Form ergeht (BayVGH vom 13.10.1977 RdL 1978, 181). Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung liegt zweifelsohne im öffentlichen Interesse. Bereits dem Gesetzeswortlaut lässt sich jedoch entnehmen, dass das Vorliegen eines öffentlichen Interesses allein nicht genügt. Vielmehr muss dieses die Planänderung "erfordern". § 64 FlurbG räumt dem Interesse der Beschleunigung, der Rechtssicherheit und des Bestandsschutzes Vorrang ein. Mit der Anordnung der (vorzeitigen) Ausführung des Flurbereinigungsplanes ist ein gewisses Maß an Rechtssicherheit entstanden, das nur unter bestimmten Voraussetzungen durchbrochen werden kann. Dementsprechend geht auch die ständige Rechtsprechung davon aus, dass § 64 FlurbG eng auszulegen ist und nur die Plankorrektur in Betracht kommt, die unumgänglich notwendig erscheint (vgl. BVerwG vom 16.07.1975 BVerwGE 49, 176/181 f. und vom 10.11.1993 - RdL 1994, 35; BayVGH vom 28.11.1974 RzF - 13 - zu § 64 FlurbG; so auch Schwantag in Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, RdNr. 2 zu § 64). Allein die "richtige Rechtsanwendung" erfordert damit keine Änderung des Flurbereinigungsplanes nach Anordnung der (vorzeitigen) Ausführungsanordnung.

Die Planänderung rechtfertigt sich auch nicht deswegen, weil die Beigeladene zu 2 durch die fehlende Festsetzung eines Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen könnte, dies aber im öffentlichen Interesse sicherzustellen wäre. Zwar ist die Beigeladene zu 2 nach § 9 des Bundesjagdgesetzes - BJagdG - und Art. 11 Abs. 1 des Bayerischen Jagdgesetzes - BayJG - eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihr steht als der Vereinigung der Grundeigentümer nach § 8 Abs. 5 BJagdG die Ausübung des Jagdrechts zu. Dieses Recht stellt gleichsam ein "Stück abgespaltenes Eigentum" der einzelnen Jagdgenossen dar, das erst in der Hand der Genossenschaft zu einem Recht erstarkt und das grundsätzlich beeinträchtigt sein kann (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. zuletzt nur BGH vom 20.01.2000 - NVwZ 2000, 963). Dabei erfüllen die Jagdgenossenschaften auch öffentliche Aufgaben. Dies ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 1 Satz 2 BJagdG, wonach mit dem Jagdrecht die Pflicht zur Hege verbunden ist. Diese hat nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BJagdG zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen. Auch werden Hege und Jagd als vom Staat zu schützendes Kulturgut bezeichnet (Nick/Frank, Das Jagdrecht in Bayern, Anm. 1 a.E. zu Art. 1, 2 BayJG/§ 1 BJagdG). Die Jagdgenossenschaft entsteht kraft Gesetzes mit dem dazugehörigen Gemeinschaftsjagdrevier und geht gegebenenfalls mit diesem unter. Sie teilt untrennbar dessen Schicksal. Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayJG untersteht sie zudem der Aufsicht des Staates. Gegebenenfalls hat die (untere) Jagdbehörde sicherzustellen, dass die Aufgaben der Jagdgenossenschaft erfüllt werden. Es ist daher bereits offen, ob es denkbar ist, dass die Aufgaben einer Jagdgenossenschaft nicht mehr erfüllt werden können. Vielmehr müssen gegebenenfalls die Jagdgenossen selbst in Anspruch genommen werden. Dies bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene zu 2 mittellos wäre oder werden würde, sind jedenfalls nicht ersichtlich. In ihren Schreiben vom 26. Juli 1995 und vom 15. Dezember 1997 weist die Beigeladene zu 2 lediglich darauf hin, dass durch die Revierdurchschneidung negative Folgeerscheinungen zu erwarten seien, die auch eine langfristige Wertminderung der Jagd zur Folge hätten. Andere Erkenntnisse liegen nicht vor. Damit hat die Beigeladene zu 2 zwar (wohl) wirtschaftliche Nachteile; diese begründen jedoch kein öffentliches Interesse, das eine Änderung nach § 64 Satz 1 Alternative 1 FlurbG rechtfertigen würde.

Diese wirtschaftlichen Bedürfnisse der Beigeladenen zu 2 erlauben auch keine Änderung des Flurbereinigungsplanes nach § 64 Satz 1 Alternative 2 FlurbG, da sie vorherzusehen waren. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Grund für die Änderung nicht vorhersehbar war, in die Plangestaltung nicht mit einbezogen zu werden brauchte oder aber nicht vorausbedacht werden konnte (BVerwG vom 26.03.1981 - RdL 1981, 180). Für die Frage, ob die Notwendigkeit für die Regelung im Flurbereinigungsplan vorhersehbar gewesen ist, kommt es nicht auf die Kenntnis einzelner Beteiligter, sondern der Flurbereinigungsbehörde, nach Art. 2 Abs. 1 AGFlurbG also der Beigeladenen zu 1, an. Allerdings haben die Beteiligten ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse so rechtzeitig wie möglich an die Flurbereinigungsbehörde heranzutragen. Gemessen an diesen Vorgaben kann nicht davon ausgegangen werden, die wichtigen Bedürfnisse der Beigeladenen zu 2 seien nicht vorhersehbar gewesen. Bereits mit Schreiben vom 26. Juli 1995 hat die Beigeladene zu 2 - allerdings gegenüber dem Straßenbauamt - darauf hingewiesen, dass ihr erhebliche Nachteile durch den Bau der Bundesstraße entstehen würden. Der Anhörungstermin zum Flurbereinigungsplan der Beigeladenen zu 1, nach dem gemäß § 59 Abs. 5 FlurbG, Art. 15 Abs. 2 AGFlurbG innerhalb von zwei Wochen Rechtsmittel hätten vorgebracht werden müssen, fand erst nach diesem Termin, am 10. Januar 1996, statt. Schon aus diesem Zeitablauf ergibt sich die Vorhersehbarkeit. Dabei ist nicht darauf abzustellen, dass die Höhe des (möglicherweise) eingetretenen Schadens (noch) nicht ermittelbar war. Vielmehr ist Gegenstand der Festsetzung im Flurbereinigungsplan gem. § 88 Nr. 5 FlurbG ausschließlich - wie sie hier im Übrigen in Nr. 10.2 des Textteils auch hinsichtlich anderer Beteiligter getroffen wurde -, dass ein unternehmensbedingter Nachteil vorliege. Die spätere Festsetzung der Enteignungsentschädigung ist nicht mehr Bestandteil des Flurbereinigungsplanes (BVerwG vom 11.05.1988 - AgrarR 1989, 70); bei Streit über deren Höhe hätten die Zivilgerichte zu befinden.

Auch die dritte Alternative des § 64 Satz 1 FlurbG ermöglicht keine Änderung des Flurbereinigungsplanes. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, der Bundesgerichtshof habe bereits mit Urteil vom 14. Juni 1982 entschieden, dass eine Jagdgenossenschaft grundsätzlich von einem entschädigungspflichtigen Eingriff im enteignungsrechtlichen Sinne betroffen sein kann, wenn eine Bundesautobahn einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk durchschneidet und das zu erheblichen Beeinträchtigungen der Jagd führt (BGHZ 84, 261 = AgrarR 1982, 304). Davon geht auch das im Widerspruchsbescheid genannte Urteil vom Bundesgerichtshof vom 15. Februar 1996 (NVwZ 1996, 933) aus, das ausdrücklich auf diese frühere Rechtsprechung verweist. Damit ist keine (neue) gerichtliche Entscheidung bekannt geworden. Im Übrigen werden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich solche Aussagen rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen von § 64 FlurbG erfasst, die ihrerseits in Rechtskraft erwachsen (BVerwG vom 10.11.1993 - RdL 1994, 35).

Entscheidungsbestandteile, die nicht selbst an der Rechtskraft teilnehmen, sondern nur der Begründung rechtkräftig werdender Aussagen dienen, begründen keine Änderungsbefugnis. In Rechtskraft erwächst also nur die Entscheidung eines Gerichts über den konkreten Streitgegenstand. Nur insoweit tritt eine Bindungswirkung und eine Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen des § 64 FlurbG ein. Dies wäre hier selbst dann nicht der Fall, wenn die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Februar 1996 "neu" wäre. Die dortigen Beteiligten sind nicht Beteiligte des Flurbereinigungsverfahrens N.

Da somit bereits keine der Voraussetzungen des § 64 Satz 1 FlurbG vorliegt, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die Beigeladene zu 2 tatsächlich enteignungsbetroffen ist.