Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 03.02.1978 - 1 U 156/77 = AgrarR 1978 S. 198

Aktenzeichen 1 U 156/77 Entscheidung Urteil Datum 03.02.1978
Gericht Oberlandesgericht Zweibrücken Veröffentlichungen AgrarR 1978 S. 198  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Erfährt ein in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachtes Grundstück nach dem Eintritt des neuen Rechtszustandes eine Wertsteigerung (Bauland), so braucht weder die beteiligte Gemeinde noch die Flurbereinigungsbehörde darauf hinzuwirken, daß diese Wertsteigerung dem bisherigen Eigentümer zugute kommt, auch nicht im Wege einer nachträglichen Änderung des Flurbereinigungsplanes gemäß § 64 FlurbG. Das Gewinninteresse des bisherigen Eigentümers ist für sich allein kein wirtschaftliches Bedürfnis im Sinne dieser Vorschrift.

Aus den Gründen

Die Kläger verlangen von den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung Schadensersatz im Anschluß an die vom Kulturamt K. in den Jahren 1969 bis 1974 in der Gemarkung H. durchgeführte Flurbereinigung.

Zu den Grundstücken, die die Kläger in das Flurbereinigungsverfahren einbrachten (Altbesitz), gehörte auch ein Acker in der Gewanne "A. G." (Pl. Nr. 3038; Größe: 33,33 ar), der von Norden her unmittelbar an die Ortslage H. angrenzte. Im Flurbereinigungsverfahren wurde dieses Grundstück mit 60 Pfennig pro qm bewertet. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß diese Bewertung zutreffend war, als am 1.6.1970 aufgrund der am 10.4.1970 erlassenen vorzeitigen Ausführungsanordnung gemäß § 61 ff. FlurbG der im Flurbereinigungsplan vorgesehene neue Rechtszustand eintrat.

Zu Beginn des Flurbereinigungsverfahrens hatte die Gemeinde H. in Übereinstimmung mit einem zuvor ergangenen Gemeinderatsbeschluß und auf eine entsprechende Anfrage des Kulturamtes K. diesem gegenüber einige in der Nähe des den Klägern gehörenden Ackers gelegene Grundstücke als Bauerwartungsland bezeichnet. Diese Grundstücke wurden daraufhin nicht in das Flurbereinigungsgebiet einbezogen.

Das Flurbereinigungsverfahren wurde dadurch beendet, daß die am 11.3.1974 gemäß § 149 FlurbG erlassene Schlußfeststellung am 22.11.1974 in Kraft trat. Die Kläger legten gegen diese Feststellung ein Rechtsmittel nicht ein.

Im Anschluß an die im Jahre 1969 bekanntgewordene Trassenführung der geplanten Bundesautobahn A erstellte die zweitbeklagte Gemeinde am 18.11.1974 einen Bebauungsplan, demzufolge das früher den Klägern gehörende Grundstück Bauland werden solle. Ob dieser Bebauungsplan insoweit genehmigt werden wird, ist noch ungewiß, insbesondere wegen bestehender Entwässerungsschwierigkeiten. Dessenungeachtet und in der Erwartung, daß die Genehmigung erteilt werde, erwarb die zweitbeklagte Gemeinde in der Folgezeit von dem Landwirt M., dem das früher den Klägern gehörende Grundstück im Flurbereinigungsverfahren zugeteilt worden war, dieses Grundstück zu einem Preis von 10,-- DM pro qm.

Die Kläger haben vorgetragen: Die zweitbeklagte Gemeinde habe spätestens im Jahre 1973 gewußt, daß ihr, der Kläger, früheres Grundstück Bauerwartungsland geworden sei. Diese Veränderung hätte die Zweitbeklagte dem Kulturamt mitteilen müssen, um ihre im Jahre 1968 erteilte, mittlerweile nicht mehr zutreffende Auskunft richtigzustellen. Hierzu sei sie gegenüber ihnen, den Klägern, aus dem Gesichtspunkt des vorausgegangenen Tuns verpflichtet gewesen. Aber auch das erstbeklagte Land müsse sich die unterbliebene Richtigstellung als Amtspflichtverletzung zurechnen lassen, weil die Flurbereinigungsbehörde mit Rücksicht auf die lange inzwischen verstrichene Zeit die am 11.3.1974 gemäß § 149 FlurbG getroffene Schlußfeststellung nicht hätte erlassen dürfen, ohne zuvor wegen etwaiger Planungsänderungen bei der Gemeinde zurückzufragen. Der Wert ihres früheren Grundstückes betrage inzwischen 15,-- DM pro qm (Beweis: Sachverständigengutachten). Durch die von den Beklagten schuldhaft verhinderte Anpassung an die geänderte Planungssituation sei ihnen, den Klägern, in Höhe der Wertdifferenz von (15,-- DM ./. 0,60 DM =) 14,40 DM pro qm, mithin in Höhe eines Betrages von (3 333 x 14,40 DM =) 47 995,20 DM ein Schaden entstanden.

Diesen Betrag verlangen die Kläger mit der Klage. Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Daß ein Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagten nicht auf eine unrichtige Bewertung des von den Klägern eingebrachten Altbesitzes gestützt werden kann, ergibt sich aus der vom LG zu Recht herangezogenen und auch von den Klägern nicht bekämpften Ansicht, daß im Flurbereinigungsverfahren maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung der eingebrachten Grundstücke der Eintritt des neuen Rechtszustandes gemäß § 61, § 62, § 63 FlurbG ist, vorliegend der 1.6.1970. Dies entspricht der vom BVerwG noch unter der Geltung der früheren Reichsumlegungsordnung begründeten und in der Folgezeit nach Inkrafttreten des Flurbereinigungsgesetzes ständig fortgeführten Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 8, 343; RdL 1966, 268 und 1970, 20; AgrarR 1973, 333). Aus der zuletzt zitierten Entscheidung folgt insbesondere, daß es im Sinne der genannten Rechtsprechung unerheblich ist, wenn der Eintritt des neuen Rechtszustandes gemäß § 63 FlurbG durch eine vorzeitige Ausführungsanordnung bestimmt ist. Unstreitig entspricht aber die im Flurbereinigungsverfahren vorgenommene Bewertung des von den Klägern eingebrachten Grundstückes den am 1.6.1970 gegebenen Wertverhältnissen.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihr Begehren nunmehr auf die Meinung gestützt, die nach ihrer Behauptung später eingetretene Veränderung der Bewertungsverhältnisse hätte von dem beklagten Land erfragt bzw. von der beklagten Gemeinde diesem mitgeteilt werden müssen, damit in Anwendung des § 64 FlurbG der Flurbereinigungsplan nachträglich geändert und ihr Grundstück von der Flurbereinigung ausgenommen worden wäre. Aber auch diese Überlegung kann den Klägern nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar erscheint es nicht fraglich, daß eine nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplanes gemäß § 64 FlurbG auch in der Weise geschehen kann, daß ein zunächst miteinbezogenes Grundstück später von der Flurbereinigung ausgenommen wird. Voraussetzung für eine derartige Maßnahme ist jedoch, daß "öffentliche Interessen oder wichtige, nicht vorherzusehende wirtschaftliche Bedürfnisse der Beteiligten es erfordern ... ". Hierfür ist vorliegend weder etwas vorgetragen noch ein Anhaltspunkt ersichtlich. Das von den Beklagten angeblich schuldhaft vereitelte Bestreben der Kläger, das Grundstück nachträglich aus der Flurbereinigung ausnehmen zu lassen, hätte lediglich deren Interesse entsprochen, die nach dem Bewertungsstichtag eingetretene oder noch zu erwartende Wertsteigerung für sich zu sichern. Dieses - verständliche - Gewinninteresse der Kläger ist aber kein wirtschaftliches Bedürfnis im Sinne des § 64 FlurbG. Infolgedessen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die von den Klägern vermißte nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplanes, sei es von Amts wegen, sei es auf Betreiben der Kläger, zustande gekommen wäre, wenn die von diesen für erheblich erachtete Änderung des Bebauungsplanes der Flurbereinigungsbehörde bekannt gewesen wäre. Dadurch hätte sich insbesondere nichts an der rechtlichen Beurteilung geändert, daß es sich allenfalls um eine nach dem Bewertungsstichtag eingetretene Wertsteigerung handelt, die den Klägern als den früheren Eigentümern nicht mehr zugute kommt. Dieser Beurteilung können die Kläger auch nicht die zuletzt vorgetragene Meinung entgegenhalten, in der Praxis würden ohne Rücksicht auf die Rechtslage derartige Wertsteigerungen dem früheren Eigentümer tatsächlich zugeführt. Dem braucht der Senat nicht nachzugehen. Denn auf eine derartige, mit der Rechtslage nicht in Einklang stehende Übung könnte die Beurteilung nicht gestützt werden. Damit erweist sich das auf Verletzung der Amtspflicht gestützte Klagebegehren in jedem Falle als unbegründet, so daß die weiteren, zur Begründung eines solchen Anspruchs erheblichen Fragen auf sich beruhen mögen.