Flurbereinigungsgericht Mannheim, Beschluss vom 11.11.1975 - VII 1568/75
Aktenzeichen | VII 1568/75 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 11.11.1975 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur gerichtlichen Überprüfung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung flurbereinigungsbehördlicher Überleitungsbestimmungen nach § 63 Abs. 2 Satz 2 FlurbG. |
2. | Der gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO zur Sachentscheidung ermächtigte und von dieser Befugnis gebrauchmachende Vorsitzende des Spruchkörpers kann gleichzeitig auch den Wert des Streitgegenstandes nach den Vorschriften des GKG festsetzen. Er handelt insoweit als Prozeßgericht im Sinne des § 23 GKG. |
Aus den Gründen
Der von der Antragstellerin gestellte Antrag auf "Aussetzung der sofortigen Vollziehung", über den der Vorsitzende gemäß § 80 Abs. 7 und 5 VwGO entscheiden kann, hat keinen Erfolg.
Soweit die Antragstellerin begehrt, die "sofortige Vollziehung der Ausführungsanordnung auszusetzen", ist der Antrag schon deshalb unzulässig, weil die von der Flurbereinigungsbehörde am 12.6.1968 mit Wirkung vom 1.7.1968 gemäß § 63 FlurbG verfügte - und gleichzeitig für sofort vollziehbar erklärte - einschlägige Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans unanfechtbar geworden ist. Dem Begehren der Antragstellerin fehlt demzufolge jegliches Rechtschutzinteresse.
Soweit die Antragstellerin mit ihrem im o. a. Schriftsatz formulierten Begehren nicht die "Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Ausführungsanordnung", sondern - möglicherweise - die "Aussetzung der ausdrücklich nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Überleitungsbestimmungen" des Flurbereinigungsamts C. erstreben wollte, ist ihr entgegenzuhalten, daß nach der verkehrsmäßigen Bedeutung des Inhalts der von ihrem Prozeßbevollmächtigten, einem Rechtsanwalt, formulierten Antragschrift ein solcher Antrag selbst bei extensiver Auslegung des Vorbringens nicht herausgelesen werden kann. Selbst wenn man das Begehren zugunsten der Antragstellerin entsprechend deutet, wäre ein solcher Antrag nicht begründet, weil insoweit folgendes gilt:
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der o. a. Überleitungsbestimmungen ist formell ordnungsgemäß ergangen. Sie ist besonders verfügt - § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO - und ausreichend begründet - § 80 Abs. 3 VwGO -.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch sachlich gerechtfertigt. Sie ist aufrecht zu erhalten, da das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der erlassenen Überleitungsbestimmungen das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtmäßig und aufrecht zu erhalten ist, bedarf es grundsätzlich der Abwägung zwischen dem öffentlichen und dem Interesse Dritter an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschluß vom 26.3.1969 - NJW 1969, 2028) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. etwa Beschluß vom 31.8.1973 - VII 866/73 - und vom 8.12.1969 - BaWü VBl 1970, 79 mit weiteren Nachweisen) hat das öffentliche Interesse am Vollzug eines Verwaltungsakts regelmässig dann den Vorzug vor dem Interesse der Antragstellerin, wenn das von dieser eingelegte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Dies gilt erst recht in den Fällen, in denen neben dem so begründeten öffentlichen Interesse und dem sich aus dem Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel ergebenden öffentlichen Interesse an einer Nutzung des neugestalteten Flurbereinigungsgebietes insbesondere noch das Interesse der von den Flurbereinigungsmaßnahmen betroffenen übrigen Teilnehmer an der endgültigen Besitzeinweisung auf den sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts gerichtet sind.
Für die von der Antragstellerin gegen die o. a. Überleitungsbestimmungen und den Beschwerdebescheid des LFS vom 8.10.1975 erhobene Klage bestehen jedoch selbst bei Berücksichtigung der im Schriftsatz der Antragstellerin vom 30.10.1975 enthaltenen Ausführungen keine hinreichenden Erfolgsaussichten, wie die in Fällen dieser Art lediglich gebotene summarische gerichtliche Überprüfung ergibt. Maßgebend für die sachlich-rechtliche Beurteilung der Überleitungsbestimmungen ist, daß nach § 63 Abs. 2 Satz 2 FlurbG die Flurbereinigungsbehörde nach Erlaß der vorzeitigen Ausführungsanordnung die tatsächliche Ausführung von Änderungen des Flurbereinigungsplans durch Überleitungsbestimmungen regelt. Im Falle der Antragstellerin war der Besitzübergang in der geänderten Abfindung (Stand Nachtrag II zum Flurbereinigungsplan vom 26.3.1971) bis zur Rechtskraft des Urteils des Senats vom 29.7.1971 - VII 1033/69 - nicht vollzogen worden. Nachdem nunmehr aber die Gesamtabfindungen aller Teilnehmer bestandskräftig feststehen, besteht keinerlei Veranlassung mehr, die tatsächliche Ausführung des Nachtrags II zum Flurbereinigungsplan noch länger hinauszuschieben. Dies gilt um so mehr, als die im Schriftsatz der Antragstellerin vom 30.10.1975 enthaltenen und schon seit Jahren in allen einschlägigen beim Senat anhängig gewesenen Prozeßverfahren immer wieder vorgetragenen Ausführungen zum "Bauland" und "Bauerwartungsland" schlechterdings nicht geeignet sind, die Rechtmäßigkeit der mit der Klage angefochtenen Überleitungsbestimmungen in Frage zu stellen. Da überdies keine hinreichenden Anhaltspunkte vorhanden sind, die die Annahme rechtfertigen könnten, der Antragsgegner sei verpflichtet, den nach höchstrichterlicher Überprüfung rechtskräftig gewordenen Flurbereinigungsplan im Falle der Antragstellerin nachträglich abzuändern, war, wie geschehen, der Antrag aus allen in Betracht kommenden rechtlichen Erwägungen abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. mit § 154 Abs. 1 VwGO und § 147 Abs. 1 FlurbG.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes, zu der der nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO zur Sachentscheidung ermächtigte Vorsitzende des Senats ebenfalls befugt ist (Eyermann-Fröhler, VwGO, 1974, Anm. 53 zu § 80), beruht auf § 10 a GKG n. F..