Landgericht Ellwangen, Beschluss vom 18.05.1987 - 1 T 24/87-10
Aktenzeichen | 1 T 24/87-10 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 18.05.1987 |
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Gericht | Landgericht Ellwangen | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Im Zeitraum zwischen dem Eintritt des neuen Rechtszustandes nach der Ausführungsanordnung und der Grundbuchberichtigung kann der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen werden. Einer vorzeitigen Grundbuchberichtigung bedarf es nicht. |
2. | Das Recht, eine vorzeitige Grundbuchberichtigung zu verlangen, steht nur dem Teilnehmer zu. Dritte, z. B. Zwangsversteigerungsgläubiger, haben dieses Recht nach § 82 FlurbG nicht. |
Aus den Gründen
Das Flurbereinigungsverfahren ist nicht nur bis zum Eintritt der Rechtskraft der endgültigen oder vorzeitigen Ausführungsanordnung, sondern grundsätzlich kein der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens entgegenstehendes Recht im Sinne des § 28 ZVG (vgl. OLG Oldenburg, KTS 1975, 239 m. w. N. = RzF - 2 - zu § 61 FlurbG, Zeller ZVG,12. Aufl., § 15 Anm.18.4, Seehusen/Schwede, FlurbG, 4. Aufl., § 15 Anm. 1). Die Flurbereinigung bewirkt weder ein Verfügungsverbot für den Grundstückseigentümer noch eine Sperre des Grundbuchs. Die Beschränkungen, die das Flurbereinigungsgesetz vorsieht, sind tatsächlicher, nicht rechtlicher Art.
Über die alten (eingeworfenen) Grundstücke kann allerdings nur verfügt und folglich auch nur die Zwangsversteigerung betrieben werden, solange der in der endgültigen oder vorzeitigen Ausführungsanordnung bestimmte Zeitpunkt (§§ 62, 63 FlurbG), von dem an der neue Rechtszustand folgsam wird, noch nicht eingetreten ist. Da in vorliegendem Fall die vorzeitige Ausführungsanordnung am 01.07.1986 wirksam wurde, kann der alte, im Grundbuch eingetragene Grundbesitz nicht mehr Gegenstand eines Zwangsversteigerungsverfahrens sein, da dieser Grundbesitz ab diesem Zeitpunkt als rechtlich untergegangen anzusehen ist (vgl. OLG Oldenburg, a.a.O.). An die Stelle der untergegangenen Grundstücke sind im Wege der Surrogation gemäß § 68 FlurbG die Ersatzgrundstücke getreten. Dabei repräsentieren die im Grundbuch eingetragenen Grundstücke die im Flurbereinigungsplan ausgewiesenen Grundstücke solange, bis die Berichtigung des Grundbuchs stattgefunden hat (vgl. Seehusen a.a.O., § 15 Anm. 8).
Nach § 79 Abs. 1 FlurbG ist das Grundbuch auf Ersuchen der Flurbereinigungsbehörde entsprechend den neuen Verhältnissen zu berichtigen, wobei bis zur Berichtigung des Liegenschaftskatasters der Flurbereinigungsplan als amtliches Verzeichnis der Grundstücke (§ 2 Abs. 1 GBO) dient (§ 81 Abs. 1 FlurbG). Lediglich der Teilnehmer selbst (nicht ein Dritter) hat dabei die Möglichkeit, bei der Flurbereinigungsbehörde zu beantragen, daß diese das Grundbuchamt um die vorzeitige Teilberichtigung nach § 82 FlurbG ersucht (vgl. Bayer. Oberstes Landesgericht, Rechtspfleger 1983, S. 145).
Vor Durchführung dieser - auch nur teilweisen - Grundbuchberichtigung ist zwar der grundbuchmäßige Vollzug bzw. der grundbuchmäßige Abschluß des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht möglich, da das Grundbuch, wie ausgeführt, unrichtig ist, und das Grundbuchamt eine Eintragung, von der es mit Sicherheit weiß, daß sie unrichtig ist, nicht vornehmen kann (vgl. BayObLG, a.a.O., OLG Oldenburg, a.a.O.). Diese einstweilige Undurchführbarkeit des grundbuchmäßigen Vollzugs der Zwangsversteigerung, also die Löschung des bisherigen Eigentümers und die Eintragung desjenigen, dem der Zuschlag erteilt wird, darf aber weder die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens noch die Erteilung des Zuschlags hindern (OLG Oldenburg, a.a.O., S. 241).
Nicht zum grundbuchmäßigen Vollzug des Zwangsversteigerungsverfahrens in diesem Sinne gehört jedoch die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerkes, denn die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerkes begründet kein Recht am Grundstück, sondern macht lediglich das in der Beschlagnahme liegende Veräußerungsverbot gegenüber dem Schuldner grundbuchmäßig ersichtlich (vgl. Zeller ZVG 12. Aufl., § 19 Anm. 3.5). Die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerkes macht also das Grundbuch nicht unrichtig, sondern dient im Gegenteil dazu, daß das Grundbuch seiner Aufgabe, über Rechtsverhältnisse am Grundstück möglichst erschöpfend und zutreffend Auskunft zu geben gerecht werden und damit seinen Zweck erfüllen kann, insbesondere dem Zwangsversteigerungsgläubiger den Schutz vor gutgläubigem Erwerb Dritter (§ 892 BGB) zu gewähren. Aus diesem Grund hat das Grundbuchamt das Eintragungsersuchen auch nur in formeller und nicht in sachlicher Hinsicht zu prüfen; es hat den Zwangsversteigerungsvermerk z. B. auch dann einzutragen, wenn der Schuldner überhaupt nicht im Grundbuch eingetragen war (vgl. Zeller, a.a.O., Anm. 3.1.2).
Der Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerkes steht auch nicht der Flurbereinigungsplan entgegen. Denn er enthält gemäß § 58 FlurbG u. a. die Berechtigungen der Beteiligten an den alten Grundstücken und deren Abfindungen und regelt die sonstigen Rechtsverhältnisse. Die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerkes begründet aber, wie bereits oben ausgeführt, nicht die Änderung eines Rechtsverhältnisses. Im übrigen kann, wenn die Flurbereinigungsbehörde die Aufnahme des Zwangsversteigerungsvermerkes in den Flurbereinigungsplan für erforderlich hält, gemäß § 64 FlurbG eine Änderung des Flurbereinigungsplanes auch noch zum jetzigen Zeitpunkt erfolgen.
Dieses Ergebnis dient auch der Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Zwangsversteigerungsgläubigerin. Denn ohne Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerkes, also ohne die Verlautbarung der Beschlagnahmewirkung im Grundbuch, stünde der Gläubigerin nicht der entsprechende Schutz vor gutgläubigem Erwerb gemäß § 892 BGB zu. Die Gläubigerin liefe also Gefahr, ihre im Wege der Zwangsversteigerung geltend gemachten Rechte zu verlieren, obwohl sie als Nichtbeteiligte des Flurbereinigungsverfahrens keinerlei rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten auf den Gang dieses Verfahrens hat und deshalb untätig und ungesichert zuwarten müßte, bis das Flurbereinigungsverfahren irgendwann rechtskräftig abgeschlossen ist. Ein solches Zuwarten, das die Gefahr wesentlicher Rechtseinbußen in sich birgt, kann aber der Gläubigerin nicht zugemutet werden.