RzF - 23 - zu § 60 Abs. 1 FlurbG

Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 10.04.2003 - 13 A 01.2550 (Lieferung 2004)

Aktenzeichen 13 A 01.2550 Entscheidung Urteil Datum 10.04.2003
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung 2004

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Flurbereinigungsbehörde kann nicht jede Änderung des Flurbereinigungsplanes vornehmen, die sie für erforderlich hält, wenn der Teilnehmer durch eine verbindliche Zusage oder Vereinbarung eine begünstigende Rechtsposition erreicht hat.

Aus den Gründen

Die Abfindung eines Teilnehmers steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen (BVerwG vom 14.10.1976 Buchholz 424.01 § 61 FlurbG Nr. 2). Denn die Abfindung des einzelnen Beteiligten bildet einen Teil des Gesamtplanes. Erst wenn alle Festsetzungen des Gesamtplanes endgültig sind, wird auch die einzelne Abfindung endgültig. Die Voraussetzungen einer Änderung sind indes gesetzlich geregelt; nur in dem gesetzlich festgelegten Rahmen (vgl. § 60 Abs. 1, § 64, § 141, § 144 FlurbG) kann in die Abfindung eines Teilnehmers eingegriffen werden. Der von der Planänderung Betroffene, hier die Kläger, kann demgemäss die gerichtliche Überprüfung verlangen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür beachtet sind.

Auf die Anfrage des Spruchausschusses hat der Vorsitzende des Vorstands der Beklagten mit Schreiben vom 14. August 2001 mitgeteilt, die Änderungen des Flurbereinigungsplanes seien nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ergangen. Nach dieser Bestimmung kann die Flurbereinigungsbehörde "Änderungen des Flurbereinigungsplanes vornehmen, die sie für erforderlich hält". Die Vorschrift soll der Sicherstellung der Planungshoheit der Flurbereinigungsbehörde dienen, (BVerwG vom 19.9.1989 BVerwGE 82, 313 = RdL 1990, 44). Das Gesetz erlaubt der Behörde hiermit, einen wegen der Vielzahl der Teilnehmer und Belange sinnvollen "zweiten Optimierungsschritt", der nicht durch einen Bestandsschutz aus dem Zwischenschritt Flurbereinigungsplan erschwert werden soll (Schwantag in Seehusen/ Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, RdNr. 3a zu § 60). Die Flurbereinigungsbehörde darf damit die Abfindung auch verschlechtern, solange diese nur der Einlage gegenüber gleichwertig bleibt (BVerwG vom 29.5.1980 RdL 1981, 41).

Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Teilnehmer durch eine verbindliche Zusage oder Vereinbarung eine begünstigende Rechtsposition erreicht hat. Dieser kommt eine stärkere Bestandswirkung zu als der ohne Zusage gewährten Abfindung (BVerwG vom 25.5.1961 RdL 1961, 274). In die zugesicherte oder vereinbarte Abfindung darf (nur) nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG zur Abhilfe, nicht aber ohne weiteres nach Satz 2 eingegriffen werden (vgl. Schwantag, a.a.O., RdNr. 4 zu § 60). Um eine Änderung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG vornehmen zu können, muss die Flurbereinigungsbehörde diese besondere Rechtsposition im ausreichenden Umfang berücksichtigen.

Diese erhöhte Bindungswirkung ergibt sich aus der zwischen den Beteiligten am 8. Oktober 1992 geschlossenen Planvereinbarung: "Die Flächenmehrung, die sich ergibt, kauft Herr H. von der Gemeinde zum üblichen Preis der Flurbereinigung." Daneben enthält die Planvereinbarung noch weitere Regelungen. Sie ist unterschrieben von den Klägern, dem Bürgermeister des Beigeladenen und dem Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten. Diese Niederschrift stellt zum einen eine Zusicherung der Beklagten dar, dem klägerischen Besitzstand eine bestimmte Fläche zuzuteilen. Des weiteren verzichtet der Beigeladene gemäß § 52 Abs. 1 FlurbG auf eine Abfindung in Land, wobei der Geldausgleich zwischen den Klägern und der Beigeladenen diesen selbst überlassen wurde. Die Zulässigkeit von Planvereinbarungen im Flurbereinigungsverfahren, die auch einen Verzicht nach § 52 Abs. 1 FlurbG enthalten können (vgl. Schwantag in Seehusen/Schwede, a.a.O., RdNr. 2 zu § 52), ist anerkannt. Es handelt sich dabei um öffentlich-rechtliche Verträge (im Sinne von Art. 54 ff. Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG), im Hinblick auf deren Bindungswirkung und Bindungswillen die allgemeinen Auslegungsregeln gelten (BVerwG vom 4.11.1988 AgrarR 1990, 28; vgl. auch BVerwG vom 29.4.1998 RdL 1998, 240). Hinsichtlich der Wirksamkeit der Planvereinbarung bestehen keine Bedenken. Die vorgeschriebene Schriftform ist gewahrt (§ 99 Abs. 1 Satz 3 FlurbG, Art. 57 BayVwVfG). Zwar obliegt die Erstellung des Flurbereinigungsplanes nicht dem Vorstandsvorsitzenden allein, sondern dem gesamten Vorstand (§ 25 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 18 Abs. 2 FlurbG und Art. 2 Abs. 1 AGFlurbG). Die in der Niederschrift vom 8. Oktober 1992 getroffene Regelung wurde jedoch mit Beschluss des Vorstands vom 18. Mai 1995 im Flurbereinigungsplan umgesetzt, so dass eine ausreichende Behandlung und Willensbildung im Vorstand vorliegt.

An diese Planvereinbarung ist auch die Beklagte grundsätzlich gebunden. Etwas anderes würde nur gelten, wenn keine andere dem Gesetz entsprechende Möglichkeit bestünde, einen ordnungsgemäßen Zustand herzustellen. Dann käme etwa der Widerruf einer verbindlichen Zusage in Betracht (BVerwG vom 25.5.1961 a.a.O.). Aber auch im Übrigen ist eine Planvereinbarung nicht unabänderbar. Als Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes, wonach die strikte Vertragsbindung auch ohne entsprechende Vereinbarung dann unterbrochen werden muss, wenn ein Festhalten an der Vereinbarung zu unzumutbaren Ergebnissen führen würde, sieht Art. 60 BayVwVfG eine "Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen" vor. Neben Art. 60 BayVwVfG besteht zudem das Recht der Beteiligten zur Geltendmachung eines gesetzlichen Kündigungsrechts in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2000, RdNr. 3 zu § 60). Letzteres könnte hier der Fall sein, da die Kläger den in der Niederschrift vom 8. Oktober 1992 vereinbarten "Kaufpreis" bislang nicht an den Beigeladenen erstattet haben. Nach § 326 BGB ist unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktritt vom Vertrag möglich, wenn die Leistung nicht rechtzeitig erfolgt (BVerwG vom 6.7.1973 BVerwGE 42, 331/341).

Die Voraussetzungen von § 326 BGB liegen jedoch nicht vor. Erforderlich wäre vielmehr nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung, dass den Klägern "zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung" bestimmt worden wäre, dass "die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der Frist" abgelehnt würde. Die Kläger hätten also mit Fristsetzung und Hinweis auf die Ablehnung der Leistung nach Fristablauf zur Zahlung von 6810 DM aufgefordert werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Zwar wurde den Klägern mit Schreiben der Beklagten vom 12. Januar 1993 mitgeteilt, dass sich ein Kaufpreis von 6810 DM ergebe und dieser innerhalb von vier Wochen an den Beigeladenen zu zahlen sei. Nachdem dies nicht erfolgte, wurden die Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 1999 zu einem Besprechungstermin geladen. Die Kläger teilten darauf mit Schreiben vom 2. November 1999 mit, eine Besprechung sei nicht erforderlich, da nicht ersichtlich sei, wo sich die Abfindungsfläche befinde. Daraufhin beschloss der Marktgemeinderat des Beigeladenen in seiner Sitzung vom 11. November 1999, die Rückübertragung des Eigentums bei der Direktion für Ländliche Entwicklung zu beantragen. Dies wurde der Klägerin mit Schreiben vom 28. März 2000 mitgeteilt. Ohne weiteren Schriftwechsel kam es dann am 15. Juni 2000 zur streitgegenständlichen Flurbereinigungsplanänderung. Eine Fristsetzung und Ablehnungsandrohung lässt sich hieraus nicht entnehmen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, eine Fristsetzung wäre wegen offensichtlicher Zwecklosigkeit entbehrlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Kläger die Zahlung bestimmt, ernstlich und endgültig verweigert hätten. Dabei sind an die Bejahung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen zu stellen (Palandt, BGB, 59. Aufl. 2000, RdNr. 20 zu § 326). Die Kläger haben zwar wiederholt darauf hingewiesen, dass die Flächenberechnung des neuen Abfindungsflurstücks 2494 nicht zutreffend sei und nicht erkennbar wäre, wo sich die Fläche befinde. Eine endgültige Erfüllungsverweigerung kann hierin jedoch noch nicht gesehen werden. Vielmehr äußern die Kläger Zweifel an der Umsetzung der Vereinbarung. Zudem wurde erst mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2000 (BVerwG 11 B 24.00) die von den Klägern gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 11. November 1999 (Az. 13 A 97.1298) erhobene Beschwerde verworfen. Gegenstand des Urteils vom 11. November 1999 war u.a. auch der Vollzug der Vereinbarung vom 8. Oktober 1992 (S. 13 des Urteils). Damit fehlt es derzeit an den Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt von der Vereinbarung vom 8. Oktober 1992 und demgemäss auch an den Voraussetzungen für eine Planänderung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG.