Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.12.1983 - 5 C 26.83 = BVerwGE 68, 290= RdL 1984 S. 67
Aktenzeichen | 5 C 26.83 | Entscheidung | Urteil | Datum | 15.12.1983 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = BVerwGE 68, 290 = RdL 1984 S. 67 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Für die Einladung zur Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer vor Anordnung der Flurbereinigung ist gesetzlich weder eine bestimmte Form vorgeschrieben noch eine bestimmte Frist einzuhalten. |
2. | Die Aufklärungsversammlung ist keine Verhandlung im Sinne des § 129 FlurbG mit den dabei zu beachtenden Förmlichkeiten. |
Aus den Gründen
Nach § 5 Abs. 1 FlurbG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 546) sind vor der Anordnung der Flurbereinigung die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in geeigneter Weise eingehend über das geplante Flurbereinigungsverfahren einschließlich der voraussichtlich entstehenden Kosten aufzuklären. Die nach dieser Bestimmung erforderliche Aufklärung der voraussichtlich Beteiligten obliegt der zuständigen Flurbereinigungsbehörde. Nach § 5 Abs. 1 FlurbG (sowohl in der Fassung von 1953 als auch in der von 1976) ist es der Flurbereinigungsbehörde freigestellt, in welcher Form sie die Aufklärung vornehmen will; sie muß nur geeignet sein, den Zweck zu erfüllen. Auch ist die Form der Aufforderung (Einladung) an die voraussichtlich Beteiligten nicht gesetzlich festgelegt. Es muß lediglich gewährleistet sein, daß die in Betracht kommenden (voraussichtlichen) Teilnehmer davon Kenntnis erhalten und an der beabsichtigten Aufklärungsversammlung teilnehmen können (Beschluß vom 28. Dezember 1959 - BVerwG I CB 170.59 - (RdL 1960, 166, 167)). Der Zweck der Aufklärung liegt nicht nur darin, die Beteiligten für das geplante Verfahren zu gewinnen, weil die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens unter Mitwirkung der Gesamtheit der beteiligten Grundeigentümer (der Teilnehmergemeinschaft) erfolgt (§ 2 Abs. 1 FlurbG), sondern auch darin, durch Erörterung mit den Betroffenen die notwendigen Unterlagen für die Beurteilung ihres Interesses zu erhalten (BVerwGE 8, 197 (198)).
Aus dieser Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, ergibt sich, daß für die Aufforderung (Einladung) zur Aufklärungsversammlung weder eine förmliche öffentliche Bekanntmachung noch eine persönliche Verständigung jedes einzelnen voraussichtlichen Teilnehmers vorgeschrieben ist oder verlangt werden kann. Die Aufklärungsversammlung ist insbesondere keine Verhandlung im Sinne des § 129 FlurbG mit den dabei zu beobachtenden Förmlichkeiten und der solchen Förmlichkeiten zugedachten Beweiskraft. Die Aufforderung (Einladung) zur Aufklärungsversammlung ist deshalb auch nicht an eine Ladungsfrist gebunden. Ob die Aufforderung (Einladung) zur Teilnahme an einer Aufklärungsversammlung geeignet ist, die Kenntnisnahme zu ermöglichen oder sicherzustellen, hängt - wie in der angeführten Rechtsprechung bereits hervorgehoben - weitgehend von den örtlichen Verhältnissen und den Begleitumständen der gewählten Verfahrensweise ab, wonach selbst eine öffentliche Ladung durch Aushang drei Tage vor der angekündigten Versammlung nicht zur Aufhebung des Flurbereinigungsbeschlusses führen mußte (BVerwGE 8, 197 (198)). Ist aber weder eine bestimmte Form der Aufforderung vorgeschrieben noch eine bestimmte Frist zwischen der Einladung zur Teilnahme und der Abhaltung der Aufklärungsversammlung einzuhalten, dann kann hierfür weder eine unmittelbare noch analoge Anwendung der in § 114 Abs. 2 FlurbG vorgesehenen Bekanntmachungsarten und den darauf bezogenen Ladungsfristen in Betracht kommen. Da das Flurbereinigungsgesetz zur vorherigen Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer verpflichtet, muß lediglich gewährleistet sein, daß diese vor der Anordnung über das Vorhaben schlechthin, die rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Grundlagen anhand der agrarstrukturellen Untersuchungen und Planvorgaben, den Umfang des Verfahrensgebiets, die Plangestaltung selbst, die Auswirkungen der Neugestaltung und die voraussichtlich entstehenden Kosten, insbesondere die sich daraus ergebenden Belastungen der Teilnehmergemeinschaft eingehend informiert werden. Eine nicht ausreichende Unterrichtung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer, wozu auch die rechtzeitige Ankündigung der Aufklärungsveranstaltung, die Möglichkeit der Kenntnisnahme der anzusprechenden Zielgruppe und die Gelegenheit zur Teilnahme nach Zeit und Örtlichkeit gehört, würde nicht zu Nachteilen der Nichtbenachrichtigten führen, weil selbst bei den Benachrichtigten keinerlei Folgen im Falle des Ausbleibens eintreten können. Bei unzulänglicher Einladung zur Aufklärungsveranstaltung und unzureichender Unterrichtung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer läuft allenfalls die Flurbereinigungsbehörde Gefahr, daß der Flurbereinigungsbeschluß mangels ungeeigneter Aufklärung angefochten und aufgehoben wird. Wenn sich die Flurbereinigungsbehörde für die Einladung bzw. Aufforderung zur Teilnahme an der Aufklärungsversammlung der öffentlichen Bekanntmachung bedient, dann ist sie allein deshalb nicht zugleich gehalten, auch die in § 114 Abs. 2 Satz 2 FlurbG vorgeschriebene Ladungsfrist von zwei Wochen einzuhalten. Diese Verpflichtung besteht nur bei Ladungen zu Verhandlungen im Rahmen des bereits eingeleiteten Flurbereinigungsverfahrens, bei denen Kraft ausdrücklicher Vorschrift das Ausbleiben im Termin bzw. das nicht rechtzeitige Vorbringen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzliche Folgen (wie beispielsweise den Ausschluß mit späteren Einwendungen nach § 59 Abs. 2 und 4 FlurbG) haben kann. Unter diesen Gesichtspunkten kann die öffentlich bekanntgemachte Einladung zur Aufklärungsversammlung am 25. Mai 1976, 11Tage vor der Veranstaltung in der Flurbereinigungsgemeinde S. im amtlichen Mitteilungsblatt erschienen, nicht als zu kurz angesehen werden, um dem darin angesprochenen Personenkreis die Kenntnisnahme von der Einladung und die Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen.
Die teilweise kürzeren Fristen zwischen der Veröffentlichung der Einladung in zwei Nachbargemeinden und der Aufklärungsversammlung rechtfertigen schon deshalb nicht die Aufhebung des Flurbereinigungsbeschlusses, weil keiner der Kläger in diesen Gemeinden bzw. in dem noch nicht eingegliederten Gemeindeteil wohnte. Abgesehen davon ist für eine Einladung zur Aufklärungsversammlung eine öffentliche Bekanntmachung hierüber in den angrenzenden Gemeinden wie bei Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses nach § 6 Abs. 3, § 110 FlurbG nicht vorgeschrieben. Auf die - immerhin beträchtliche - Anzahl der Teilnehmer an der Aufklärungsversammlung kommt es insoweit nicht an, weil nicht erforderlich ist, daß alle voraussichtlich beteiligten Grundstücksteilnehmer daran teilgenommen haben, sondern lediglich, daß diesen durch rechtzeitige Ankündigung der Veranstaltung und des Zwecks der Aufklärung die Teilnahme ermöglicht wurde. Bei einer verhältnismäßig geringen Teilnehmerzahl könnte allenfalls die Prüfung des Interesses der insoweit Beteiligten im Sinne des § 4 FlurbG erschwert sein, wenngleich allein aus einer geringen Teilnehmerzahl weder auf fehlendes noch vorhandenes Interesse der Beteiligten geschlossen werden könnte.
Die Aufklärung kann auch nicht deswegen als ungeeignet angesehen werden, weil zwischen der Abhaltung der Versammlung am 25. Mai 1976 und der Anordnung der Flurbereinigung am 06. Juni 1977 mehr als ein Jahr vergangen war. Die Einhaltung einer bestimmten Zeitspanne zwischen Aufklärung und Anordnung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Es ist auch nicht auszuschließen, daß in der Aufklärungsversammlung gewichtige Bedenken erhoben werden oder zusätzliche Probleme auftauchen, die zu ergänzenden strukturellen Untersuchungen Anlaß geben. Auch kann die Auswertung und Prüfung entgegenstehender Interessen einer nicht unerheblichen Anzahl von Beteiligten einige Zeit in Anspruch nehmen. Desgleichen kann die Anhörung der in § 5 Abs. 2 FlurbG angeführten Stellen nicht immer kurzfristig durchgeführt werden; eine etwa erforderliche Plankoordination bestehender oder geplanter Vorhaben kann die Anordnung der Flurbereinigung ebenfalls verzögern. Daß während dieser Zeit die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer wechseln können und der Kreis der Adressaten sich dadurch verändert, ist unerheblich. Ebensowenig wie während des Verfahrens der Erwerb eines im Verfahrensgebiet liegenden Grundstücks untersagt ist, besteht auch für die Zeit zwischen Aufklärung und Anordnung kein Erwerbs- oder Veräußerungsverbot für im vorgesehenen Flurbereinigungsgebiet belegene Flurstücke. Der Gesetzgeber hat mit dem Hinweis auf die "voraussichtlich" beteiligten Grundstückseigentümer eine Fluktuation unter den Teilnehmern in Erwägung gezogen. Der von den Klägern angegriffene Flurbereinigungsbeschluß vom 06. Juni 1977 durfte deshalb nicht wegen ungeeigneter Aufklärungsweise aufgehoben werden.