Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 06.07.1972 - IX G 52/71
Aktenzeichen | IX G 52/71 | Entscheidung | Urteil | Datum | 06.07.1972 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Bedeutung der Aufklärung der Teilnehmer über die voraussichtlich entstehenden Kosten. |
Aus den Gründen
Die Heranziehung zu den Beiträgen in Geld oder Sachen ist in § 19 FlurbG geregelt. Für den Fall, daß diese Heranziehung eine offensichtliche oder unbillige Härte darstellt, sieht § 19 Abs. 3 FlurbG vor, daß einzelne Teilnehmer ganz oder teilweise von den Kosten befreit werden können. Für die Frage, ob ein solcher Fall vorliegt, ist davon auszugehen, daß die Teilnehmer für ihre Beiträge eine Gegenleistung durch eine sich aus der Flurbereinigung im allgemeinen ergebende Wertsteigerung ihrer Grundstücke erhalten (Bundesverwaltungsgericht, 15. Januar 1969, RdL 1969 S. 299). In welchem Umfange die Kläger an den Vorteilen des Flurbereinigungsverfahrens teilnehmen werden, kann erst in einem späteren Stadium des Verfahrens festgestellt werden.
Gleichwohl aber ist die Kostenfrage bereits bei der Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens insofern von Bedeutung, als die Verfahrensbeteiligten einerseits nach der ihnen bei der Aufklärung nach § 5 Abs. 1 FlurbG gegebenen Information über die Höhe der voraussichtlich auf sie zukommenden Flurbereinigungskosten aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes heraus erwarten können, daß die bei dieser Gelegenheit unter Billigung durch die landwirtschaftliche Berufsvertretung zugrunde gelegte, die Rentabilität der Wirtschaftsbetriebe der Teilnehmer nicht belastende überschlägliche Kostenhöhe während der Durchführung des Verfahrens nicht überschritten wird, andererseits aber die derzeitige und für eine absehbare Zeit vorausschaubare allgemeine Preisentwicklung die Möglichkeit einer während der Dauer des Flurbereinigungsverfahrens eintretenden Steigerung der Ausführungskosten nicht in einem solchen Ausmaß ausschließt, daß deren Höhe unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem europäischen Agrarmarkt in dem allgemeinen Verfahrensvorteil der Teilnehmer noch Deckung finden kann. Wenn auch die Kostenhöhe in der Hauptsache durch den Ausbau der gemeinschaftlichen Anlagen des Wege- und Gewässerplanes bedingt wird und der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft über Umfang und Art des Ausbaues dieser Anlagen selbst in eigener Verantwortung zu entscheiden hat, so würde ein auf eine etwaige ungünstige Preisentwicklung zurückzuführender unvollständiger und bereits im Zeitpunkt seiner Ausführung den wirtschaftlichen Bedürfnissen nicht gerecht werdender Ausbau der Anlagen die Ziele der Flurbereinigung nicht erfüllen und zu Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens Anlaß geben können, weil der optimale Ausbau der Anlagen die als Gegenleistung zu erbringende Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Verfahrensteilnehmer nicht erreichen und möglicherweise diese Leistungsfähigkeit sogar einengen würde. Hierzu muß jedoch festgestellt werden, daß die Flurbereinigung in erheblichem Umfang mit öffentlichen Mitteln durchgeführt und durch Gewährung von Zuschüssen gefördert wird und daß nach den Landesrichtlinien NW für die Gewährung von Zuschüssen vom 28. November 1969 (LMBl. 7815) bei der Festsetzung der Höhe dieser Zuschüsse darauf zu achten ist, daß die wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe durch die laufenden Beiträge, die sie zu entrichten haben, nicht beeinträchtigt wird. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, daß sich eine den Sinn von Flurbereinigungsmaßnahmen in das Gegenteil umkehrende unwirtschaftliche Belastung der am Verfahren beteiligten Betriebe aus den auf sie entfallenden Anteilen an den Ausführungskosten nicht ergeben wird. Es foIgt daraus zugleich, daß der den Teilnehmern aus der Flurbereinigung erwachsende allgemeine Vorteil weitgehend von der Allgemeinheit getragen wird. Die Frage allerdings, ob dieser allgemeine Vorteil noch wie bisher auch in der Zukunft ausschließlich oder mindestens überwiegend den Verfahrensteilnehmern wirtschaftlich zugute kommen und ihnen allein zugerechnet werden kann, stellt angesichts der weitgehenden Funktionsveränderung des ländlichen Raumes vom landwirtschaftlichen Erzeugungsgebiet zum Erholungsgebiet der Gesamtbevölkerung mit landschaftserhaltendem Charakter einen Umstand dar, der Veranlassung dazu geben könnte, die Allgemeinheit über ihren bisherigen Anteil an der Gewährung öffentlicher Mittel hinaus in Erweiterung der den Landeszuschußrichtlinien zugrunde liegenden Rechtsgedanken an der Aufbringung der Flurbereinigungskosten zu beteiligen. Erfahrungsgemäß dient - besonders in landschaftlich reizvollen Gebieten - das unter Aufbringung des nicht durch die öffentlichen Zuschüsse gedeckten Teiles der Ausführungskosten und des Landbedarfs durch die Verfahrensteilnehmer für den land- und forstwirtschaftlichen Bedarf erstellte Wirtschaftswegenetz weitgehend dem Wochenend- und Erholungsverkehr weiter mit dem Kraftfahrzeug anreisender Bevölkerungsschichten mit der Folge einer Erhöhung der Unterhaltungslasten für diese Anlagen. Es mag daher der Billigkeit entsprechen, daß bei der Ermittlung des von den Teilnehmern aufzubringenden, durch die öffentlichen Zuschüsse ungedeckten Kostenanteiles auch die im Rahmen des § 47 FlurbG für die gemeinschaftlichen Anlagen aufzubringende Beitragsleistung in Land Berücksichtigung findet, um die aus diesem Kostenanteil dem einzelnen Verfahrensteilnehmer als Gegenleistung für die allgemeinen Flurbereinigungsvorteile erwachsende Beitragsbelastung auf eine Höhe zu beschränken, die dem gestiegenen Interesse der Allgemeinheit an diesem auf die Landaufbringung der Teilnehmer angewiesenen allgemeinen Flurbereinigungsvorteilen Rechnung trägt. Doch können im gegenwärtigen Verfahrensstand zu der Höhe des durch Zuschüsse nicht gedeckten Kostenanteils der Verfahrensteilnehmer über die deren Beitragsleistungen regelnden Bestimmungen des FlurbG (§ 19, § 47) und über die in den Zuschußrichtlinien enthaltene Festlegung einer an der Wirtschaftlichkeit der Betriebe der Teilnehmer orientierten wirtschaftlichen Tragbarkeit hinaus keine Feststellungen getroffen werden, da weder Art und Umfang sämtlicher zur Erfüllung der gemeinschaftlichen Aufgaben aus § 18 FlurbG durchzuführenden Ausbaumaßnahmen noch deren Kosten zu übersehen sind. Jedoch ist bereits eine von den Klägern für die Teilnehmer aus dem nördlichen S. Raum in bezug auf den Gewässerausbau befürchtete Doppelbelastung aus den Regulierungen der fünfziger Jahre und aus den bevorstehenden Ausbaumaßnahmen der Flurbereinigung durch Übernahme der aus dem früheren Ausbau noch bestehenden alten Darlehnsverpflichtungen auf die Teilnehmergemeinschaft entfallen. Unter diesen Umständen sind die von den Klägern hervorgehobenen Gesichtspunkte ihrer Beitragsbelastungen im Flurbereinigungsverfahren für den Nachweis ungeeignet, daß die Einbeziehung des nördlichen S. Raumes in die Flurbereinigung dem wohlverstandenen Gesamtinteresse der Teilnehmer aus diesem Raum an dem Flurbereinigungsverfahren entgegensteht.